Es lohnt sich, die Türen aufzumachen.

Berufungspastoral nach dem ersten Mainzer Seminaristentag

Datum:
Freitag, 13. Juni 2003

Berufungspastoral nach dem ersten Mainzer Seminaristentag

Alle größeren Ereignisse, die eine Fortsetzung erfahren, haben meist klein angefangen. Es war nicht immer zu erkennen, dass aus dem kleinen Samenkorn ein großer Baum werden kann. Ähnlich war es z.B. beim ersten Katholikentag vor 155 Jahren, wenn man ihn mit der Geschichte der Katholikentage bis heute vergleicht, einschließlich der bisher einmaligen Planung eines Ökumenischen Kirchentages, zusammen mit unseren evangelischen Partnern.

Was hier gelungen ist, könnte auch anderswo gelingen. Ich denke dabei an den ersten Seminaristentag, den wir am 17./18. Mai in Mainz begangen haben. Es war ein Wagnis. Aber wir wurden dafür mehr als belohnt. Die 750 anwesenden Priesterkandidaten haben selber nicht geahnt und noch nie erfahren, wie viele junge Menschen es doch immer noch sind, die den geistlichen Beruf ergreifen wollen. Dabei kommen insgesamt noch ca. 300 dazu, denn nicht alle Ordensgemeinschaften hatten ihre Studierenden geschickt. Es war eine wichtige Erfahrung zu sehen, dass wir bei allem Mangel doch noch eine kräftige Truppe bilden, die für die Zukunft hoffen lässt. Auch eine kleinere Zahl kann auf ihre Weise Stärke bezeugen.

 

Dazu gehört aber auch die überaus freundliche Aufnahme, die viele Mainzer den jungen Menschen bereitet haben. Erstaunlich schnell waren 550 Privatquartiere gefunden. Nicht wenige unterstützten mit Rat und Tat, vor allem auch einigen ermutigenden Worten das berufliche Vorhaben der jungen Männer. Sie sind willkommen. Die große Zahl der Besucher beim Festakt in der Rheingoldhalle am Sonntag-Nachmittag – es waren wohl an die 4000 bis 4500 – beleuchtete dies auf ihre Weise.

 

Die Ermutigung kam freilich auch noch in dieser Veranstaltung und bei anderer Gelegenheit zum Ausdruck, als namhafte Schauspieler und Schriftsteller, Verantwortliche in Funk und Fernsehen, Philosophen und andere säkulare Berufe die Schönheit und Unentbehrlichkeit des Priesterberufes überzeugend darstellten. Dies wurde glaubwürdig unterstrichen durch die Zeugnisse jüngerer und älterer Priester, die begeistert von ihren Erfahrungen zu sprechen und erzählen wussten. Dazu zählten auch z.B. Kardinal Grocholewski aus Rom und Kardinal Wetter aus München.

 

Das Mainzer Fest darf nicht ein loderndes Strohfeuer bleiben, das schnell wieder erloschen und vergessen ist. Es lohnt sich, die innerkirchlichen Grenzen zu durchbrechen und die Suche nach Kandidaten für das Priestertum in bisher unbekannten Bereichen und auf neuen Wegen in Gang zu setzen. Hier könnten wir noch auf bisher weniger genutzte Zugänge und Chancen stoßen.

 

Zusammen mit dem soeben von Regens Dr. Peter Klasvogt herausgegebene Buch „Leidenschaft für Gott und sein Volk. Priester für das 21. Jahrhundert" (Bonifatius-Verlag, Paderborn 2003), Ergebnis eines Symposions zum Jubiläum des Paderborner Priesterseminars im vergangenen Dezember, gibt es dazu frische Gedanken, gelungene Experimente und unverbrauchte Anstöße, die vielleicht doch in den Herzen junger Menschen ein Echo finden.

 

Der erste Seminaristentag braucht nicht kopiert zu werden, aber er sollte, wann immer, eine gute Fortsetzung finden. Hinter ihn darf die Berufungspastoral nicht zurückfallen. Jetzt kommt es zunächst darauf an, was wir, gewiss in anderer Weise, daraus auf der Bistums- und Gemeindeebene realisieren können. Herzlichen Dank den Veranstaltern, dem Beirat der Deutschen Regentenkonferenz. Ihre Anregung haben wir mit der Einladung nach Mainz aufgegriffen. Zuversicht und Vertrauen haben sich dabei gelohnt. Freilich wissen wir gerade auch nach diesem Fest, dass man geistliche Berufungen nicht „machen" kann. Aber untätig darf man auf keinen Fall bleiben. Dies ist eine wichtige Lehre von Mainz.

 

(c) Bischof Karl Kardinal Lehmann
Gastkommentar in der Kirchenzeitung von Juni

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz