Kardinal Karl Lehmann und Rabbiner Julien-Chaim Soussan (c) Bistum Mainz / Matschak (Ersteller: Bistum Mainz / Matschak)

Grußwort zur Amtseinführung von Rabbiner Julian Chaim Soussan

Datum:
Sonntag, 28. Oktober 2012

am 28. Oktober 2012 in der Synagoge zu Mainz

In Mainz gibt es im Verhältnis von Christen und Juden eine eigene Geschichte. Auch wenn wir heute noch und hoffentlich immer beschämt sind von dem Unverständnis, der Abneigung und besonders der Vernichtung vieler Juden im Holocaust, so sind wir doch dankbar, dass wir in Mainz wie auch in den übrigen SCHUM-Städten am Rhein eine lange Geschichte der Gegenwart einer jüdischen Gemeinde haben. Mainz ist wohl im ostfränkischen-deutschen Reich die älteste und angesehenste Gemeinde. Schon früh wird eine Talmud-Schule gegründet. Leider ist es auch eine Geschichte vieler Vertreibungen, Zwangsbekehrungen, falscher Beschuldigungen und Tötungen. Wie durch ein Wunder entstand die Gemeinde trotz dieser bedrückenden Erfahrungen immer wieder. Die Mainzer Gemeinde hatte in Mitteleuropa zentrale Bedeutung und galt als Geburtsstätte der aschkenasischen religiösen Kultur. Herausragende Gelehrtenpersönlichkeiten waren Gershom ben Jehuda und Raschi. Schließlich stieg die jüdische Bevölkerung im frühen 19. Jahrhundert auf über 3000 Einwohner. Die meisten Mainzer Juden wurden in den Kriegsjahren nach Polen und Theresienstadt deportiert.

Wir sind froh und dankbar, dass nach dem Krieg wieder eine neue Gemeinde entstand und sie in den letzten Jahrzehnten auf über 1000 Mitglieder angewachsen ist. Symbol dafür ist die neue Synagoge, die vor zwei Jahren eingeweiht worden ist.

Große Freude teilen wir mit Ihnen, verehrte jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, dass Sie nun wieder einen eigenen Rabbiner haben, der für die Jüdische Gemeinde Mainz/Worms zuständig ist, Herrn Rabbiner Julian Chaim Soussan. Lassen Sie mich meine Mitfreude auch dadurch erklären, dass ich Herrn Rabbiner Soussan schon einige Jahre während seines Wirkens in Düsseldorf durch die gemeinsamen Treffen der evangelischen und der katholischen Kirche bzw. ihrer Bischöfe und leitenden Repräsentanten mit der Rabbinerkonferenz kennen lernen durfte, und zwar in der Orthodoxen und in der Deutschen Rabbinerkonferenz. Als Sie, Herr Rabbiner Soussan, vor zwei Jahren die neue Synagoge einweihten, haben Sie diesen geschwisterlichen Dienst von Düsseldorf aus erfüllt. Ich habe damals schon aufgrund meiner Begegnungen mit Ihnen zum Ausdruck gebracht, Sie wären der richtige Rabbiner für Mainz. Als wir beide schließlich in diesem Jahr beim Katholikentag in Mannheim dem gemeinsamen jüdisch-christlichen Gottesdienst vorstanden und darin auch predigten, es war am 17. Mai, habe ich unmittelbar vor Beginn vernommen, dass Sie tatsächlich Rabbiner in Mainz sind und werden. Sie haben mir dies auch auf dem Weg zu unserem Gottesdienst bestätigt. So möchte ich die Gelegenheit Ihrer Amtseinführung wahrnehmen, um Sie von ganzem Herzen von katholischer Seite aus in Mainz zu begrüßen. Ich möchte Ihnen und Ihrer Familie hier in Mainz Gottes reichen Segen für Leib und Seele wünschen. Der jüdischen Gemeinde Mainz/Worms möchte ich nicht minder von Herzen gratulieren. Rabbiner Soussan wird Ihnen gewiss mit seinen großen Fähigkeiten behilflich sein, diese neue wunderbare Synagoge mit Leben zu erfüllen.

Ich bin gewiss, dass Rabbiner Soussan dafür besondere Gaben und Fähigkeiten mitbringt. Er kennt die deutsche jüdische Szene aus eigener Erfahrung. Er ist in Freiburg im Breisgau als Sohn des Rabbiners Benjamin Soussan und einer deutschen Mutter aufgewachsen. Nach dem Studium der Volkswirtschaft und Judaistik in Heidelberg war er lange Zeit Religionslehrer in Stuttgart und in Düsseldorf. In Jerusalem wurde er danach zum Rabbiner ausgebildet und erhielt im Mai 2003 seine Ordination. Acht Jahre lang hat er dann in Düsseldorf die drittgrößte jüdische Gemeinde in Deutschland geleitet. Auf diesem Weg hat ihn der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, dem auch ich während dieses Amtes und auch nachher dankbar verbunden bin und bleibe, sehr unterstützt.

Wenn ich Rabbiner Soussan über den jüdischen Glauben sprechen und predigen hörte, war ich immer erstaunt und sehr dankbar über seine tiefe Kenntnis der jüdischen Tradition. Seine orthodoxe Orientierung hat er nie verleugnet. Wir sind ihm von christlicher Seite aus überaus dankbar, dass er den Dialog mit uns gesucht hat. Er ist so Mitglied des Gesprächskreises „Juden und Christen" des Zentralkomitees der deutschen Katholiken auf Bundesebene, der für uns nicht zuletzt durch die Tradition der Katholikentage eine große Bedeutung für einen neuen Dialog zwischen uns gewonnen hat. Hier sind auch Juden volle Mitglieder. Rabbiner Soussan gehört aber auch dem Gesprächskreis des Ausschusses „Christen und Juden" der Evangelischen Kirche im Rheinland an, sodass er gerade in der Orthodoxen Rabbinerkonferenz, wo er im Beirat eine angesehene Stellung innehat, einer der wichtigsten Partner in unserem Dialog ist. Ich freue mich deshalb ganz besonders, dass er nun in Mainz wirkt und wir vor Ort unsere gemeinsame Aufgabe noch besser erfüllen können.

Dankbar denke ich auch deshalb an den Tag der Einweihung dieser Synagoge zurück, weil wir am selben Tag die Nachricht erhielten, dass der aus Mainz stammende und in den USA wirkende, hochbetagte Rabbiner Prof. Dr. Leo Trepp in der Nacht vorher verstorben ist. Von ihm und seinen Schriften können wir immer wieder vieles über die Geschichte der Juden in Deutschland und besonders auch in Mainz lernen. Darum sehe ich, verehrter Herr Rabbiner Soussan, Ihre neue Aufgabe hier in Mainz auch gerne im Lichte der vielen guten Erfahrungen mit Leo Trepp in den letzten Jahrzehnten. Ich wünsche Ihnen und der jüdischen Gemeinde Mainz/Worms nochmals Gottes Segen auf allen ihren Wegen.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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