Gottesdienst anlässlich des Familientages und der Feier „40 Jahre Ständiger Diakonat im Bistum Mainz"

am 21. August 2011 im Jugendhaus Don Bosco in Mainz

Datum:
Sonntag, 21. August 2011

am 21. August 2011 im Jugendhaus Don Bosco in Mainz

Wir dürfen diesen Familientag im Jugendhaus Don Bosco mit einem doppelten Ereignis in Verbindung bringen. Wir blicken darauf zurück, dass Kardinal Volk am 23. Oktober 1971, also vor 40 Jahren, Walter Kost zum ersten Ständigen Diakon unseres Bistums geweiht hat. Ich freue mich, dass er als lebendiger Zeuge dieser vier Jahrzehnte unter uns ist. Zugleich verabschieden wir den vierten Bischöflichen Beauftragten für den Ständigen Diakonat in unserem Bistum, Herrn Pfr. Geistl. Rat Dietmar Wieland. Ich möchte bei der eigenen Verab-schiedung nach diesem Gottesdienst dazu ausführlicher etwas sagen. Jedenfalls verdanken wir unseren Bischöflichen Beauftragten, Herrn Pfr. Dr. Paul Picard, Herrn Geistl. Rat Gerhard Kinsberger, Herrn Geistl. Rat Bruno Klein und nun auch dem jetzigen Beauftragten Dietmar Wieland sehr viel. Sie alle trugen dazu bei, dass diese 40 Jahre eine richtige Erfolgsgeschichte geworden sind, und zwar nicht nur im Blick auf die Statistik und die Zahlen, sondern auch im Blick auf den spirituellen Weg der einzelnen Ständigen Diakone mit ihren Frauen und Kindern, wie auch in Bezug auf die Gemeinden, die anderen pastoralen Berufe und vieler, die diesen Weg mitgegangen sind.

Ich bitte um Verständnis, wenn ich jetzt nicht die 40 Jahre der Geschichte des Ständigen Diakonates in unserem Land und in unserer Diözese im Einzelnen nachzeichne. Ich habe dies als Bischof von Mainz und als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz bereits öfter getan, zuerst 1993, als wir das 25-jährige Jubiläum feierten, besonders auch vor drei Jahren beim Symposion „Diakonat - ein wesentlicher Beitrag für die Kirche des Dritten Jahrtausends" in Fulda, in der Zwischenzeit auch gedruckt. Schließlich darf ich auf eine eigene Publikation hinweisen: „Schauen, worauf es ankommt ... 25 Jahre Ständiger Diakonat im Bistum Mainz", hrsg. von Barbara Nichtweiß, Mainz 1996 (= Mainzer Perspektiven, Bd. 9). Viele andere Veröffentlichungen im Lauf der Jahre kommen hinzu. Schließlich habe ich auch eine erste theologische Stellungnahme versucht, als im Jahr 2009 der Papst in seinem Apostolischen Schreiben „Omnium in mentem" vom 26. Oktober wichtige Äußerungen tat zur Sinnbestimmung des Ständigen Diakonates und zu entsprechenden Veränderungen von Normen im kirchlichen Rechtsbuch.

Stattdessen möchte ich einfach auf die konkreten 40 Jahre in der Entwicklung des Ständigen Diakonates in unserem Bistum zurückblicken. Ich habe schon gesagt, es ist im konkret histo-rischen, aber auch im pastoral-spirituellen Sinne eine „Erfolgsgeschichte", wenn man dieses Wort hier gebrauchen darf. Wohl kaum jemand hätte bei der Einführung dieses Dienstes im Zusammenhang des Zweiten Vatikanischen Konzils daran gedacht, dass dieser neue Dienst innerhalb kurzer Zeit eine so gute Aufnahme finden würde. Dabei habe ich das Ringen darum nicht vergessen. Als ehemaliger Assistent von Prof. P. Dr. Karl Rahner SJ darf ich besonders an seine und Herbert Vorgrimlers Initiativen erinnern, die beim Zweiten Vatikanischen Konzil schließlich eine hohe Zustimmung der Konzilsväter gefunden haben. Dort heißt es ja in Art. 29 der Kirchenkonstitution, dass dieses „für die Kirche in höchstem Maße lebensnotwendige Amt in Zukunft als eigene und beständige amtliche Stufe wiederhergestellt werden kann". Dabei geht es um verheiratete Männer nach dem 35. Lebensjahr. Die Ehefrau muss der Weihe zustimmen. Seit 1968 wurde dann das Amt des Ständigen Diakons auf Lebenszeit in der Kirche errichtet. Die Diakone dienen dem Volk Gottes in der dreifachen Diakonie, nämlich der Diakonie der Liturgie, der des Wortes und jener der Liebestätigkeit, also der Caritas bzw. der Diakonie. Im Jahr 1968 beschloss die Deutsche Bischofskonferenz eine Grundordnung dieses neuen Dienstes. Die Gemeinsame Synode der Bistümer bekräftigte diesen Dienst wenige Jahre später (1975).

Am 28. April 1968, also weniger als ein halbes Jahr nach der offiziellen Zustimmung Papst Pauls VI. zum Beschluss der deutschen Bischöfe vom 4. Dezember 1967, wurden die ersten fünf Kandidaten von Weihbischof Dr. Augustinus Frotz zu Ständigen Diakonen geweiht. Nun zeigte es ich, wie viel von unten her gewachsen und welche gründliche, engagierte Vorberei-tungsarbeit geleistet war. Die rasche Entwicklung und die Weihe in Köln haben, wie Weihbischof Frotz damals sagte, „weltweite Überraschung ausgelöst". Das Jahrbuch der Statistik, das vom Staatssekretariat in Rom herausgegeben wird, verzeichnet ein außerordentliches Wachstum. Wenn ich recht sehe, gibt es heute ungefähr 20.000 Ständige Diakone, etwa 12.000 in den USA und in Kanada, 5000 in Europa und leider noch wenige in den anderen Kontinenten. Es gibt wohl in Deutschland heute 3000 Ständige Diakone, von denen etwa 40 Prozent den Dienst hauptberuflich ausüben, die anderen 60 Prozent im Zivilberuf. Dabei ist es nicht uninteressant, einige Grunddaten über die anderen kirchlichen Berufe zu nennen. Es gibt ca. 15.000 Priester (Weltpriester und Ordenspriester), 3000 Pastoralreferent/innen und 4500 Gemeindereferent/innen.

Wir haben allen Grund, dankbar auf die vielen Männer mit ihren Ehefrauen und Familien zu blicken, die sich in diesen Jahren dem Ruf Gottes nicht verschlossen haben. Dies gilt für alle Ständigen Diakone, ob verheiratet oder unverheiratet, hauptberuflich oder mit Zivilberuf. Entscheidend ist und bleibt, wie viele sich mitten in allen anderen Aufgaben vom Herrn der Kirche selbst bewegen ließen, nicht bloß allgemeine Dienste, vor allem ehrenamtlicher Art, in der Kirche zu verrichten, sondern sich durch die Annahme zur Berufung zum Diakon entschieden an Jesus Christus und die Kirche zu binden. Es zeugt von einem beständigen Aufbruch in unserer Kirche, dass sich immer wieder so viele Männer mit ihren Frauen und Familien auf diesen Weg der Nachfolge begeben. Für das Bistum Mainz darf ich dabei einige Grunddaten besonders hervorrufen. Insgesamt gibt es zurzeit in unserem Bistum 127 Ständige Diakone, 38 Diakone sind im Hauptberuf, 56 Mitbrüder im Zivilberuf, 33 Diakone sind Pensionäre. Vier Diakone leben ehelos, drei Ständige Diakone wurden zu Priestern geweiht, elf Diakone sind aus ihrem geistlichen Dienst ausgeschieden. Fast immer lagen die Gründe in Konflikten zwischen den Partnern in der Ehe. Zwei Diakone sind aus anderen Bistümern zu uns gekommen. Das Amt ist also ziemlich stabil, was angesichts der kurzen Zeit und einer ziemlich stürmischen Entwicklung keineswegs selbstverständlich ist. Da die Diakone erst in reiferem Alter das Amt übernehmen können - einige wenige sind mit über 60 Jahren zu uns gekommen -, ist es nicht verwunderlich, dass 21 Mitbrüder bereits verstorben sind. Aber der Aufbruch geht weiter. Wir haben in den letzten Jahren im Durchschnitt immer vier Herren zu Ständigen Diakonen weihen können. Im Augenblick befinden sich sieben Herren im Diako-natsbewerberkreis und damit in der Ausbildung.

Es gibt, wie wir schon gesehen haben, verschiedene Formen, mindestens jedoch den Ständigen Diakon im Haupt- und im Zivilberuf. Dies scheint mir in besonderer Weise aufschlussreich zu sein. Dabei hat auch der Diakon im Zivilberuf, selbst wenn er sich nicht so zeitintensiv engagieren kann, eine große Bedeutung. Diakone im Zivilberuf stehen mitten in ihrer Verantwortung in ihrem Beruf und stellen sich dennoch für diesen entschiedenen und radikalen Dienst zur Verfügung. Darin erblicke ich ein leuchtendes Zeichen des Glaubens für unsere Gemeinden und besonders auch für unsere jungen Mitchristen. Es ist ein unübersehbares Zeugnis, wenn zumeist in Ehe und fast immer im Beruf bewährte Männer unter Zustimmung ihrer Frau sich öffentlich zu Jesus Christus und der Gemeinschaft der Glaubenden bekennen, ohne dass irgendwelche Vorteile mit im Spiel sind. Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass viele Menschen in der Gesellschaft und in der Kirche dieses Glaubenszeugnis sehen und dadurch besonders ermutigt werden. Aber auch die Priester und Bischöfe sind dankbar für diese Stärkung des Glaubens, denn wir sind hier zunächst alle Empfangende. Es lässt sich nicht erzwingen, aber es ist eine besonders schöne Gabe, wenn aus den Ehen und Familien der Ständigen Diakone auch Priester-, Ordens- und pastorale Laien-Berufe kommen. Vielleicht darf man daraus auch bescheiden folgern, dass Familien Ständiger Diakone kein Mistbeet ekklesiogener Neurosen sein müssen, sondern religiös so gesund sein können, dass lebensfähige, starke Berufungen in ihrem Schoß möglich sind. Es gibt in der Zwischenzeit viele Beispiele dafür.

Da ich im Sinne der obigen Hinweise öfter auf die Frage eines Diakonates der Frau zu sprechen kam und es überdies in diesem Zusammenhang auch nichts Neues zu berichten gibt, darf ich mir erlauben, in dieser Predigt nicht näher auf das Thema einzugehen, ohne dass dies eine Geringschätzung dieser Frage bedeutet.

Ich zitiere gerne ein früheres Wort über den Diakon in der Kirche, wie es uns vor allem aus der Kirche von Syrien überliefert ist, dass nämlich der Ständige Diakon „in allem wie das Auge der Kirche sein" soll. Das Auge des Diakons weitet immer wieder den Horizont der Kirche, spürt die Not und die Mängel in den Winkeln der Gemeinde und an ihren Rändern auf. Die Diakonia bringt ursprünglich das Wesen des Amtes und das Wesen der Kirche zum Ausdruck. Darum ist es auch das Wort für „Amt" und „Dienst" zugleich.

Ich bin überzeugt, dass darum der Ständige Diakon ein verheißungsvolles Symbol für ein Verständnis von Kirche bleibt, das wirklich aus der letzten Tiefe schöpft. In diesem Sinne ist der Ständige Diakonat, davon bin ich fest überzeugt, eines der kostbarsten Geschenke des Konzils für die Kirche von heute und für die Zukunft. Dies ist eine große Ermutigung, viel wichtiger als manche Themen, die heute in den Mittelpunkt gerückt werden. In diesem Sinne sage ich Ihnen allen ein herzliches Vergelt´s Gott für Ihre Teilnahme an diesem Aufbruch in den letzten 40 Jahren. Viele von Ihnen haben ihn in und mit Ihrem Leben möglich gemacht und bezeugt. Amen.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz