Ansprache von Bischof Peter Kohlgraf im Gottesdienst beim „Richtfest“ zum Beginn der Phase II des Pastoralen Wegs „Ich baue dir ein Haus“ (2 Sam 7, 27), Hoher Dom zu Mainz, Sonntag, 12. Juni 2022

Die Räume müssen sich der Realität anpassen. Aber es werden lebendige und lichtvolle Räume sein, einladend und dann mit Ausstrahlung. 

Gottesdienst Richtfest Pastoraler Weg (c) Bistum Mainz | BNichtweiß
Datum:
So. 12. Juni 2022
Von:
Bischof Peter Kohlgraf

Wir feiern Richtfest, einen wichtigen Punkt auf dem Pastoralen Weg des Bistum Mainz. 
Das Haus ist noch nicht fertig, aber die Grundmauern stehen und Fortschritte sind erkennbar. Herausforderungen kommen auf uns zu, deren Tragweite wir nur erahnen. Ich stimme denen nicht zu, die das Ende der Kirche herbeireden. Ja, die Gestalt verändert sich, wir werden sicher weniger, die Räume müssen sich der Realität anpassen. Aber es werden lebendige und lichtvolle Räume sein, einladend und dann mit Ausstrahlung. 

Dazu sind wir alle berufen, und ich sehe mit Respekt und Dankbarkeit das bisherige große Engagement Vieler, das die Fragen und Sorgen keineswegs ausklammert, die jede Veränderung mit sich bringt, erst recht eine Veränderung des kirchlichen Lebens in einer derartigen Tragweite. Und natürlich stehen wir nicht am Punkt Null. Wir stehen im Bistum in einer lebendigen Tradition, die für heute zum engagierten Weiterbauen ermutigt. Immer wieder wurde das Haus aus lebendigen Steinen im Bistum Mainz erneuert und weitergebaut. Vor dieser Aufgabe stehen wir auch heute: Bewährtes stärken, Neues entdecken und gestalten. Der Pastoraltheologe Herbert Haslinger hat vor einigen Jahren den Weg der Kirche so beschrieben: vom Einfamilienhaus zur Berghütte. Er ermutigte die Kirche, ein offenes Haus zu sein, in dem Menschen das finden, was sie auf ihrem Weg brauchen: Versorgung, Stärkung, Ruhe, neue Kraft. Das Einfamilienhaus bietet der Familie Schutz und Geborgenheit vor der Außenwelt; die Berghütte hingegen lädt ein, gerade auch dann hineinzuschauen, wenn man nur punktuell Begegnung wünscht, um dann den Weg des Lebens weiterzugehen. Natürlich haben Glaube und Kirche auch Verbindliches: Jesus ruft zur Nachfolge. Aber Kirche ist Instrument auf diesem Weg, nicht Selbstzweck. Wir sind heute gerufen, eine Kirche mit Gottes Hilfe mitzugestalten, die vielen Menschen eine offene Tür und Räume anbietet, die sie brauchen für ihr Glaubensleben in der Suche nach der Freundschaft Jesu. So gestalten wir das Haus aus lebendigen Steinen. 

„Eure Häuser sollen nach der Sonnenseite Gottes gebaut sein“ – so sagt es Nelly Sachs in einem ihrer Gedichte. 

Unser Haus nach der Sonnenseite Gottes bauen: Das ist ein wunderbares Wort zum heutigen Richtfest. Wir sind nicht selbst das Licht, sondern wir versuchen Mittel zu finden, das Licht Gottes besser zum Strahlen zu bringen. Dafür müssen wir uns nach seinem Licht ausrichten, es in uns hineinlassen, um es dann weitergeben zu können. Wir verlassen uns beim Hausbau nicht allein auf unsere menschlichen Ressourcen. Wir haben die Zusage Gottes, bei uns zu bleiben: in seinem Sohn, den Sakramenten, dem Wort, der Gemeinschaft und in den vielen guten Erfahrungen des Kircheseins. Das ist der entscheidende Blick aus dem Fenster auf die Sonnenseite Gottes. Ich höre das Wort Jesu: Macht euch doch keine Sorgen, der Vater weiß, was ihr braucht. Wir wollen das Licht Gottes durch unsere Fenster hereinlassen. 

Das heißt doch gleichzeitig: Es gibt Licht von außen. Die Welt ist Gottes so voll (Alfred Delp), und wir tun gut daran, auf die Welt neben der Kirche zu schauen, oder besser: uns in dieser Welt zu verorten, ohne uns in allem anzugleichen, aber doch Gottes Gegenwart auch in den vielen Menschen und ihren Erfahrungen zu suchen. Auch in ihnen begegnet uns die Sonnenseite Gottes, nach der wir unser Haus ausrichten wollen. 

Wir werden eine Kirche bleiben, die verkündet in Tat und Wort, die den Glauben feiert und Menschen seelsorglich begleitet, die Nächstenliebe als ihren Wesenskern beschreibt und lebt. Bevor wir Licht weitergeben, müssen wir unser Haus nach Gottes Sonnenseite ausrichten. Er muss auch Licht in unsere dunklen Seiten bringen. Diese Prozesse bleiben uns allen nicht erspart. Dieses Haus steht inmitten einer bunten Welt. 

Die Vertreterinnen und Vertreter der Pastoralräume nehmen ein Bäumchen mit. Dieser Baum braucht Erde, Wurzeln, Pflege, Sonne. Damit wird er ein Sinnbild dessen, was wir brauchen und was wir erbitten: 

Möge Gott seine Sonne leuchten lassen auf unsere Bemühungen, mögen wir starke Wurzeln haben in einem guten Erdreich. Wir können dem Baum gute Bedingungen schaffen, die Sonne muss Gott schenken. So mögen unsere Fenster offen sein für sein Licht, so möge sich unser Baum ausrichten auf seine Sonne, um dann gute Früchte zu bringen und Menschen Leben weiterzugeben. Dazu gebe Gott seinen Segen.