Grußwort des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz zur 2. Tagung der 10. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland

(EKD) in Trier, 2. - 7. November 2003

Datum:
Sonntag, 2. November 2003

(EKD) in Trier, 2. - 7. November 2003

Verehrte Frau Präses Rinke,

sehr geehrter Herr Ratsvorsitzender, lieber Bruder Kock,

verehrte Damen und Herren,

liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

 

Sehr herzlich möchte ich Sie alle, die Damen und Herrn Synodalen, in Trier begrüßen. Es ist eine Stadt, die auch für die Ökumene schon durch ihre Existenz eine große Bedeutung hat. Hier stoßen wir auf die wohl ältesten Spuren der Kirche in unserem Land. Die vielen Monumente aus römischer Zeit bezeugen es uns. Trier birgt in der Abteikirche St. Matthias auch das einzige Apostelgrab nördlich der Alpen. Wir sind also umgeben von vielen Spuren und Zeugen aus einer fast anderthalbtausendjährigen Geschichte vor der Kirchenspaltung des 16. Jahrhunderts.

Vieles, was uns gemeinsam ist, haben wir wieder zurückgewonnen. Dazu gehört vor allem die Gemeinsamkeit in der Verehrung für das große und kostbare Geschenk der Heiligen Schrift. Gerade in diesem Jahr der Bibel und im Zusammenhang des Ökumenischen Kirchentages beschäftigt uns immer mehr die Frage des Philippus an den Äthiopier, als dieser den Propheten Jesaja las: „Verstehst Du auch, was du liest." Jener antwortet: „Wie könnte ich es, wenn mich niemand anleitet?" (Apg 8,30f) Dabei geht es heute für uns gewiss entscheidend um das, was man „Neuevangelisierung" nennt. Aber davor und dahinter dürfen wir die fast dramatische Bibelvergessenheit in unserer heutigen Kultur nicht vergessen. Hier haben wir über dieses Jahr der Bibel hinaus eine gewaltige Aufgabe, die uns tief verbindet.

Eine wichtige Aufgabe dieser 2. Tagung der 10. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland besteht neben der Verabschiedung einiger Kirchengesetze, zumal auch über den Haushalt 2004, in der Wahl des Rates und nicht zuletzt der Vorsitzenden und eines Stellvertreters. Bevor jedoch der amtierende Vorsitzende den letzten Bericht des Rates erstattet, möchte ich ihm für die menschlich und sachlich außerordentlich gute Zusammenarbeit seit 1997 von Herzen danken.

Es ist hier nicht der Ort, um dies im Einzelnen dazulegen. Ich möchte jedoch auch an dieser Stelle (vgl. dazu mein „Wort des Bischofs" im SWR vom heutigen Sonntag, 02.11.) darauf aufmerksam machen, dass es in der Ökumene gewiss auf die theologische Arbeit, gediegene Erklärungen und das gemeinsame Zeugnis ankommt, dass es aber auch einen Faktor gibt, der oft vielleicht zu wenig ins Auge gefasst wird, nämlich das offene, nüchterne und menschlich unkomplizierte Miteinander der Verantwortlichen in den einzelnen Kirchen. Die gute Erfahrung, die ich mit den Brüdern Martin Kruse und Klaus Engelhardt über viele Jahre gemacht hatte, durfte ich in eindrucksvoller Weise mit Ihnen verehrter und lieber Bruder Kock, fortsetzen und vielleicht sogar vertiefen. Ich danke Ihnen, für die ehrliche und wohlwollende Art, Gutes und Beschwerliches miteinander ohne Umschweife und Scheuklappen zu betrachten sowie klug und rücksichtsvoll nach gemeinsamen Wegen zu suchen. Ihre vertrauenerweckende Menschlichkeit und Ihre große seelsorgliche Erfahrung haben es dabei immer wieder leicht gemacht, die Gemeinsamkeiten auch noch in schwierigen Situationen voranzustellen. Dies gilt nicht nur für gemeinsame Veranstaltungen, wie z.B. die jeweilige „Woche für das Leben" und die vielen Gottesdienste, sondern auch für die sich in diesen sechs Jahren besonders häufenden gemeinsamen Auftritte in unserer Mediengesellschaft. Besonders hervorheben möchte ich dabei auch das jederzeit einvernehmliche Miteinander beim Ökumenischen Kirchentag in Berlin. Persönlich fand dieses Verhalten einen Höhepunkt bei meiner Kardinalserhebung im Februar 2001, als Sie mit uns in Rom waren. Ich sage Ihnen für dieses große, auch mich selbst immer wieder ermutigende Zeugnis für die Einheit der Kirche ein von Herzen kommendes Vergelt´s Gott, in das ich sehr gerne die übrigen Mitglieder des bisherigen Rates, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Kirchenamt und ganz besonders Ihre verehrte Frau einbeziehen möchte.

Manche möchten gerne von einer wieder aufgebrochenen ökumenischen Eiszeit oder wenigstens vom Verblühen des ökumenischen Frühlings sprechen. Dies ist nicht meine Erfahrung. Gewiss gibt es bei der immer größer gewordenen Einheit nun auch einige dicke Brocken zu bewältigen, wie man bei einer Bergbesteigung nicht selten vor dem Erreichen des Gipfels noch eine sehr beschwerliche Steilwand bezwingen muss. Wir haben schon sehr viel erreicht. Wir wollen deswegen gewiss nicht selbstsicher werden, denn es gibt auch noch viel Schutt und einige Steine auf dem Weg. Viele Menschen, nicht zuletzt aus den zahlreichen bekenntnisverschieden oder besser: bekenntnisverbindenden Ehe bedrängen uns mit Recht. Aber manchmal geschieht eben der Fortschritt nur in kleinen Schritten. Ja, mitunter gibt es zeitweise auch einmal Rückschritte und Verzögerungen. Dann brauchen wir einander noch mehr, auch im Sinne von wechselseitigen Stützen. Dies habe ich bei Ihnen und mit Ihnen, lieber Bruder Kock, immer gefunden. In solchen Situationen dürfen wir freilich nicht in alte Polemiken zurückfallen, aber auch nicht bisherige gemeinsame Substanz preisgeben. Gerade heute dürfen wir nicht voneinander lassen. Die Welt und besonders auch ein neues Europa brauchten unser gemeinsames Zeugnis, gewiss geistig und spirituell noch viel offensiver. Wir haben freilich im eigenen Land alle Hände voll zu tun

Ich wünsche Ihnen, verehrte Schwestern und Brüder im Herrn, für alle Entscheidungen dieser Tage den reichen Segen Gottes. Ich denke dabei besonders auch an die Nachfolge im Vorsitz des Rates. Ich bin mir sicher, dass Sie dabei auch die ökumenische Dimension im Auge behalten werden und dass wir auch künftig segensreich und fruchtbar zusammenwirken werden, wie uns dies bisher geschenkt wurde. Es gibt dazu keine Alternative. Ich wünsche uns allen dazu die Gaben des Heiligen Geistes.

(c) Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz