"Ein familienfreundlicher Hausherr im Unternehmen"

Laudatio zur Verabschiedung von Markus Schächter (14. März 2012)

Datum:
Mittwoch, 14. März 2012

Laudatio zur Verabschiedung von Markus Schächter (14. März 2012)

Herr Professor Schächter hat seine Medienlaufbahn schon vor 40 Jahren begonnen, als er während des Studiums und besonders nach dem Staatsexamen 1974 Kontakte als freier Mitarbeiter zum Südwestfunk und zum ZDF knüpfte. Das Studium der Geschichte, Politikwissenschaft, Publizistik und Religionswissenschaften verbrachte er in München, Lyon, Paris und Mainz. Eine wichtige Zwischenstation stellte danach von 1977 bis1981 die Leitung der Öffentlichkeitsarbeit im Kultusministerium in Mainz dar, wo er Hanna-Renate Laurien als Pressesprecher diente. Vor mehr als 30 Jahren wechselte er im Februar 1981 endgültig zum ZDF.

Von "logo!" zum Programmdirektor

Hier hat Markus Schächter in kurzer Zeit vieles durchlaufen: Im Bereich des Kabel- und Satellitenfernsehens, in der Redaktion Kultur und Gesellschaft. Er war Mitbegründer von Sendungen, die bis heute existieren, z. B. "Terra X" und die Kindernachrichtensendung "logo!". Für Kinder und junge Menschen hatte der Vater zweier Töchter und eines Sohnes immer viel übrig.

 1992 ging Markus Schächter von der redaktionellen Ebene mit den Erfahrungen des Journalisten in den konzeptionell-strategischen Bereich, wo er Leitender Planungsredakteur, Leiter der Programmplanung und schließlich von 1998 bis 2002 Programmdirektor wurde. So ist Markus Schächter in diesen Jahrzehnten des weiteren Ausbaus des ZDF in vielen entscheidenden Bereichen der Programmgestaltung tätig gewesen und hat mehr und mehr Verantwortung übernommen.

 Der vierte Intendant des ZDF

Vor 10 Jahren, im März 2002, folgte die Wahl zum vierten Intendanten des ZDF. Bereits während seiner erfolgreichen ersten fünfjährigen Amtszeit erzielte er im Dezember 2005 bei seiner vorzeitigen Wiederwahl für eine weitere Amtsperiode bis 2012 das beste Zustimmungsergebnis in der Geschichte des ZDF. Im Januar 2011 hat er mitgeteilt, dass er keine dritte Amtsperiode mehr anstrebe.

Zu Beginn seiner Amtszeit vor 10 Jahren sprach der neue Intendant davon, dass sich in den kommenden Jahren mehr verändern werde als in den 40 Jahren seit Beginn. Jetzt können wir zurückblicken auf ein sehr bewegtes, innovatives Jahrzehnt. Was ist damit gemeint? Ich nenne auswahlweise fünf Punkte:

Übergang zur digitalen Medienwelt

Es war der Übergang von der analogen zur digitalen Medienwelt wie die Konvergenz von Fernsehen und Internet. Es gab eine Vielzahl neuer Wettbewerber, neue Angebotsstrukturen und eine andere Mediennutzung, zum Teil auch zeit- und ortsunabhängig. Intendant Schächter hat diese Entwicklung schon früh vorausgeschaut und die Fernsehlandschaft darauf eingestellt. Bekannt ist die humorvolle Devise des Intendanten: "Wer nicht ins Netz geht, geht ins Museum."

 Aufbau der Programmfamilie

In seiner Amtszeit wurde das ZDF im Sinne einer Programmfamilie neu aufgebaut. Professor Schächter hat das ZDF aus der Enge eines Ein-Kanal-Senders heraus- und in eine multimediale Programmfamilie hineingeführt. Der Intendant sprach in diesem Zusammenhang öfter gerne von der "Befreiung aus der Babylonischen Gefangenschaft". Dies gilt besonders für die Digitalkanäle ZDFneo, ZDFkultur und ZDFinfokanal. Im selben Zeitraum wurden auch die Onlinedienste und die Mediathek - Stichwort: Abruffernsehen - aufgebaut.

 Information gibt Orientierung

Sichtbarer Ausdruck dieser Verantwortung ist - bei aller formalen wie inhaltlichen Vielfalt - der herausragende Informationsanteil mit nahezu 50 Prozent. Dies ist so hoch wie bei keinem anderen Vollprogramm in unserem Land. Solide Information bedeutet Orientierung. Man braucht sie desto mehr, je komplexer unsere moderne Welt sich heute darstellt. Komplexität verstehen lernen ist heute eine vorrangige Aufgabe des Journalismus.

 Architektonischer und auch technologischer Ausdruck dafür ist das neue Nachrichtenstudio als infrastrukturelle Zurüstung für das digitale Zeitalter. Es ist, wenn man so will, ein weiteres Kind von Markus Schächter. Mit dieser Akzentuierung von Information und Orientierung ist Markus Schächter in besonderer Weise einerseits seinem journalistischen Ethos treu geblieben und hat andererseits in einer veränderten Welt überzeugend den Auftrag der öffentlich-rechtlichen Anstalten umgesetzt und neu legitimiert. So hat er als ein authentischer Programm-Intendant die Daseinsberechtigung der Öffentlich-Rechtlichen nach vorne verteidigt.

 Der Mensch im Mittelpunkt

Ein Zuschauer war für Markus Schächter nie bloß eine Zahl, nie bloß eine verrechenbare Quote, sondern eben ein Mensch mit all seinen Fragen, Problemen, Ängsten, Hoffnungen und Wünschen. Er machte daher auch kein Programm nur für eine bestimmte werberelevante Altersgruppe. Allerdings hatte er - wie schon erwähnt - stets eine besondere Aufmerksamkeit für die jungen und jüngsten Zuschauer. Die Zeit, in der er das Kinder- und Jugendprogramm des ZDF verantwortete, hat er gerne als die schönste seines Berufslebens bewertet. Auch und erst recht Kinder brauchen in ihrem Wissenshunger jede Menge altersgerechter Information. Sie bekamen sie mit den Kindernachrichten "logo!". Dies war aber nicht nur kinderfreundlich, sondern ein gelun-gener Schritt des Fernsehens und des ZDF in die Zukunft.

 Die Kinder von damals sind heute erwachsen. Ein Programm für die gesamte Gesellschaft muss jeder Generation die Möglichkeit geben, auf den gleichen Informationsstand zu kommen. Ein Programm, das nach seinem gesellschaftlichen Auftrag nicht nur informieren, sondern auch integrieren soll, muss auch kommunizieren - in der großen Gesellschaft draußen, aber auch in der kleineren Gesellschaft des eigenen Un-ternehmens. Dafür richtete Markus Schächter als bewusster "Kollegen-Intendant", als Teamchef "inter pares", als umgänglicher Teamplayer eine eigene Abteilung "Interne Kommunikation" ein und schuf weitere Instrumente für eine gesteigerte Kommunikations- und Unternehmenskultur zum Beispiel mit der Einrichtung eines Intranetzes sowie einer Abteilung Medienpolitik.

 Wirtschaftlich erfolgreich

Noch vieles wäre zu erwähnen, z. B. die wirtschaftliche Konsolidierung des ZDF, die langfristige Sicherung der Rechte von Sportgroßereignissen, die Produktion von Fernsehfilmen, einschließlich der Krimi-Serien, aber auch von Dokumentationen und Kul-tursendungen, übrigens einschließlich des Breiten- und Behindertensports, nicht zu vergessen die Tätigkeit von ZDF-Enterprises.

 Aber ich möchte einen Grundzug nicht unterschlagen. Es ist Intendant Schächter gelungen, trotz der internen Vielfalt des Senders und damit auch des Personals, eine menschlich-sozial ansprechende und geistig fruchtbare Atmosphäre zu schaffen. Markus Schächter ist nicht nur zu Hause ein eindrucksvoller Familienvater, sondern auch ein familienfreundlicher Hausherr im Unternehmen. Dies hat unbeschadet einer großen menschlichen, kulturellen und politischen Vielfalt eine humane und funktionsstabilisierende Solidarität geschaffen - ein immenser Vorteil für den Wettbewerb in der Zukunft.

 Stratege in der Pflege von Werten

Dafür ist das Haus mit Recht mehrfach ausgezeichnet worden. Dazu gehört auch die Ausbildungsoffensive beziehungsweise Nachwuchsförderung, mit der das ZDF selbst in wirtschaftlich schwierigen Zeiten weit mehr junge Menschen in Verwaltung, Redaktion und Produktion ausgebildet hat, als es selbst unmittelbar Bedarf hat. Obwohl ein Vorkämpfer von zukunftsweisenden Innovationen blieb Markus Schächter doch zugleich ein produktiver Verteidiger altbewährter Traditionen, ein Stratege für die Pflege von Werten. Von seiner pfälzischen Heimat hat er einmal gesagt, dass sie ihm nicht nur Wurzel sei, sondern ihm zugleich auch Flügel verleihe. Da ich Markus Schächter seit vielen Jahren kenne, darf ich ergänzen: Auch sein christlicher Glaube gehört zu dieser Wurzel. Durch sie trägt sein Lebensbaum sicherlich mehr Früchte, als man üblicherweise in der Gesellschaft und auch in der Medienlandschaft von heute erwarten könnte.

 Hier ist wohl auch sein Umgang mit Menschen, gerade auch in seinem beruflichen Umfeld, begründet, z. B. in manchmal schwierigen Gesprächen mit den ARD-Kollegen, mit anderen Partnern wie z. B. der privaten Konkurrenz, mit Verlagen, aber auch in der Bereitschaft zur Kooperation mit der Politik, Gott sei Dank immer mit einem festen Rückgrat und dem entschiedenen Willen zur Unabhängigkeit des Sendeauftrags. Dies galt für Berlin und Brüssel. Klassisch formuliert: Suaviter in modo, fortiter in re. Angenehm-konziliant in der Weise des Auftretens, stark und tapfer in der Sache.

 Soziales und kulturelles Engagement

Auf diesem Fundament ist auch vieles andere begründet. Wie sonst wäre sein vorbildliches soziales und kulturelles Engagement zu verstehen, mit dem er sich in so vielfältiger Weise weit über das Programm hinaus überall dort eingesetzt hat, wo Menschen oder auch Museen und Kirchen in Not geraten waren? Ich denke z. B. an die Aktion Mensch und die Welthungerhilfe. Dieses Engagement hat viele Brücken nach außen geschlagen und dem ZDF viele Sympathien und Freunde eingebracht. Wie sonst wäre - lassen Sie mich einmal "pro domo" reden - sein so ideenreicher und aufopferungsvoller Einsatz gerade auch für unseren 1000-jährigen Mainzer Dom zu erklären, für dessen Erhalt er sich in der Domstiftung engagiert? Dies gilt nicht minder für die Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche in Dresden. In unseren persönlichen Begegnungen habe ich mich immer über sein bescheidenes, stets geerdetes und zugleich ausgesprochen pfiffiges Wesen sehr gefreut.

 Professor Markus Schächter wurde für diese Vielfalt seines Engagements oft ausgezeichnet, besonders auch in den letzten Wochen und Monaten. Ich will jedoch nur zwei Verleihungen hervorheben. 2009 erhielt er im Jahr seines 60. Geburtstages den begehrten "Emmy" in New York als höchste Auszeichnung, die einem erfolgreichen Fernsehmanager zuteil werden kann. Die Süddeutsche Zeitung würdigte ihn später als den "Elder Statesman des deutschen Fernsehens". Papst Benedikt XVI. hat ihm im vergangenen Jahr den Orden des hl. Gregors des Großen für seine konstruktive Rolle als Intendant der größten europäischen Fernsehanstalt und für seine Verdienste in der Zusammenarbeit mit den Kirchen verliehen.

 "Ein treusorgender Hausherr"

So dürfen wir ihn hier und heute nicht minder aus voller Überzeugung würdigen, wobei ich als Hintergrund für sein ganzes Leben seine hochverehrte Frau Veronika mit Familie und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen Tätigkeitsfelder einbeziehen darf: Markus Schächter ist ein treusorgender Hausherr. Aber auch noch mehr. Er hat sein Haus in schwieriger Zeit, in einem der umkämpftesten Märkte weltweit für den oft gnadenlosen Medienwettbewerb des digitalen Zeitalters gerüstet. Er hat das Ansehen des ZDF in unserer Stadt, im ganzen Land, in Europa und auch draußen in der weiten Welt weiter verbessert. Dabei hat er seine eigenen Talente nicht nur verwaltet oder persönlich gemehrt, sondern sie in sehr hohem Maß für die ihm anvertraute Aufgabe eingesetzt und fruchtbar gemacht.

 Und gerade weil seine Wahl zum Intendanten vor zehn Jahren etwas zögerlich über die Bühne ging, so wurde doch, was lange währte, am Ende gut, ja sehr gut. Die 2005 erfolgte, vorgezogene Wiederwahl mit dem besten Ergebnis einer Intendantenwahl in der Geschichte des ZDF hat den eingeschlagenen Weg vor diesem Hintergrund eindrucksvoll bestätigt, nicht weniger die geradezu reibungslose Wahl seines Nachfolgers.

 Am Ende dieser zehn Jahre können das Haus, der öffentlich-rechtliche Rundfunk und die Medienlandschaft insgesamt dankbar sein für das imposante Wirken von Intendant Professor Markus Schächter. Herzlichen Dank dafür, Gottes Segen für Ihren neuen Lebensabschnitt inmitten ihrer Familie und die Erfüllung einiger selbstgewählter Aufgaben, nicht minder dem Zweiten Deutschen Fernsehen für die Zukunft ein gutes, stetiges Gedeihen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

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von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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