Der Auftrag von Theologie und Kirche in der modernen Gesellschaft

Datum:
Mittwoch, 10. März 1999

Festvortrag von Bischof Prof. Dr. Dr. Karl Lehmann, Mainz Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz anläßlich der Feierlichkeiten zur Neueröffnung der renovierten "Alten Universität", Katholisch-Theologische Fakultät, der Leopold-Franzens-Universität in Innsbruck

I.

Vor einigen Jahren habe ich zu diesem Thema einen Vortrag gehalten und darin einige Thesen entfaltet. Heute möchte ich diese Leitsätze an den Anfang stellen, sie aber nicht kommentieren. Sie sollen den Ausgangspunkt kennzeichnen und das Ziel vor Augen führen.

1. Verantwortliches Denken im Raum der christlichen Offenbarung und Theologie gibt es nur, weil und insofern beide von Hause aus auf den christlichen Glauben bezogen sind und bleiben.

2. Der Glaube braucht das Denken, wenn er sich selbst treu bleiben will.

3. Die Kirche braucht die Anstrengung des Glaubensdenkens, wenn sie verantwortlich das Evangelium der Welt vermitteln will.

4. Auch die moderne Gesellschaft kann mindestens erkennen, daß ihr Theologie bei der Aufklärung über sich selbst, ihre Herkunft und - bei der Bewältigung ihrer Lebens- und Gestaltungsprobleme - ihre Gegenwart und Zukunft "nützlich" sein kann.

5. Die Theologie als Verantwortung des christlichen Glaubens unter den Bedingungen wissenschaftlicher Methoden nimmt teil an den Wandlungen wissenschaftstheoretischer Reflexionen. Das Interesse an Staatlichen Fakultäten liegt in der Chance des Kontaktes zu anderen Wissenschaften, in der Beteiligung der Theologie an der Auseinandersetzung um das jeweilige Verständnis der Wissenschaft und der Wahrheit und in der Freiheit und Unabhängigkeit theologischer Arbeit.

II.

Es ist nicht notwendig, hier ausführlicher über den Sinn und die Begründung der Theologie als wissenschaftlicher Disziplin im Kontext der neuzeitlichen Kultur und Zivilisation zu sprechen. Es ist ein Spezifikum der christlichen Theologie, daß sie sich nicht mit dem bloßen Autoritätsanspruch der Offenbarung selbst begnügt, sondern zur geistigen Bewährung dieses Wahrheitsanspruches fähig und bereit ist. Die Heilige Schrift verlangt dies nicht nur direkt, wenn sie z.B. die Christen auffordert, Rechenschaft von der Hoffnung abzulegen, die sie erfüllt (vgl. 1 Petr 3,15), sondern sie ist selbst das geschichtliche Zeugnis für diese Struktur. Sie zeigt uns, wie die Bibel das lebendige Dokument der Offenbarung ist, indem sie stets im ursprünglichen Sinne Übersetzung ist, nämlich vom sprechenden Gott her hinein in eine bestimmte Welt der Kultur und des Geistes, mit bestimmten Rede- und Denkformen, ja auch verbunden mit einer konkreten Lage in einer bestimmten Region der Kirche oder sogar einer Gemeinde. So wie die Heilige Schrift normativ und exemplarisch diesen fundamentalen Übersetzungsvorgang der geschichtlichen Offenbarung verzeichnet, ähnlich muß jede Theologie schöpferische Vermittlung der christlichen Botschaft für eine bestimmte Gegenwart sein. Die neuere Exegese hat uns im Alten und im Neuen Bund immer wieder gelehrt, wie sehr dieser Prozeß der Anknüpfung und des Widerspruchs die Rezeption des Offenbarungsanspruchs geprägt hat. Diese Struktur läßt sich nachbiblisch, besonders auch in der patristischen Zeit, gut verfolgen, was hier nicht näher erläutert werden muß. Selbstverständlich ist die Theologie dabei stets im Gespräch und in der Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Wissenschaftsverständnis einer Epoche, ja sie hat lange Zeit die Theorie der Wissenschaften maßgeblich beeinflußt.

Wenn die Grundaufgabe der Theologie in dieser Vermittlung zwischen dem ursprünglich ergangenen Offenbarungsanspruch und der jeweiligen Gegenwart besteht, dann muß sie sorgfältig diesen vielfachen Dienst der Vermittlung vollziehen. Sie tut dies übrigens von vornherein nicht allein und nicht isoliert, denn in diesem Überlieferungsprozeß des ein für allemal ergangenen Offenbarungsanspruchs spiegelt sich eine Grundstruktur des Kircheseins überhaupt. Der christliche Glaube kann nur in der konkreten Sozialgestalt der Kirche auf Dauer überleben. Dies geschieht in mannigfachen Formen, wie z.B. der Verkündigung, des Gottesdienstes und der Diakonie, aber auch der Leitung der Kirche.

Die Theologie nimmt an diesem Gesamtprozeß teil, ist auf ihn angewiesen und fördert ihn zugleich durch ihre spezifische Funktion. Es ist selbstverständlich, daß die Theologie zunächst einmal die Reinheit des geschichtlichen Ursprungs sichtbar macht, bewahrt und in gewisser Weise auch sichert. Die historisch-kritische Methode hat bei all ihren Grenzen die unersetzliche Funktion, möglichst authentisch die erreichbaren Quellen selbst sprechen zu lassen und sie gegen alle späteren Interpretationen, Übermalungen und manchmal auch Verzerrungen zur Geltung zu bringen. Diese Rückkehr zu den wieder frisch sprudelnden Quellen hat immer etwas Beunruhigendes, fast Revolutionäres an sich, welches aber die Kirche auch immer wieder an ihren ewig jungen Ursprung bindet und sie jung erhält. Aber die Theologie erschöpft sich nicht in diesem Schritt zurück zu den Anfängen. Sie weiß, daß jede Epoche bei aller normativen Vorbildlichkeit des apostolischen Zeitalters, das sich qualitativ von allen nachapostolischen Ausprägungen unterscheidet, unter dem Anruf des Geistes steht und zu einer schöpferischen, neuen Auslegung fähig ist. Ein Archaismus, der sich in eine bestimmte Zeit zurückzieht und darin sich geradezu einmauert, ist ebensowenig erlaubt wie eine geistige Tendenz zur Regression in eine Bewußtseinsstufe, die nicht für alle Zeiten fixiert werden kann.

Die altkirchlichen großen Konzilien zeigen einleuchtend, warum bei aller bleibenden Bezogenheit des christlichen Glaubens auf die Heilige Schrift als Mitte eine biblische Sprache allein, z.B. zur Kennzeichnung des Verhältnisses zwischen Vater und Sohn und zur Beschreibung der dreifaltigen Struktur Gottes, für sich nicht ausreicht. Bei aller Differenz zwischen der Zeit der werdenden Kirche und den Epochen der gewordenen Kirche darf man die Vermittlungsgestalten der großen Überlieferung in ihrer Bedeutung für die Erschließung des Evangeliums nicht verkennen. Die Vorstellung einer unmittelbaren Gleichzeitigkeit mit Jesus Christus und dem Urchristentum enthält zwar durchaus einige richtige Elemente, verkennt jedoch den Tiefgang der Überlieferungsgeschichte des christlichen Glaubens. Diese Zeugen sind im übrigen nicht einfach museale Gestalten, bloße Studienobjekte historischer Disziplinen, sondern können im Sinne der "ecclesia semper reformanda" auch stets neue Anstöße geben für die Gegenwart der Kirche. Aber auch hier hält die Bewegung der Theologie nicht einfach an, schon gar nicht bei einer Epoche allein oder auch nur bei einem Rückblick als solchem. Dies wäre Flucht in einen Traditionalismus. Diese ist schon darum grundsätzlich nicht erlaubt, weil der Offenbarungsanspruch und die Einladung des Evangeliums die jeweilige Gegenwart erreichen möchten. Sie streben von ihrer universalen Ausrichtung her, die nicht an bestimmte Zeiten und Räume, Sprachen und Kulturen gebunden ist, auf eine Begegnung mit dem Welt- und Menschenverständnis der jeweiligen Gegenwart.

Der ein für allemal ergangene, universale Offenbarungsanspruch verhindert, daß sich die Theologie in einer geschichtlich vergangenen Gestalt einigelt, vielmehr eröffnet sie immer wieder neu die Zukunft des Glaubens. In diesem Sinne hat die Theologie von Hause aus ein nach vorne, in die Zukunft des Glaubens und der Kirche weisendes Gesicht, muß in diesem Sinne "progressiv" sein, baut an der Zukunft der Kirche und ist so auch auf das vorläufige Experiment angewiesen. Aber auch diese Bewegung kann sich nicht allein an der puren Gegenwart, so vielfältig diese wiederum ist, orientieren, sonst würde die Theologie unweigerlich einem Konformismus und Modernismus verfallen, die den bleibenden Rang und das Kriterium des ein für allemal ergangenen Offenbarungsanspruchs und die große Überlieferung in ihrer Bedeutung für das Kirchesein verkennen und dadurch nicht mehr in der Lage sind, ein wirklich für die Sache der Theologie sensibler Gesprächspartner für die eigene Zeit zu sein. Wer nicht tief in der biblischen und theologischen Tradition gründet, ist oder wird unfähig zur wirklichen Übersetzung der christlichen Botschaft ins Heute. Wer nur "heutig" ist, wird im übrigen rasch ein Opfer der Mode und ist morgen bereits wieder von gestern.

Die innere Stärke der Theologie liegt in dieser schöpferischen Vermittlung. Dies ist für jede theologische Disziplin ein eigener, differenzierter Prozeß. In der Vermittlung dieser verschiedenen Erkenntnis- und Suchbewegungen liegt die wahre Mitte der Theologie. Ich habe oft den Eindruck, daß wir so viele Polarisierungen und Verketzerungen, aber auch Gleichgültigkeit und Eigenbrötelei in der Kirche haben, weil uns die bleibende Anstrengung um diese lebendige Mitte aller Theologie nicht mehr so deutlich vor Augen steht oder gar verloren gegangen ist. Wenn diese aber nicht mehr Norm ist, dann gewinnen Spezialistentum und der Anspruch einzelner Schulen einen verzerrenden Vorrang. Ja, auf die Dauer lassen sich dann auch Borniertheit und "Fachidiotentum" nicht gänzlich vermeiden. Natürlich gibt es nicht nur die eine "Mitte" der Theologie, sondern immer wieder nach Personen, Situationen und Disziplinen verschiedene Bestimmungsversuche dieser Mitte selbst. Viele krisenhafte Erscheinungen in der Theologie rühren daher, daß man diese Suche nach der verbindenden Mitte in ihren weiten Dimensionen und Spannungen nicht aushält und nicht austrägt. Daß es einen legitimen Pluralismus in der Theologie gibt, ist eine Binsenweisheit. Heute muß man eher darum kämpfen, daß die Bemühung um die Einheit der Theologie nicht unterbewertet wird oder gar ausfällt. Infolge dieser Defizite fehlt es auch an einer wirklich tragfähigen "Mitte" zwischen den Fronten, an der Kraft der Vermittlung zwischen einzelnen Positionen und wohl auch an der Fähigkeit zur Begegnung mit fremden und andersartigen Positionen, wie sie gerade im künftigen Europa in Erscheinung treten werden, einmal ganz abgesehen vom Weltgespräch der Theologie. Ich wünsche mir hier auch mehr Auseinandersetzung, mehr Streitlust, natürlich in Fairneß und Versöhnungsbereitschaft ("Streitkultur") und mehr Mut, wenn es um Auseinandersetzungen geht, z.B. auch im Blick auf das Rezensionswesen.

 

III.

Damit ist das Fundament gelegt für einige Konsequenzen, die sich aus dem Gesagten leicht ergeben:

1. Der Sinn der Theologie als Wissenschaft besteht nicht ausschließlich in der Professionalisierungsaufgabe, also in der Ausbildung künftiger Mitarbeiter im kirchlichen Dienst, künftiger Wissenschaftler usw. Der Sinn der Theologie erschöpft sich nicht einfach in einer ausschließlich der reinen "Theorie" zugewandten Forschung, sondern hat die Funktion der Legitimation der christlichen Botschaft vor dem Forum der menschlichen Vernunft, nicht zuletzt in der profanen Welt. Dies hat radikal etwas mit dem missionarischen Zeugnischarakter der christlichen Botschaft zu tun, an dem auch die Theologie teilhat. So wichtig also z.B. die Priesterausbildung ist - ich will dieses Element in keiner Weise herabsetzen -, sie allein kann nicht das Kriterium dafür sein, wie und wo heute Theologie als Wissenschaft betrieben wird. Diese Legitimationsfunktion der Theologie ist aus vielen Gründen gerade in den modernen Gesellschaften notwendig, die sich nicht mehr religiös, sondern primär politisch integrieren. Indem gerade die Aufklärung den Wahrheitsanspruch der katholischen Theologie ablehnte, haben Kirche und Theologie im 19. und auch weithin noch im 20. Jahrhundert als Gegengesellschaft und beinahe im Sinne einer Subkultur überlebt. Das II. Vatikanische Konzil hat dagegen die Kirche und die Theologie wenigstens potentiell in die Position eines Gesprächspartners gebracht, der für eine sehr breite und weitgefächerte Gesellschaft auf vielen Gebieten zu einem ernsthaften Partner geworden ist. Gerade in jüngster Zeit verstärkt sich jedoch der Eindruck, diese "Öffnung" würde - mindestens faktisch - eher zurückgenommen. Diesen Eindruck kann man nur überzeugend verhindern, wenn die Kirche das intensive Gespräch und die Auseinandersetzung mit dem neuzeitlichen Denken aufrichtig sucht. Philosophie und Theologie im kirchlichen Raum sind dafür zweifellos die geeignetsten Instrumente. Hinzu kommen vor allem auch die Katholischen Akademien und wenigstens ein Teil der Verbände und Einrichtungen, die eine qualifizierte Bildungsarbeit durchführen.

Auch die Gesellschaften des Ostens haben, wie immer deutlicher erkennbar wird, eine differenzierte Struktur. Wenn das kommunistische Herrschaftssystem entfallen ist, dann erübrigt sich noch längst nicht die Auseinandersetzung mit seinen ideologischen Resten in vielen Köpfen und mit der Moderne überhaupt. Es ist eine Täuschung zu glauben, es gäbe nach der "Wende" in irgendeinem Land - auf die Breite und Dauer der Entwicklung gesehen - irgendein ernsthaftes und wirksames Zurück zu vorneuzeitlichen Positionen. Um so mehr muß sich die Theologie stellvertretend für die Kirche diesen elementaren Herausforderungen stellen.

2. Gerade unter diesen Voraussetzungen ist die Zugehörigkeit der Theologie zur Gemeinschaft des Glaubens noch wichtiger. Es ist heute wissenschaftstheoretisch weniger problematisch, wenn die Theologie einräumt, daß sie an Voraussetzungen gebunden ist, wie z.B. Glaubensvollzug und kirchliche Praxis. Es wäre ein Verlust, wenn die Theologie ihren Sozialzusammenhang nicht mehr selbst bejaht. Auf die Dauer kann nur die richtig verstandene kirchliche Dimension der Theologie ihren eigenen und spezifischen Charakter retten. Die Zugehörigkeit zum Sozialgebilde Kirche hat zur Konsequenz, daß die Theologie im Blick auf ihre inhaltlichen Aussagen Geltung beansprucht und darum sich auch mühen muß. Nur so wird sie dem Evangelium gerecht, das immer den missionarischen Brückenschlag in die jeweilige Gegenwart einfordert. Wenn die Theologie diesen nicht mehr leistet oder ihn nur privat vollzieht, sinkt sie letztlich zu einem allgemeinen Studienobjekt herab und wird bestenfalls ein Sektor der Religionswissenschaft oder der Religionskunde. Es gibt auch Formen der Selbstsäkularisierung von Theologie.

Es gibt also eine enge Wechselbeziehung zwischen Kirche und Theologie. Die Kirche ist der unerläßliche Boden, in dem auch die Theologie verwurzelt ist. Wenn sie diesen abzustreiten versucht, verliert sie selbst, wenigstens auf die Dauer, ihren Sitz im Leben. Anderseits braucht die Theologie eine relative Selbständigkeit, wenn sie inmitten der Kirche ihrer eigenen Aufgabe nachkommen will. Ohne volle Respektierung beider Dimensionen kann es keinen Ausgleich geben. Im übrigen gilt dies auch in verfassungrechtlicher Hinsicht. Theologie an der Universität ist nicht eine säkular ausgerichtete Religionswissenschaft, sondern ist grundlegend bekenntnisbestimmt und auf die wissenschaftliche Durchdringung des Glaubensgutes und der konkreten Wirklichkeit von Kirche angelegt, sei es in evangelischer oder in katholischer Form.

3. Diese jeweilige Selbständigkeit bei bleibender Angewiesenheit aufeinander hat noch viele Konsequenzen. Die Theologie muß auch um ihre eigen Armut wissen. Sie kann nicht Glauben, Hoffnung und Liebe schaffen, gleichsam in der theologischen Retorte produzieren, sondern sie ist darauf angewiesen, daß es sie als eigene, ja sogar vorgegebene Wirklichkeit gibt. Dies erfordert von der Theologie eine hohe Demut. Sie kann Glauben fördern, erhellen und bestenfalls reinigen, aber sie kann ihn nicht herstellen. Gerade so ist sie wesentlich Dienst am Glauben. Der Theologe vollzieht einen unersetzlichen Dienst, indem er die Glaubenserfahrung zur Begegnung mit dem jeweiligen Welt- und Menschenverständnis bringt. Auch hier ist er oft mehr der Nachvollziehende, der noch einmal Bahnen ausschreitet, die im praktischen Leben schon begangen worden sind. Aber er filtert aus den vielen Versuchen ein Verstehensangebot heraus, das er im Raum der Kirche zur Verfügung stellt. In diesem Sinne spricht er immer eine Einladung aus und bietet ein vorläufiges, noch nicht allseits erprobtes Verstehensmodell dar. Er ist nicht nur angewiesen auf die Rezeption in der Kommunikationsgemeinschaft der Theologen - weswegen der Diskurs untereinander so wichtig ist -, sondern er ist auch abhängig von der vielschichtigen Rezeption durch die Glaubensgemeinschaft. Dabei kann es zu tragischen Verschiebungen, Aufschüben und zeitweiligen Mißverständnissen kommen. Aber keine Macht der Welt - auch nicht die Macht des Staates oder moderner Medien - kann eine Rezeption simulieren, wo diese faktisch nicht stattfindet.

Schon diese Überlegungen zeigen, daß unter den Bedingungen der modernen Zivilisation die Stellung der Theologie in Kirche und Gesellschaft verletzlich und hoch sensibel ist. Wenn die Grundvoraussetzungen im Verhältnis zueinander nicht mehr stimmen, sind die Folgen bald spürbar, selbst wenn ihre wahren Ursachen lange verdeckt werden.

 

IV.

Dies sind keine abstrakten Überlegungen. Denn sie sind der grundsätzliche Hintergrund für Strukturen, die wenigstens in unseren Ländern realisiert sind. Die Synthese tritt nämlich in den Theologischen Fakultäten an staatlichen Universitäten konkret in Erscheinung. Ich möchte dies mit Worten des bekannten evangelischen Staatskirchenrechtlers Ulrich Scheuner formulieren: "Man wird der Erscheinung und Bedeutung der Theologischen Fakultäten nur gerecht, wenn man sich das feine Gewebe der Ideen und Interessen vor Augen hält, in dem sie stehen. Der Staat bekundet mit ihrer Einfügung in seinen universitären Bildungsbereich nicht nur Offenheit gegenüber den großen geistigen Kräften im Volke, er hat auch selbst ein Interesse daran, daß die Ausbildung der Amtsträger der Religionsgemeinschaften, von denen noch immer ein erheblicher geistiger Einfluß ausgeht, sich im Kontext der allgemeinen Bildungseinrichtungen vollzieht, nicht in kirchlicher Absonderung, und daß die staatliche Gewähr kirchlicher Lehre hier eine größere Breite und Unabhängigkeit sichert, die der deutschen Theologie in der Welt eine hervorragende Stellung verschafft." Ich finde darin eine ausgezeichnete Beschreibung des Status der Theologischen Fakultäten in Deutschland und Österreich. Er wird nicht einfach hergestellt durch eine vorgegebene, schon gar nicht eine prästabilierte Harmonie, sondern bedarf von allen Seiten der stetigen Pflege und einer großen Sensibilität. Sonst wird dieser Status rasch labil, für Konflikte anfällig und ist dann durch seine differenzierte Komplexität das Terrain unbeendbarer Auseinandersetzungen. Dann kann es leicht zu Forderungen kommen, man müsse ein solches System außer Kraft setzen, entweder durch einen Exodus der theologischen Bildung aus den staatlichen Universitäten hinaus oder durch eine solche Emanzipation der Theologie von der Kirche, daß sie nur noch als säkulare Wissenschaft im Kanon anderer Universitätsdisziplinen erscheint. Aber im Kreis der sogenannten Geisteswissenschaften hätte sie auch als emanzipierte Tochter wohl kaum ein längeres, eigenes Dasein.

In dieser Situation kommt alles darauf an, die gemeinsame Lage und die einzelnen Bedingungen der verschiedenen Partner besser zu erkennen. Es liegt auf der Hand, daß Kirche und Theologie sich in dieser Gesamtsituation rascher auseinanderentwickeln und voneinander entfernen können. Der Raum der Universitäten und des gesellschaftlichen Lebens wird immer pluraler, ja grenzt sogar an Beliebigkeit. Die Notwendigkeit einer Auseinandersetzung mit profanen Sinnsystemen bringt zweifellos auch die Gefahr mit sich, daß säkulare Denkstile, die vielleicht wenig auf ihre Hintergründe befragt worden sind, in die theologische Arbeit einwandern. Die Veränderung der Studentenschaft in den Theologischen Fakultäten verstärkt diese Situation, denn es ist der weitaus kleinere Teil, der sich auf das Priestertum vorbereitet. Die Studierenden sind aus verschiedenen Gründen den säkularen Wertsystemen und Strömungen stärker ausgesetzt und haben meist nicht die Möglichkeit einer solchen Einübung in Spiritualität und Glauben, wie es den Priesteramtskandidaten möglich ist. Um so notwendiger ist es, alle Studierenden noch sehr viel mehr zur Praxis des Glaubens durch spirituelle und praktische Angebote einzuladen. Hier muß noch viel mehr getan werden. Ähnliches gilt auch für die Professoren, die ihre ohnehin schon relativ große Unabhängigkeit als Professoren innerhalb des Systems staatlicher Fakultäten noch steigern können. Es ist unerläßlich, daß alle, die sich in diesem Raum bewegen, auch regelmäßig im Bereich einer christlichen Gemeinde gegenwärtig sind und nach Möglichkeit mitarbeiten. Dies gilt für Priester und Laien in jeweils eigener Weise.

Ich bewerte diese Situation keineswegs negativ und bestreite niemand von vornherein oder grundsätzlich die Loyalität oder gar die Kirchlichkeit seines Denkens und seiner Einstellungen. Ich möchte nur Sensibilität wecken für die Gefährdungen und die Verletzlichkeiten des "Systems". "Dies führt mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zu Spannungen, und zwar sowohl zu Spannungen zwischen Glauben und Wissen bei denjenigen, die beides miteinander zu verbinden trachten, als auch zu Spannungen zwischen Theologie und Lehramt, und zwar insbesondere mit der in ganz anderen Kategorien denkenden römischen Kurie." Kirchenleitungen haben hier vielleicht eine gewisse Neigung zum Mißtrauen und überschätzen wohl auch negative Phänomene, die eher im Blickfeld sind und auf sich aufmerksam machen. Spektakuläre Konfliktfälle sind dazu geeignet, den Blick überhaupt zu trüben und Verallgemeinerungen auszulösen, die nicht erlaubt sind. Aber man muß zweifellos auf beiden Seiten auch stärker ein Bewußtsein dafür ausbilden, wo die eigenen Gefährdungen sind. Die Kirche und das Lehramt fragen sich unter den erwähnten gesellschaftlichen und geistigen Rahmenbedingungen natürlich eindringlich, wie bei der sehr offenen Situation heutiger Universitätsfakultäten Denkströmungen und Verhaltensweisen im säkularen Raum, die auch in den Bereich der Theologie eindringen, gefiltert werden, ob man ihnen mit der notwendigen kritischen Offenheit begegnet und ob gründliche Auseinandersetzungen damit stattfinden. Die offenkundige Schwäche gerade auch der philosophischen und humanwissenschaftlichen Ausbildung in vielen Einrichtungen macht diese Sorge noch verständlicher. Letztlich geht es dabei freilich um die Identitätsfindung von Kirche und Theologie im säkularen Raum.

Es scheint mir in einer solchen Situation nicht sinnvoll zu sein, die Funktionsunterschiede oder gar konkrete Differenzen zwischen Theologie und Lehramt in die Mitte zu stellen. Zunächst muß man bei aller Funktionsdifferenzierung die gemeinsame Sorge um die Vermittlung des Glaubens heute in den Vordergrund rücken, und zwar im Sinne der Weitergabe des Glaubens an künftige Generationen, aber auch hinsichtlich einer Legitimation des Glaubens in der gegenwärtigen Gesellschaft. Hier haben Theologie und Lehramt, Kirche und theologische Wissenschaft nichts gegeneinander zu gewinnen, sondern sie können nur gemeinsam gewinnen oder gemeinsam verlieren. Dieser gemeinsame Boden ist wohl auch in einigen offiziellen Dokumenten zwar genannt, aber doch recht knapp angesprochen. Beide, Theologie und Lehramt, müssen in Zukunft sehr viel größere Anstrengungen auf sich nehmen, besonders um einen beständigen Dialog dieser Gemeinsamkeit nach innen und nach außen zu festigen, vor allem aber auch, um Mißverständnisse auszuräumen und Konflikten möglichst frühzeitig zu begegnen. Hier ist auf allen Ebenen immer noch viel zu tun. Seit der "Kölner Erklärung", also seit zehn Jahren, haben wir in unseren Ländern von beiden Seiten aus die Bemühungen in dieser Richtung intensiviert ("Mainzer Gespräche").

Selbstverständlich kann diese Gemeinsamkeit nicht verhindern, daß aus den bereits erwähnten Spannungen Konflikte werden. Überhaupt scheint es mir vordringlich zu sein, Funktionsdifferenzierungen, Spannungen und sogar Konflikte zwischen Theologie und Lehramt nicht von vornherein und durchgehend mißtrauisch zu betrachten oder mit dem Makel eines Übels zu belegen. Freilich müssen einige Konfliktsstrategen, denen es offenbar mehr um die Konfrontation als um die Abklärung wirklicher Probleme geht, sich die Frage stellen, ob sie eine solche Einschätzung nicht begünstigen, vor allem dann, wenn Auseinandersetzungen ohne Grund in eine wenig differenzierende Öffentlichkeit hineingetragen werden. Unter den gegebenen Voraussetzungen ist es jedoch unerläßlich, vertrauensbildende Maßnahmen zu schaffen, gleichsam eine Früherkennung latenter oder offener Konflikte zu versuchen und ihnen möglichst bald offen und aufrichtig zu begegnen.

Wenn man den Prozeß von Spannungen und Konflikten so betrachtet, dann bedarf es freilich auch von Seiten des Lehramtes eines differenzierten Instrumentariums für die Konfliktregelung und erst recht für Sanktionen. Obgleich es hierfür auf römischer Ebene und bei uns durchaus ermutigende Einzelbeispiele gibt, stehen wir eher noch am Anfang für eine differenziertere Meisterung dieser Aufgabe.

In jüngster Zeit wird in den lehramtlichen Dokumenten verschiedentlich der Begriff "Dissens" gebrauchte. Er kann zu Mißverständnissen beitragen, wenn er nicht noch besser geklärt wird. Es braucht eine sorgfältigere Abgrenzung zwischen legitimem Pluralismus, Meinungsverschiedenheiten, Schwierigkeiten im Konsensbildungsprozeß und einem wirklichen Dissens. Dieser Begriff wird, wenn ich recht sehe, lehramtlich meist für einen nicht mehr auflösbaren Konflikt gebraucht, nach dem alle Möglichkeiten, diesen produktiv auszutragen, gescheitert sind. Man darf jedoch einen solchen Extremfall, gleichsam die negative Endstufe aller Bemühungen zwischen Theologie und Lehramt, nicht verallgemeinern und ihn gar noch kirchenpolitisch einfärben, indem man Kritik an bestimmten Verhaltensweisen des kirchlichen Amtes oder auch Protest gegen manche Entscheidungen dem theologischen "Dissens" zuordnet.

Es versteht sich jetzt von selbst, daß das Nihil-obstat-Verfahren im Zentrum der Beziehungen zwischen Kirche und Lehramt einen besonders verletzlichen und heiklen Problembereich darstellt. Ich brauche darüber in diesem Zusammenhang nicht zu reden. Auch hier scheint mir wichtig zu sein, daß man die früher erwähnten Spielregeln zur Konfliktbewältigung einhält. Gegenstand der Verfahren dürfen nur vom Autor veröffentlichte und gebilligte Studien sein. Lehre und Lebenswandel sind die einzigen Kriterien, die ausschlaggebend sein dürfen. Beide sind strikt zu interpretieren. Das kirchliche Lehramt hat zweifellos die Verfahren verbessert. Bei Zweifel werden der zuständige Bischof und vor allem der in Frage stehende Autor eigens gehört. Ich habe nicht den Eindruck, daß entsprechende Antworten von seiten der Betroffenen immer mit dem notwendigen Ernst, einem Minimum an Einfühlungsvermögen in den Partner und mit der notwendigen Klugheit abgegeben werden. Gelegentlich ergangene Verweigerungen des Nihil obstat wurden revidiert oder später auf anderem Wege aufgehoben. Man sollte diese Wandlungen nicht geringschätzen. Umgekehrt zeigt sich die Verantwortung und die Fähigkeit eines Wissenschaftlers nicht nur in den großen Forschungsleistungen, die ja relativ selten ein wirklicher Anlaß zu Differenzen sind, sondern in relativ schnell geschriebenen, knappen, für ein breiteres Publikum entworfenen Beiträgen, die nicht selten kirchenpolitisch brisante Inhalte behandeln. Differenzierungsfähigkeit und Rücksicht auf öffentliche Wirkungen sind gerade für solche Äußerungen notwendig. Hier sollten die theologischen Lehrer kluge und hilfreiche Begleiter ihrer Schüler und künftigen Kollegen sein. Umgekehrt wird man die lehramtlichen Instanzen bitten müssen, gerade mit solchen Artikeln nicht zu engherzig oder kleinlich umzugehen.

Ich übergehe ein Thema, das einer eigenen Erörterung bedürfte, nämlich die Vermittlung von Theologie in eine größere Öffentlichkeit hinein, besonders aber die Behandlung von Konfliktfällen zwischen Theologie und Lehramt in der Öffentlichkeit unserer Gesellschaften. Hier ist ein neues Element, nämlich die Vermittlung durch die Instrumente der Massenmedien, ins Spiel gekommen, das neue und bisher ungelöste Probleme stellt.

 

V.

Die Theologie muß sich, wie inzwischen deutlich geworden ist, aus sich selbst begründen. Sie kann nicht einfach von ihrer mehr oder weniger eingeräumten Nützlichkeit her verstanden werden, wie sie sich in der Perspektive einer gesellschaftlichen Kosten-Nutzen-Rechnung ergibt. Die biblische Offenbarung und erst recht der christliche Glaube verlangen von innen her nach der Erhellung ihres Sinngehaltes, d.h. nach der theologischen Reflexion. Die Frage nach der "Nützlichkeit" des Glaubens von außen her ist eine zwar wichtige, aber letztlich doch sekundäre Betrachtung.

Diese Antwort reicht noch nicht aus, um Zweifel zu beseitigen, wozu denn Theologie gerade heute diene. Glaube, Kirche und Theologie werden von vielen Tendenzen in der modernen Gesellschaft in ihrer Existenz bestritten. Die Theologie hat hier die Funktion, die Vernünftigkeit, Universalität und Unentbehrlichkeit des christlichen Glaubens überzeugend darzulegen. Sie kann dabei nicht immer ihren Wahrheitsanspruch, noch besser: den Wahrheitsanspruch des Evangeliums bei den Fragestellern einlösen. Es ist darum schon viel gewonnen, wenn die Theologie die "Nützlichkeit" der wissenschaftlichen Reflexion über Glaube und Kirche erweisen kann. Auch die moderne Gesellschaft kann mindestens erkennen, daß ihr Theologie bei der Aufklärung über sich selbst, ihre Herkunft und - bei der Bewältigung ihrer Lebens- und Gestaltungsprobleme - ihre Gegenwart und Zukunft "nützlich" sein kann.

Diese Überzeugung gilt zunächst in einem noch relativ vordergründigen Sinn: Die moderne Gesellschaft steht in ihrer geschichts- und herkunftslosen Struktur sehr oft in der Gefahr, daß sie ihre eigene Genese und die Bedingungen ihrer Entstehung nicht mehr kennt. Bei der Herkunft der modernen Welt haben aber Christentum, Kirche und Theologie - oft verborgenerweise - einen maßgeblichen Anteil gehabt, auch wenn es oft im Modus der Auseinandersetzung, des Streits und der Entfremdung geschehen ist. Man denke z.B. an die Voraussetzungen zur Entstehung der modernen Wissenschaften (Rolle des Schöpfungsgedankens), an die Wurzeln der Menschenrechte und vor allem auch des Postulats der Menschenwürde. Eine Gesellschaft, die sich selbst in ihren Bedingungen aufklären und verändern will, muß zuerst einmal um ihre Herkunft wissen. Es geht dabei nicht nur um rein historische Herkunftsnachweise oder gar späte Elternrechte. Vielmehr gibt es in der heutigen Gesellschaft unter vielen Formen pseudotheologische Relikte, die in säkularisierter Gestalt in der Politik, in den Ideologien und oft - freilich unerkannt - in den Geisteswissenschaften auftreten. Messianische oder pseudo-messianische Traditionen, religiös anmutende Totalitarismen sind nur wenige Beispiele dafür (vgl. z.B. den Zusammenhang von Patriotismus, Nationalismus und Pietismus in den Studien von G. Kaiser). Hier muß die Theologie durchaus ideologiekritische Aufgaben erfüllen: sie muß aufweisen, wo ehemals theologisch-religiöses Gedankengut in anderen Ableitungen weiterlebt, unerkannt seinen Anspruch erhebt und inhuman werden kann. Solche Relikte müssen erst einmal identifiziert und auf ihre Bedingungen zur Realisierung überprüft werden.

Eine solche Antwort mag manchem schon für die Existenzberechtigung der Theologie genügen, aber es ist doch nur eine minimale Aussage, gleichsam eine Schwundstufe. Die Theologie muß nämlich über den Nachweis ihrer konstitutiven Rolle im Zusammenhang der Genese z.B. der europäischen Zivilisation oder der Neuzeit offensiv zeigen, was sie zur Bewältigung heutiger Lebensprobleme des einzelnen und der Gesellschaft leisten kann. Unsere Welt ist pluralistisch, und zwar grundlegend. Sie kennt in der Beantwortung der Frage nach einem letzten Sinn des Lebens keine gemeinsame Antwort mehr. Sie ist ganz von der Frage nach den "Bedürfnissen" gesteuert, welche die wirtschaftliche, biologische, physische Dimension des Menschen betreffen und andere Wirklichkeitsbereiche ausgrenzen; sie ist perspektivisch und spezialistisch: kaum einer fragt nach dem Ganzen des Menschen, der Welt und der Geschichte, weil jeder unendlich in seinen Partikularismen verstrickt ist. Wo sind die Grundwerte, die alle miteinander verbinden. Die Theologie hat hier - gewiß nicht allein - die Aufgabe, die Frage nach dem Woher und Wohin, dem Ganzen und dem Sinn von Welt und Geschichte offenzuhalten und so auch die Spur für einen Zugang zu Gott freizuhalten. Viele andere Themen und Probleme wären zu nennen: z.B. der Mensch als Person und als Wesen der Transzendenz, Schuld und Vergebung, Verminderung der Gewaltanwendung, Sterbebegleitung. Hier gibt es eine stärkere Verknüpfung mit der Philosophie und vielen anderen.

Die Gesellschaft ruft heute in vielen Ausweglosigkeiten nach den Kirchen. Oft können wir die Erwartungen, die an uns gestellt werden, einfach nicht erfüllen, z.B. in der Gewaltminimierung. Der offene oder mehr verborgene Ruf nach Glaube, Kirche und Theologie steht oft in einem umgekehrten Verhältnis zu der geübten Kritik.

In diesem Beitrag ging es mir darum, Lehramt und Theologie, Kirche und theologische Wissenschaft in ihrer ursprünglichen Zuordnung aufeinander neu sichtbar zu machen. Die Herausforderung der Theologie in unserer Gesellschaft ist größer geworden. Es ist notwendig, ihre Stellung zu festigen und zu stützen. Aber dies allein wird nichts nützen. Ich sehe z.Zt. viel Kleinmut und Resignation, Rückzug und Privatisierung in der Theologie. Alles kommt jedoch darauf an, die geistige Auseinandersetzung aufzunehmen. Nur hier können wir uns bewähren. Ich will diese abschließend nur noch nennen: Auseinandersetzung mit den vorherrschenden gesellschaftlichen Trends, Hilfen angesichts des Sinnvakuums in vielen Gesellschaften, Unterstützung neuer Suchbewegungen nach Sinn und Transzendenz, geglückte Beispiele von Gotteserfahrungen, missionarisches Zeugnis, Evangelisierung. Theologie und Lehramt werden eines Tages nicht daran gemessen, wieviel Konfliktpotential sie in dieser Zeit angehäuft haben, sondern ob sie gemeinsam dem Schwund von Religion und Glaube in unseren Gesellschaften wirksam und überzeugend begegnet sind und den Menschen eine neue Bewährung des Glaubens angesichts unserer heutigen Lebensprobleme geschenkt haben.

Dies sind einige Gedanken, die mir im Zusammenhang Ihrer heutigen Feier gekommen sind. Ich freue mich mit Ihnen über den Abschluß der grundlegenden Erweiterung und Restauration des Fakultätsgebäudes. Ich wünsche Ihnen, daß diese erneuerte Einrichtung Ihnen behilflich ist, aus dem Geist der großen Innsbrucker Fakultät auch in Zukunft auf neue Weise den Herausforderungen gerecht zu werden, von denen im Vortrag die Rede war. Ich wünsche Ihnen allen dafür Gottes Segen und freue mich über das gute Gelingen, einschließlich des Symposions am morgigen Tag "Wissenschaftspolitische Herausforderung und Chance der Theologie an der Universität der Zukunft". Dazu wollte ich nur eine kleine Hinführung leisten.

Copyright: Bischof Dr. Dr. Karl Lehmann, Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz