Fairness auch für den Papst

Zur Kritik an seinem Jesus-Buch

Datum:
Donnerstag, 28. Juni 2007

Zur Kritik an seinem Jesus-Buch

Gastkommentar für die Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im Juni 2007

Buchbesprechungen gehören zum Wesen und Fortschritt der Wissenschaft. Sie sind nicht nur für Nicht-Experten eine erste Informationsquelle, sondern manche Rezensionen bringen auch wertvolle Erkenntnisse über die Sache, von der ein Buch handelt. Es gibt berühmte Beispiele, die die wissenschaftliche Erkenntnis vorangebracht haben.

Selbstverständlich muss sich auch ein Buch, das einen Papst als Verfasser hat, diesem akademischen Brauch stellen. Dies gilt ebenso für das neue Buch von Joseph Ratzinger / Benedikt XVI.: „Jesus von Nazareth“. Der Papst hat es den kritischen Lesern von Anfang an in dieser Richtung leicht gemacht, wenn er schon im Vorwort erklärt: „Gewiss brauche ich nicht eigens zu sagen, dass dieses Buch in keiner Weise ein lehramtlicher Akt ist, sondern einzig Ausdruck meines persönlichen Suchens ‚nach dem Antlitz des Herrn’ (vgl. Ps 27,8). Es steht daher jedermann frei, mir zu widersprechen.“

Gewiss wird es auch in den nächsten Monaten ausführlichere Darlegungen und kritische Auseinandersetzungen geben, wie dies gerade beim Buch eines Papstes und auch angesichts des großen Erfolges gar nicht anders zu erwarten ist.

Es gibt aber unter vielen seriösen Besprechungen der letzten Wochen auch einige abseitige Wortmeldungen, und dies sogar in führenden Medien. Ich möchte zwei Beispiele nennen: Als einer der ersten hat sich Prof. Dr. Gerd Lüdemann am 26. April 2007 in „Spiegel-Online“ gemeldet. Er rechnet regelrecht mit dem Papst ab und kennzeichnet dessen Jesus-Buch nicht nur als „Holzweg“, sondern auch als einen „intellektuellen Skandal“ und schließlich „als eine peinliche Entgleisung“. Lüdemann hat für dieses Jahr noch ein Buch über das Jesus-Bild von Benedikt XVI. angekündigt ...

Wenige Tage später, am 7. Mai, hat der emeritierte Saarbrücker Theologe Karl-Heinz Ohlig im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) eine Rezension veröffentlicht mit dem Ergebnis eines „grundsätzlichen Widerspruchs“, denn er sieht in Joseph Ratzingers Jesus-Buch zwar ein respektables „meditativ-spirituelles und sehr persönliches Bemühen um die Gestalt Jesu“, das aber freilich der kritischen wissenschaftlichen Reflexion nicht standhalte.

Nun ist es gut zu wissen, wer jeweils diese scharfen Urteile verfasst hat: Gerd Lüdemann, ehemals Professor für Neues Testament in Göttingen, hat mit zentralen Inhalten des christlichen Glaubens gebrochen (z.B. im Blick auf die Auferstehung Jesu Christi), weshalb ihm 1999 die evangelischen Kirchen Niedersachsens die kirchliche Lehrbefugnis entzogen haben – ein in der evangelischen Kirche äußerst seltenes Ereignis. Das Bundesverwaltungsgericht hat Lüdemanns Klage 2005 abgewiesen. Karl-Heinz Ohlig wiederum ist auf katholischer Seite durch seine These, dass die Lehre zum Beispiel von der Dreifaltigkeit nur als eine kulturgeschichtliche Ausdrucksweise unter vielen anderen verstanden werden müsse, mit dem kirchlichen Lehramt in Konflikt geraten, besonders in der Zeit, als Joseph Ratzinger Präfekt der Glaubenskongregation war.

Mir geht es nicht darum, diese beiden Personen zu diskreditieren. Ich frage mich nur, weshalb ausgerechnet diese beiden Wissenschaftler für die ersten Rezensionen des Buches von Papst Benedikt in einflussreichen Medien ausgewählt worden sind. War es die Lust an Konfrontation und Sensation? Oder was sonst? Wo blieb da die sonst selbstverständliche Fairness?

Wie recht hatte doch der Papst, wenn er die eingangs zitierte Freigabe seines Buches auch für Widerspruch mit dem Satz abschließt: „Ich bitte die Leser und Leserinnen nur um jenen Vorschuss an Sympathie, ohne den es kein Verstehen gibt.“

(c) Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz