"Der Dom soll keine Konkurrenz erhalten, er kommt sogar noch besser zur Geltung"

Kardinal Lehmann äußert sich bei der öffentlichen Präsentation der Pläne für das neue "Haus am Dom" in Worms

Datum:
Donnerstag, 7. November 2013

Kardinal Lehmann äußert sich bei der öffentlichen Präsentation der Pläne für das neue "Haus am Dom" in Worms

Wir dokumentieren das Statement von Kardinal Lehmann zum Abschluss der öffentlichen Präsentation der Entwürfe für ein neues Gemeindehaus am Wormser Dom für die Pfarrei St. Peter (einschließlich St. Martin) am 7.11.2013 in Worms.

Die wichtigsten Dinge wurden gesagt. Die Diskussion wird sicher weitergehen. Ich bin kein Fachmann für die anstehenden Fragen, wie es viele, die sich äußern, auch nicht sind. Ich habe aber über Jahrzehnte, Jahre und jetzt auch Monate die ganze Frage immer wieder verfolgt. Dazu habe ich auch manches gelesen. In den letzten acht Tagen bin ich nun zum dritten Mal in Worms für die abschließenden Beratungen des überarbeiteten Entwurfs von Herrn Prof. Jörg Springer. Ich bin besonders den anwesenden und allen konsultierten Experten sehr dankbar, vor allem Herrn Prof. Dr. Weiß, der auch diese Veranstaltung moderiert hat. Ich freue mich über das Interesse, das wir bei Herrn Oberbürgermeister Kissel und den leitenden Damen und Herren der Stadt und besonders auch der Landesdenkmalpflege gefunden haben. Von meiner Seite aus möchte ich in diesem abschließenden Statement keinen Zweifel daran lassen, wie ich selbst die Situation sehe.

1. Der Dom steht nicht für sich, sondern muss immer auch mit der Glaubensgemeinschaft, konkret der katholischen Pfarrei St. Peter (und auch St. Martin) in eins gesehen werden. Wir kümmern uns seit 1000 Jahren immer wieder um den Erhalt und die Funktion des Domes. Dabei sind wir uns bewusst, dass der Dom auch zur Geschichte und Kultur der Stadt Worms gehört. Dies haben wir stets im Blick.

2. In diesem Sinne braucht die Pfarrei St. Peter (immer mitgemeint auch St. Martin) ausreichende Räume. Es geht nicht nur um die Gottesdienste im Dom, es geht auch um die Sammlung der katholischen Christen und Interessierter außerhalb des Domes. Die Räume in diesem Haus waren ein Notbehelf. Es ist ja auch im 19. und 20. Jahrhundert immer wieder versucht worden, ein neues Gemeindehaus zu errichten. Wir brauchen es für die Gemeindeversammlungen, für die Sitzungen der Räte und der Arbeitskreise, besonders aber auch für die Jugendarbeit und für die Aktivitäten der Vereine und Verbände. Die neuen Häuser vor den Domen in Köln und Frankfurt am Main dienen außerdem den Besuchern der Stadt und des Domes. Sie können sich hier zur Vorbereitung versammeln und auch einige Wünsche realisieren (z.B. Café, sanitäre Anlagen, kleine Läden für Informationen und Souvenirs usw.). Unter Umständen kann das Gemeindehaus auch für andere Veranstaltungen Verwendung finden. Ein solches Gemeindehaus gehört heute zur pastoralen Konzeption und Praxis einer größeren Pfarrei und kann das kirchliche Leben sehr steigern (die Dompfarrei hat 4000, St. Martin 1400 Katholiken). Vielleicht ist diese Zielsetzung des Hauses viel zu wenig in der Diskussion bedacht worden. Wir sind seit langem von dieser Notwendigkeit überzeugt.

3. Die Wormser haben sich an die Plätze um den Dom gewöhnt. Dies ist ganz selbstverständlich. Man muss aber im Blick auf den jetzigen Zustand auch folgendes bedenken: Die Plätze an der Südseite sind ohne Gestaltung, fast könnte man sagen, dass es „amorphe Räume" sind. Sie passen auch nicht recht zueinander. Wir haben uns daran gewöhnt, aber es ist keine ideale Situation, die man gewollt hat. Man sollte also nicht so argumentieren, als ob die jetzige Platzsituation nicht verändert werden könnte und sollte.

4. Bis vor 200 Jahren war der Dom sehr dicht bis an das Kirchengebäude heran umbaut. Diese „Umbauten" gehören auch zu anderen Domen. In Worms kam es zu Beginn des 19. Jahrhunderts zu einer starken Aufgabe, einem Abriss, mindestens zu einem Verkauf vieler Häuser um den Dom. Es war eine wirtschaftlich schwierige Situation, die dies erzwang. Aus dieser Notsituation entstand der große freie Platz. Man sollte nicht so tun, als ob dies eine künstlerische Planung hervorgebracht hätte, in die man jetzt willkürlich eingreift. Deshalb gibt es auch, wenn man näher zusieht, ein unglückliches Verhältnis zwischen dem Kreuzgang und dem Domplatz. Dies merkt man heute kaum mehr.

5. Der heutige Zustand darf auch nicht vergessen lassen, dass an der Stelle der jetzigen Planung früher das Kapitelhaus stand, das viel größer war als die heutige Konzeption des Gemeindehauses; das Kapitelhaus hatte zugleich noch ein den Kreuzgang ergänzendes Gebäude neben sich. Die alten Bilder und Zeichnungen lassen kein Zweifel daran. Wir sind mit dem neuen Entwurf sehr viel bescheidener und halten gebührend Abstand zur Nikolauskapelle.

6. Die gegenwärtige Planung ermöglicht auch eine Gliederung der gesamten Südseite. Das neue Gemeindehaus hat die Aufgabe Verschiedenartiges wie den Kreuzgang und den öffentlichen Platz zu verbinden, aber auch voneinander abzuheben. Der Domplatz selbst ist bestimmt durch ein reges Leben. Der Kreuzgang, besonders wenn er wieder entsprechend gestaltet wird, ist eher durch Ruhe, ja durch ein kontemplatives Element ausgezeichnet. Dieser Wiedergewinn einer Gliederung der Plätze in ihrer Einheit und Verschiedenheit ist ein großer Gewinn der jetzigen Planung. Dazu braucht es noch eine entsprechende gärtnerische Gestaltung des Kreuzgangs, aber auch der anderen Teile des Platzes. Die Bäume lassen sich gut integrieren. Es ist also durchaus verständlich, dass Prof. Springer die jetzige Planung als eine Art „Heilung", als eine „Neudefinition amorpher Räume" beschreibt. Die halbrunden Bögen bei der geplanten Haupt-Zugangsseite lockern das Ganze auf und „erden" das Haus.

7. Der jetzige Abstand zwischen Nikolauskapelle und Gemeindehaus beträgt etwa 6 m, ist also doppelt so breit wie in der bisherigen Planung. Eine breitere Lücke würde fast wie eine Straße wirken. Die positiv zu wertende Differenzierung der beiden Stadträume (Kreuzgang und Domvorplatz) wäre aufgehoben. Der Kreuzgang wäre auf eine sonderbare Weise inszeniert. Er könnte das Ensemble der Gebäude in ihrem Miteinander stören oder gar zerstören.

8. Man darf also die Veränderungen des neuen Plans nicht übersehen:
• das neue Gemeindehaus ist kleiner;
• es hat einen größeren Abstand von der Nikolauskapelle;
• es ist um ein Geschoss niedriger;
• auf den Einbau von zwei Wohnungen (noch im Wettbewerbsmodell) wird verzichtet;
• durch das Satteldach entsteht eine Angleichung an die Dächer des Domes, ohne in Wettbewerb zu treten mit diesen. Dazu passt ein Schieferdach.

9. Die Auswahl der Materialien nimmt große Rücksicht auf die Nähe zum Dom, will jedoch nicht die gleiche Qualität wie der Dom selbst beanspruchen. Der Dom soll keine Konkurrenz erhalten, er kommt sogar noch besser zur Geltung.

10. Wir sehen von der katholischen Kirche in der Stadt und im Bistum den vorgesehenen Bau im Sinne des eingangs Gesagten als einen wichtigen Beitrag für die Stadt selbst, ihre Kultur, aber auch für die Menschen, die hierher kommen.

Die Leistung des Architekten, Herrn Prof. Jörg Springer, der seinen Wettbewerbsplan sehr geändert hat (wobei er ja den Preis dafür gewonnen hat!), muss sehr anerkannt werden. Er hat einen sehr „demütigen" Dienst getan, indem er das Gemeindehaus unter Rücksicht auf die Vorgegebenheiten gut eingefügt hat. Sich Einfügen-können gehört nach meiner Erfahrung zur Qualität eines guten Architekten. Dabei kann es aber natürlich in Einzelheiten ein Für und Wider geben.

Es ist praktisch ein neuer Plan, der uns vorgelegt wird. Wir haben von den Einwänden, auch der Bürgerinitiative, einiges gelernt. Dafür wollen wir durchaus danken. Wir bitten aber auch um Verständnis, dass wir ein solches Haus brauchen und dass wir nun alles versucht haben, um zu einem erträglichen Gesamtergebnis zu kommen. Wir bitten um Zustimmung und Unterstützung.

Ich danke besonders auch Herrn Propst Ehrendomkapitular E. Prieß mit den Räten von St. Peter und St. Martin, vor allem aber auch dem Baudirektor des Bistums Mainz, Herrn J. Krämer, und allen, die in irgendeiner Weise beteiligt sind, nicht zuletzt danke ich den Vertretern der Medien, darunter die Herren der Pressestelle und Öffentlichkeitsarbeit aus Mainz.

Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz