„Freut euch in der Hoffnung“ – dieses Motto haben Sie über Ihre Sendung gestellt. Angesichts der kirchlichen Situation reiben sich vielleicht manche verwundert die Augen. Sechs junge Menschen stellen sich mit Freude und Hoffnung in den Dienst der Kirche. Das macht mir als Bischof, und sicher nicht allein mir, viel Hoffnung – und Freude.
Das Motto ist der Beginn eines Satzes aus dem Römerbrief, der noch weitergeführt wird: „Freut euch in der Hoffnung, seid geduldig in der Bedrängnis, beharrlich im Gebet“ (Röm 12,12). Es lohnt sich durchaus, den gesamten Vers in den Blick zu nehmen. Ich gestatte mir eine Bemerkung: Exegeten fällt auf, dass Paulus die Gemeinden in Rom nicht als „Kirche Gottes in Rom“ wie in anderen Briefen bezeichnet. Sie erklären es damit, dass wohl zu dieser Zeit der einzelnen Hausgemeinde noch übergreifende Gemeindestrukturen fehlten. Das Ganze war noch nicht im Blick. Judenchristen standen gegen die Gemeinden aus dem Heidentum. Eine Ortskirche ist dann Kirche Gottes in Rom (in Mainz….), wenn es ein Bewusstsein für eine die einzelne Hausgemeinde und Stadtteilgemeinde übergreifende Einheit gibt. Daher ist es richtig und gut, dass wir heute einen Gottesdienst der Sendung feiern mit dem Bischof und den Gläubigen aus den unterschiedlichen Gemeinden vor Ort, aus denen Sie stammen und zu denen Sie gesendet werden. Nur in dieser Einheit nennt der Apostel uns die Kirche Gottes. Das ist mein Wunsch auch für den Pastoralen Weg des Bistums: dass es in den Gemeinden und Kirchorten eine Einheit geben wird, die uns erst so zur Kirche Gottes in Mainz werden lässt.
Freude und Hoffnung sind sicher nicht die Kennzeichen der meisten unserer Gläubigen. Aber das gilt wohl auch für viele Menschen unserer Zeit insgesamt. Wir leben im Zeitalter apokalyptischer Töne. Wenn nicht bald das und das geschieht, ist es zu Ende. Menschen legen Finger in Wunden, und das tun sie zu Recht. Manchmal aber fehlt ihnen das Verständnis für die Komplexität von Prozessen und Zusammenhängen. Das gilt in der Kirche und in der gesamten Gesellschaft. Es ist gut und richtig, dass besonders junge Menschen die Dringlichkeit ökologischer Fragen betonen. Aber es gehört dazu, dass Personen in Verantwortung Entscheidungen zu bedenken haben, die viele Gesichtspunkte berücksichtigen müssen. So erlebe ich auch immer wieder meinen bischöflichen Alltag. Kirchliche Veränderungsprozesse laufen mühsam und oft langsam. Das gilt auch deswegen, weil viele mitgenommen und unterschiedliche Aspekte bedacht werden müssen. Die Einheit darf nicht zerfallen, auch eine Einheit in Vielfalt nicht. Daher braucht es neben den starken Stimmen zur Veränderung auch das Bewusstsein für den gemeinsamen Auftrag und für die Würde der Haltung der anderen. Einheit entsteht durch eine grundsätzliche Identifikation aller mit der Ortskirche, die eingebunden ist in die Weltkirche insgesamt, in aller Buntheit und Vielfalt.
Greta Thunberg hat ihren Wunsch einmal zusammengefasst mit den Worten: „Ich will, dass ihr in Panik geratet“. Paulus schlägt eher den Weg der Hoffnung und der geteilten Glaubensfreude vor, auch in der Bedrängnis. Mir scheint dieser Weg zielführender zu sein – und motivierender. Ich habe es vor kurzem bereits in einer Predigt gesagt: Panik macht selbstbezogen und unüberlegt, Hoffnung hingegen beflügelt und kann auch Durststrecken aushalten – ohne wichtige Schritte unnötig zu verschleppen. Was macht Hoffnung in dieser Zeit der Kirche? Es relativiert nicht meine und unser aller Mitverantwortung für eine glaubwürdige Gestalt der Kirche, wenn ich hervorhebe, dass der Kern der Kirche glaubwürdig ist: das Wort Gottes und die Sakramente, in denen uns Christus berührt und seine Nähe schenkt.
Sie, liebe Kandidatinnen und Kandidaten, lassen sich heute in den seelsorglichen Dienst senden. Damit stehen Sie für viele Menschen für die Glaubwürdigkeit der Kirche und ihrer Botschaft. Verstehen Sie sich bitte als Seelsorgerinnen und Seelsorger. Denn dies ist Quelle der Hoffnung für viele Menschen auch oder gerade in diesen Zeiten. Vor kurzem ist ein Text der deutschen Bischöfe erschienen über das Seelsorgeverständnis unter dem Titel: „In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche“ (8. März 2022). Ich will daraus zitieren, denn dort wird gerade die Seelsorge als das Herzstück der Kirche definiert. Sie als Seelsorgerinnen und Seelsorger verkörpern dieses Herz der Kirche, letztlich verkörpern Sie das für die Menschen brennende Herz Gottes in Jesus Christus. Das kann eine starke Quelle von Freude und Hoffnung sein:
„Menschen, die sich seelsorglich einbringen, erleben das als sehr erfüllend. Für die meisten, die als Priester oder Diakon, als Pastoral- und Gemeindereferentin und -referent tätig sind oder sich auf einen dieser Dienste vorbereiten, war bei der Berufswahl ausschlaggebend, später einmal Seelsorger oder Seelsorgerin sein zu können. Aber auch Frauen und Männer, die sich ehrenamtlich in der Seelsorge engagieren, erfahren ihren Einsatz als sinnvoll und bereichernd. Bei Christen und Christinnen, aber auch bei Menschen außerhalb der Kirche, hat das Wort Seelsorge nach wie vor einen guten Klang. Wenn es über jemanden heißt: „Das ist ein echter Seelsorger“, „Das ist eine echte Seelsorgerin“, dann ist das vielleicht das größte Kompliment, das man einem kirchlichen Mitarbeiter, einer kirchlichen Mitarbeiterin machen kann. Denn als ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin gelten Personen,
– die auch und gerade in schwierigen Situationen ansprechbar sind und Verständnis zeigen;
– die wissen, dass es nicht nur schwarz und weiß im Leben gibt, sondern dass es durchaus auch diffizile Herausforderungen gibt, die sich nicht einfach nach „Schema F“ regeln lassen;
– die keine falschen Versprechungen machen, aber auf deren Wort Verlass ist, immer in dem Bewusstsein, dem anderen die Verantwortung für sein Tun nicht abnehmen zu dürfen;
– bei denen man spürt, dass sie aus dem christlichen Glauben leben und deshalb wissen, dass längst nicht alles von menschlichen Bemühungen abhängt;
– die diesen Glauben auf eine der Situation angemessene Weise durch Worte, Gesten und Symbole einzubringen vermögen.“ (In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche. Wort der deutschen Bischöfe zur Seelsorge, S. 9f.)
Seelsorge ist auch für kirchenferne Menschen ein positiv besetzter Begriff. Seelsorge ist Quelle von Freude und Hoffnung für alle Seiten, auch für die Menschen in der seelsorglichen Berufung. Neben Hoffnung und Freude braucht es tatsächlich heute Geduld. Geduld ist kein Aussitzen, sondern eine visionäre und gleichzeitig realistische Bereitschaft, die Wirklichkeit zu gestalten. Wir nehmen derzeit die dramatischen Kirchenaustrittszahlen wahr. Viele haben keine Geduld mehr, andere ziehen den Schlussstrich unter einen langen Prozess der Entfremdung von der Kirche. Daran tragen die Verantwortlichen in der Kirche einen erheblichen Anteil, aber nicht nur sie. Nicht wenige gehen, weil ihnen Veränderungsprozesse zu langsam gehen oder sie die Hoffnung auf Reformen aufgegeben haben, die sie für notwendig halten. Vor einigen Tagen zitierte ein seriöser Fernsehjournalist eine Untersuchung, dass ungefähr 30% der jetzt Ausgetretenen deshalb die Kirche verlassen, weil sie ihnen zu zeitgeistig und an moderne Haltungen angepasst geworden wäre. Das widerlegt eine apokalyptische These aus einer Richtung, man müsse nur das und das schnell verändern, um den Niedergang zu stoppen. Ganz so einfach ist es offenbar nicht.
Es braucht Geduld, um die rechten Wege zu suchen, zu unterscheiden und mit möglichst vielen Menschen zu gehen. Neben Freude und Hoffnung wünsche ich Ihnen diese Geduld, auch die Gabe der Unterscheidung und die Gabe des Geistes, sich komplizierten Fragen durch guten Rat auszusetzen und Ihrerseits guten geistlichen Rat zu geben. Ich habe Sie in den Gesprächen als frohe und hoffnungsvolle, glaubende Menschen erlebt. Sie treten in den Dienst der Kirche in den unterschiedlichen Feldern und Aufgaben. Erlauben Sie mir dazu eine kurze Bemerkung: Heute ist es sogar innerkirchlich angesagt, den Austritt aus der Kirche als normal oder als förderlich zu betrachten. Mir steht eine Bewertung einer jeweils persönlich getroffenen und reflektierten Entscheidung in dieser Frage nicht zu. Allerdings nutze ich diesen Tag, um denen Danke zu sagen, die bleiben und durch ihr Engagement, Gebet und nicht zuletzt auch finanzielle verlässliche Unterstützung die kirchlichen Aufgaben garantieren. Ohne diese Menschen wäre Ihr Dienst nicht zuverlässig zu finanzieren und auch nicht die pastoralen Felder, in die Sie gesandt sind. Und ich wünsche Ihnen mit dem Apostel die Beharrlichkeit im Gebet. Sie und wir alle brauchen das Gebet als die lebendige Quelle des Lebens, des Glaubens und der pastoralen Arbeit. Seien Sie Seelsorgerinnen und Seelsorger, Menschen der Freude und Hoffnung. Ich bitte Sie herzlich, dass wir in aller Unterschiedlichkeit die Einheit im Bistum leben, ohne die wir nicht Kirche Gottes sind, so zumindest die Haltung des Apostels. Ich bitte Sie um guten Rat, Geduld ohne Vertröstung, den Blick für das Notwendige, der sich im Gebet schärfen möge. Danke für Ihre Bereitschaft, sich senden zu lassen, und den Segen Gottes für Sie und die großen Aufgaben, in die Sie gesendet werden.