Fairness in allen medialen Aufgeregtheiten: Kleine Nachlese zur kreuz.net-Debatte

Gastkommentar von Kardinal Lehmann in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben"- 9. Dezember 2012

Datum:
Sonntag, 9. Dezember 2012

Gastkommentar von Kardinal Lehmann in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben"- 9. Dezember 2012

Die neueste Nachricht heißt, dass kreuz.net nicht mehr erreichbar ist, wie immer dies näher zu deuten ist. Aber wie es auch weitergeht, es bleibt doch ein übler Nachgeschmack zurück

An erster Stelle soll aber klar erklärt werden, dass die Art und Weise, wie auf diesem Portal über lange Zeit gegen Homosexuelle, Juden, Politiker, Journalisten und reformoffene Katholiken gehetzt worden ist, eine schändliche Machenschaft war. Dass ein Priester unserer Kirche hier über lange Zeit einen angemessenen Platz zur Verbreitung seiner kirchenpolitischen Tendenzen fand, kann man nur entschieden verurteilen.

Es ist für die Kirche beschämend, dass erst die Initiative des Bruno Gmünder-Verlages und das Interesse des Bundeskriminalamtes zusammen mit der öffentlichen Debatte dem unheiligen Treiben ein Ende bereitet haben. Wir haben es leider mit unseren eigenen Mitteln nicht geschafft. Darum danken wir allen, die zur Klärung beigetragen haben, auch wenn sie nicht Freunde der Kirche sind.

Gleichwohl bedarf es einer kleinen Nachlese. Sie betrifft gewiss nicht die ganze Berichterstattung, die sehr weit und spannungsvoll gewesen ist. Ich will dies an einigen konkreten Punkten festmachen:

1. Es bleibt dabei, dass wir von Seiten der Kirche im Rahmen der uns erlaubten Mittel keine Wege zur Aufklärung der Machenschaften und Hintermänner von kreuz.net finden konnten. Aber dies heißt nicht, dass wir kein glaubwürdiges Interesse an der Entlarvung gehabt hätten.

2. Wir haben von Anfang an darauf hingewiesen, dass nach unserem bisherigen Wissensstand durch den Pfarrer des Bistums Mainz keine Hetze gegen Juden, Ausländer oder Homosexuelle erfolgt ist, und er sich zu kirchenpolitischen Themen geäußert hat. Dies entschuldigt freilich nicht die Ungeheuerlichkeit, sich überhaupt an einem Organ beteiligt zu haben, das solche Hetzkampagnen betrieben hat.

3. Es herrscht stark der Eindruck vor, dass man auf jeden Fall einen Sündenbock finden musste. Man ist dabei nicht immer zimperlich mit der Wahrheit umgegangen. Irgendwie scheint eine Kollektivhaftung zu gelten für alles, was kreuz.net betrieben hat. Hier hat oft Sorgfalt gefehlt, und dies trotz klarer Aussagen z.B. in den beiden Erklärungen des Bistums Mainz vom 16. und 27. November.

4. Leider wurde auch den Verantwortlichen, darunter mir selbst an erster Stelle, Nachlässigkeit und in hämischer Weise „Güte" sowie „Milde" unterstellt. Man hat mit einem ziemlich eindeutigen Vernichtungswillen in jedem Fall Schuldige gesucht. Aber auch in einer leidenschaftlich und emotional geführten Debatte muss es möglich sein, ein sachgerechtes und faires Urteil zu fällen. Gerade als Bischof, der auch die normalen Pflichten eines Arbeitgebers hat, muss ich Gerechtigkeit angesichts unbewiesener Behauptungen (Hassprediger usw.) walten lassen und Mitarbeiter nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten", wenn nötig, in Schutz nehmen. Ich finde es erschreckend, dass man diese Haltung verteidigen muss.

5. Die ganze Angelegenheit ist von einigen ganz auf der Linie einer umfassenden und fundamentalen Kirchenkritik ausgereizt worden. Das beklagenswerte Verhalten nur weniger wurde mit einem großflächigen Sumpf gleichgesetzt. Die ganze Kirche sei verlottert. Diese Äußerungen verraten selbst, welches Geistes Kind sie sind.

Die Kirche muss gewiss auch nach dieser Affäre in sich selber und auf allen Ebenen eine Gewissenserforschung vornehmen. Aber dies müssen nicht weniger auch manche andere tun.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

 

Diesen Gastkommentar lesen Sie auch in der gedruckten Ausgabe der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" vom 9. Dezember 2012

Weiterführende Links:

Zur Präsenz der Kirchenzeitung auf der Bistumsplattform

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz