HOFFNUNGSZEICHEN IN DER WÜSTE

Auf ein Wort

Datum:
Donnerstag, 1. April 1999

Auf ein Wort

Auch wenn manche Klosteruine wiederbelebt worden ist, so gibt es immer noch viele zerstörte Anlagen mit einer reichen Geschichte. Zu diesen denkwürdigen Stätten gehört die ehemalige Zisterziensierinnen-Abtei St. Maria in Helfta (Sachsen-Anhalt). Dieses Frauenkloster war im 13. Jh. das wichtigste Zentrum der deutschen Frauenmystik und ist bis heute mit den Namen von Mechthild von Magdeburg („Das fließende Licht der Gottheit"), Mechthild von Hackeborn und der Hl. Gertrud der Großen verbunden. Die frühe Herz-Jesu-Verehrung und auch das Rosenkranzgebet haben hier ihre Ursprünge.

Von den 770 Jahren seit der Gründung konnte das Kloster nur knapp die Hälfte seiner Bestimmung nachgehen. Seit 1560 ist das Kloster für andere Zwecke entfremdet, ausgeraubt worden und nicht mehr von einer Ordensgemeinschaft belebt. Das riesige Gelände mit seinen umfassenden Ruinen ist fast vergessen worden. Helfta liegt am Ostrand der Stadt Eisleben, wo Martin Luther geboren wurde und gestorben ist. Noch heute ist die alte Abtei - auch auf den Karten und Reiseführern - schwer zu finden.

 

Die Klosteranlage hat schwierigste Zeiten erlebt. Als sie zu Preußen kam, wurde sie zwar zweckentfremdet, aber man hat den „Musterbetrieb" sorgfältig gepflegt. In der DDR-Zeit ist der ganze Komplex regelrecht verkommen und bildete eine Landwirtschaftliche Produktionsgesellschaft (LPG). Beinahe wäre sie 1988, ein Jahr vor dem Ende der kommunistischen Herrschaft, gesprengt worden, hätte nicht ein beherzter Freund, der heute noch lebende Herr Joachim Herrmann aus Helfta, sie mit weitgehend kunstgeschichtlichen Argumenten gerettet. Nach der „Wende" hat das Bistum Magdeburg das Areal wieder erworben. Ein rühriger Verband der Freunde Helftas kümmert sich mit Bischof Leo Nowak um die Wiederbelebung.

 

Vor einigen Jahren habe ich einmal mit Bischof Leo Nowak bei strömendem Regen die Klosterruine besucht. Noch zaghaft erzählte er mir von Plänen einer Wiederbelebung. Es kam mir wie ein Märchen vor.

 

Heute ist es beinahe ein Wunder, daß im Laufe von wenigen Jahren diese Vision anfängliche Wirklichkeit werden konnte. Die berühmte große Zisterzienserinnen-Abtei Seligenthal bei Landshut wird in diesem Sommer mit 9 Schwestern in das renovierte Konventshaus einziehen. Frau Äbtissin M. Assumpta Schenkl wird diesen Neubeginn selbst begleiten. Es ist ein kühnes Projekt, das man nur aus einer letzten Radikalität des Glaubens heraus in Angriff nehmen kann. Wüste ist Helfta nicht nur durch den Ruinencharakter, sondern durch die fast unvorstellbare Entchristlichung in den neuen Bundesländern. Nur 8 von 100 Kindern sind getauft. Die Arbeitslosigkeit klettert im ehemals berühmten Bergbaurevier des Mansfelder Landes auf 30 %.

 

In einer solchen Situation ist das Richtfest der Abteikirche vor einer Woche, verbunden mit dem 70. Geburtstag von Bischof Leo Nowak, ein unübersehbares Zeichen christlicher Hoffnung. Auch die evangelischen Christen sind nach der neuen Satzung herzlich eingeladen, sich an der Wiederbelebung von Helfta durch eine evangelische Kommunität zu beteiligen. Der evangelische Superintendent von Helfta hat darum diesen Neuanfang mitten im reformatorischen Kernland trotz mancher verständlicher Bedenken in diesem Milieu („Gegenreforma-tion"/Rekatholisierung) überzeugend begrüßt.

 

Ein überaus bemerkenswerter symbolischer Neuanfang, an dem wir nicht achtlos vorbeigehen dürfen. Helfta darf nicht scheitern. Es ist ein einmaliges Leuchtzeichen für die Revitalisierung des christlichen Glaubens in den neuen Bundesländern, aber auch für uns im Westen. Wir brauchen solche konkrete Orte und überzeugende Symbole für die Erneuerung eines lebendigen Glaubens in unserem Land. Wir dürfen nicht abseits stehen bleiben und die mutigen Frauen und Männer enttäuschen.

 

Kontaktanschrift:

Verband der Freunde Helftas e.V.
Lindenstraße 36
D-06295 Lutherstadt Eisleben

 

 

© Bischof Karl Lehmann, Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz