„Ich bin der Herr, und sonst niemand"

Katholische Morgenfeier in hr2-kultur am Sonntag, 16. Oktober 2011

Datum:
Sonntag, 16. Oktober 2011

Katholische Morgenfeier in hr2-kultur am Sonntag, 16. Oktober 2011

(Musikauswahl: Diözesankirchenmusikdirektor Thomas Drescher, Mainz)
Musik 1: aus: Sigfried Karg-Elert: Allein Gott in der Höh sei Ehr

Für den heutigen katholischen Gottesdienst sind Lesungen vorgesehen, die das Verhältnis des biblischen Glaubens zur staatlichen Macht zum Ausdruck bringen. Im Evangelium gibt Jesus Antwort auf die Frage der Pharisäer, ob es erlaubt sei, dem Kaiser Steuer zu bezahlen: „So gebt dem Kaiser, was dem Kaiser gehört, und Gott, was Gott gehört." (Mt 22,21) Gott geht mit den politischen Mächten eigene Wege. So nimmt er auch den persischen Großkönig Kyros, der Israel aus Babylon befreit, in seine Dienste. Ein heidnischer Herrscher ist Gottes Gesandter. Kann aber ein fremder König der Messias des Gottes Israels sein? Hat der Herr einen Herrscher erwählt, der nichts von ihm weiß?

Die überraschende Antwort gibt uns Gott selber in der heutigen Lesung aus dem Propheten Jesaja (45,1.4-7), die wir nun hören:

„So spricht der Herr zu Kyros, seinem Gesalbten,
den er an der rechten Hand gefasst hat,
um ihm die Völker zu unterwerfen,
um die Könige zu entwaffnen,
um ihm die Türen zu öffnen
und kein Tor verschlossen zu halten ...
Um meines Knechtes Jakob willen,
um Israels, meines Erwählten, willen,
habe ich dich bei deinem Namen gerufen;
ich habe dir einen Ehrennamen gegeben,
ohne dass du mich kanntest.
Ich bin der Herr, und sonst niemand;
außer mir gibt es keinen Gott.
Ich habe dir den Gürtel angelegt,
ohne dass du mich kanntest,
damit man vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang erkennt,
dass es außer mir keinen Gott gibt.
Ich bin der Herr,
und sonst niemand.
Ich erschaffe das Licht und mache das Dunkel,
ich bewirke das Heil und erschaffe das Unheil.
Ich bin der Herr, der das alles vollbringt."

Musik 2: aus: Johann Sebastian Bach: Motette „Fürchte dich nicht" (Teil 1)

Es ist ein aufregendes Wort: Ich bin der Herr, und sonst niemand. In unserer Alltagssprache würden wir fragen, ob der wirkliche Gott es nötig hat, eine solche Angebersprache zu benutzen. Aber Gott wollte sehr deutlich sagen, dass vieles in der Welt geschieht, was sich die Mächtigen selbst zuschreiben, in Wirklichkeit aber steuert ein anderer die Geschichte. Gott ist aller Herren Herr.

Ich will noch einen Schritt weitergehen mit einer Steigerung dieses Wortes. Gott hat offensichtlich sogar einen leidenschaftlichen Eifer, allein die Anerkennung als Gott zu haben. Er ist geradezu erregt durch die fremden Götter und ihre Bilder. Wenn Israel diesen folgt, dann schlägt dieser Eifer um in Feuer, Zorn und Glut. In diesem Zusammenhang steht dann, gleichsam als Zuspitzung, das Wort Gottes zu Mose, stellvertretend für das ganze Volk: „Du darfst dich nicht vor einem andern Gott niederwerfen. Denn Jahwe trägt den Namen ‚der Eifersüchtige'; ein eifersüchtiger Gott ist er." (Ex 34,14; vgl. Ex 20,5; Dtn 4,24; 5,9 ; Jos 24,19 ; Nah 1,2)

Für uns Menschen ist das Wort von der Eifersucht sehr gekennzeichnet durch menschliche Leidenschaft. Eifersucht empfinden Menschen, wenn sie Angst haben, eine nahestehende Person an einen anderen Menschen zu verlieren. So lange es emotionale Beziehungen unter den Menschen gibt, wird es Eifersucht geben. Dabei geht es eigentlich immer um die ungeteilte Zuneigung und Anerkennung des geliebten Menschen. Dadurch unterscheidet sich Eifersucht vom Neid. Der Eifersucht liegt eigentlich immer ein menschliches Dreiecksverhältnis zugrunde: der liebende Mensch, die geliebte Person, der Rivale. Der Neid hingegen entsteht aus dem Verlangen, etwas zu bekommen, was andere besitzen, bezieht sich also eher auf eine Sache. In der Eifersucht glaubt man, etwas zu verlieren, was man bereits besitzt. Der Eifersucht geht es um die Stabilität und Ausschließlichkeit menschlicher Beziehung. Oft stellt sie aber auch falsche Besitzansprüche, manchmal ist sie Ausdruck eines Minderwertigkeitsgefühls.

Wie kann man da von einem eifersüchtigen Gott reden? - Ja, Gott selber sagt von sich, dies sei sein Name? Dieser Einwand wird heute in verschiedenen Spielarten auch von der Religionskritik und gelegentlich auch von der Religionsgeschichte zur Sprache gebracht. Man meint, ein eifersüchtiger Gott, der keine anderen Götter neben sich dulde, sei von Hause aus intolerant. Manche meinen, der Glaube an einen einzigen Gott, also der Monotheismus, neige deshalb zu einem unduldsamen Ausschließlichkeitsanspruch, der alle anderen göttlichen Gestalten herabsetze und schließlich zu Nichtsen erkläre. Man meint gelegentlich, die Überzeugung von der Existenz mehrerer Götter nebeneinander, also des Polytheismus, sei grundsätzlich toleranter. Er lasse auch alle anderen Götter mit ihrem eigenen Anspruch stehen.

Diese Bedenken wiegen, gerade angesichts der heutigen Skepsis der Gottesrede gegenüber, nicht leicht. Nun darf man den Eifer oder die Eifersucht Gottes nicht als eine Eigenschaft Gottes oder als ein bestimmtes Bekenntnis sehen. Auch darf man die später mit der Eifersucht Gottes verbundenen Gefühle der Rache, der Vergeltung und des Zornes nicht einfach mit menschlicher Selbstsucht und ihrem Gekränktsein ineinssetzen. Aber es kann natürlich durch die Verwendung dieser Worte, wenn man sie nicht sorgfältig auslegt, dazu kommen, dass damit dunkle Seiten das Verständnis von Gott bestimmen. Deshalb muss man umso sorgfältiger fragen, was denn schließlich am Ursprung hinter diesem Wort steht.

Musik 3: aus: Johann Sebastian Bach: Motette „Fürchte dich nicht" (Teil 2)

Eifer setzt sich leidenschaftlich für etwas ein. Gottes Eifer verfolgt seine Ziele mit allem Nachdruck und mit Beharrlichkeit. Er hängt eng mit der Heiligkeit Gottes zusammen. In diesem Sinne gibt es einen unversöhnlichen Gegensatz zwischen diesem Wesen Gottes und der Realität der Sünde. Es ist unübersehbar, dass die Ausschließlichkeit der Eifersucht in der Verehrung des einzigen Gottes gegenüber den Götzen liegt. Hier muss man an den Propheten Hosea denken, der den Eifer als eine Funktion und einen Ausdruck der Liebe Gottes sieht und das Verhältnis Gottes zu Israel konkret im Bild der Ehe ausdrückt. Gott wird als Mann der untreuen Frau Israel dargestellt. In diesem Bild wird Gott als eifersüchtiger Gott beschrieben. Damit will besonders gesagt sein, dass dieser Gott nur allein verehrt werden will und kann. Es ist eine unbändige Liebe, die hier wirklich vor Zuneigung und Sorge in „Eifersucht" brennt. „Ich traue dich mir an auf ewig; ich traue dich mir an um den Brautpreis von Gerechtigkeit und Recht, von Liebe und Erbarmen, ich traue dich mir an um den Brautpreis meiner Treue: Dann wirst du den Herrn erkennen." (Hos 2,21 f, vgl. auch 2,11-15; 11,8-11) Diese grenzenlose Liebe richtet sich ganz auf Israel. In diesem Sinn hängt die Eifersucht einerseits mit dieser leidenschaftlichen Zuwendung Gottes zusammen. Man muss aber andererseits auch zugleich damit die Abwehr von Fremdgöttern im Blick haben. Deswegen gibt es auch das Bilderverbot. Deshalb legt sich auch der Gedanke nahe, diese ausschließliche Liebe Gottes würde gleichsam zurückschlagen, wenn sie verschmäht und von Israel nicht beantwortet wird, sondern sich in das Gegenteil der Sünde verkehrt. In diesem Kontext ist die Aussage „Eifersüchtiger ist sein Name" die Aufforderung zur alleinigen Verehrung Gottes. Später geht es sehr stark um bestimmte Affekte und Reaktionen, die der Strafe und der Vergeltung, der Rache und dem Zorn benachbart sind. Die Rede vom eifersüchtigen Gott wird in einem eigenen Strang des Alten Testamentes in dieser Richtung verfolgt (vgl. z. B. Dtn 4,24; 6,15; Jes 24,19) und wirft damit gewiss einen dunklen Schatten auf das Gottesbild, vor allem wenn dieses von der leidenschaftlichen Liebe zu seinem Volk getrennt wird.

Musik 4: aus: Johann Sebastian Bach: Motette „Fürchte dich nicht" (Teil 3)


In Gott gibt es ein Ungleichgewicht von Barmherzigkeit und strafender Gerechtigkeit. Seine Güte und Treue sind unendlich wirksamer und dauernder im Verhältnis zu seinem Zorn. Er ist gewillt, die Schuld mit ihren Konsequenzen aufzuheben, will aber den Ungehorsam und die Treulosigkeit nicht einfach übersehen. Man wird auch hier wiederum an den Propheten Hosea erinnert. In Gott selbst findet so etwas wie ein innerer Umsturz, wie eine inwendige Revolution statt. So heißt es bei Hosea: „Wie könnte ich dich preisgeben, Efraim, wie dich aufgeben, Israel? Wie könnte ich dich preisgeben wie Adma, dich behandeln wie Zebojim? Mein Herz wendet sich gegen mich, mein Mitleid lodert auf. Ich will meinen glühenden Zorn nicht vollstrecken und Efraim nicht noch einmal vernichten, denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte. Darum komme ich nicht in der Hitze des Zorns." (Hos 11,8-9)

Vielleicht versteht man auch jetzt besser, warum „Rache" und „Zorn" zwar wirklich dunkle Wörter sind, aber dass diese sich doch eigentlich um des geliebten Volkes Israel willen gegen alles wenden, was diesem schadet oder eben auch, wodurch Israel sich selbst vor allem durch Sünde und Untreue Schaden zufügt. Der Ruf nach Rache ist letzten Endes ein Schrei nach Gerechtigkeit in einer Welt voller Ungerechtigkeit. Es ist am Ende der Widerspruch Gottes gegen die Sünde. Darum ist diese Eifersucht Gottes so brennend, so leidenschaftlich und erscheint auch intolerant und zerstörerisch, wenn man sie von der liebenden Zuwendung Gottes zu seinem Volk trennt. Dies zeigt auch, dass man in der Eifersucht nicht ein theoretisches Bekenntnis oder eine der Eigenschaften Gottes sehen darf - weder die jüdische noch die christliche Theologie zählt sie zu diesen Eigenschaften -, sondern es geht um die alleinige Verehrung Gottes.

Bei der Rede vom eifersüchtigen Gott geht es also nicht darum, seinen Zorn und seine Strafe hervorzuheben. Alles zielt dahin, die unteilbare und übergroße Liebe zum erwählten Israel zur Sprache zu bringen. Von daher versteht sich die Ausschließlichkeit. Der eifersüchtige Gott ist daher aber auch der liebende Gott, der sich - und da passt wiederum das Wort von der Eifersucht - in die Abhängigkeit der Gegenliebe begibt. Er wird so selbst verletzlich, verwundbar und leidenschaftlich. Er hat ein Herz. Aber er vernichtet nicht, so sehr er die Sünde hasst. Dies ist die Tiefe des schon angeführten Wortes aus dem Propheten Hosea: „Denn ich bin Gott, nicht ein Mensch, der Heilige in deiner Mitte. Darum komme ich nicht in der Hitze des Zorns." (11,9b)

Das Wort von der Eifersucht Gottes gehört seinem ursprünglichen Sinn nach in eine Zeit, in der es viele Götter gab. Dies ist nicht ohne eine Ähnlichkeit mit unserer heutigen geistigen Situation. Auch bei uns gibt es viele Götter und Götzen. Wir zertrümmern sie nicht, wie es in früheren Zeiten der Fall war. Aber wir wissen im Gegenüber zu diesen Gottheiten, wen wir in dem Gott der Bibel verehren und dass er sich mit allen religiösen Mächten unserer Zeit messen kann. Dieser Anspruch der Liebe ist durch Jesus Christus konkret in unsere Welt gekommen. Dieses Verständnis von Gott erschöpft sich nicht in einer abstrakten theologischen Aussage, um die man mit Worten kämpft, sondern erfüllt sich am Ende nur durch unsere konkrete Verehrung in Treue, in der Wachsamkeit aller, die diesem Gott nachfolgen, ganz im Sinne des heiligen Paulus im Hohelied der Liebe: „Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig. Sie ereifert sich nicht, sie prahlt nicht, sie bläht sich nicht auf, ... lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach. Sie freut sich nicht über das Unrecht, sondern freut sich an der Wahrheit." (1 Kor 13,4-6).

Musik 5: Max Reger: Lobe den Herrn

Literaturhinweise:

G. von Rad, Theologie des Alten Testaments I, München 1969 u.ö., 216-225.

N. Lohfink, Polytheistisches und monotheistisches Sprechen von Gott im Alten Testament, in: Ders., Unsere großen Wörter, Freiburg i. Br. 1977, 127-144.

B. Lang (Hg.), Der einzige Gott, München 1981.

E. Haag (Hg.) Gott, der einzige. Zur Entstehung des Monotheismus in Israel, Quaestiones disputatae 104, Freiburg i. Br. 1985.

Chr. Dohmen, „Eifersüchtiger ist sein Name" (Ex 34,14), in: Theologische Zeitschrift (Basel) 46 (1990), Heft 4, 289-304.

E. Reuter, qn (Eifersucht), in: H.-J. Fabry / H. Ringgren (Hg.), Theologisches Wörterbuch zum AT, Band VII, Stuttgart 1993, 51-62 (Lit.).

R. Scoralick, Gottes Güte und Gottes Zorn, Freiburg i. Br. 2002.

W. Dietrich / C. Link, Die dunklen Seiten Gottes, Neukirchen 2002 u.ö.

Chr. Dohmen, Exodus 19-40, Herders Theologischer Kommentar AT, Freiburg i. Br. 2004, 360ff, bes 368 (Lit.)

R. Scoralick (Hg.), Das Drama der Barmherzigkeit Gottes, Stuttgart 2004.

G. Kruck / Cl. Sticher (Hg.), "Deine Bilder stehn vor dir wie Namen". Zur Rede von Zorn und Erbarmen Gottes in der Heiligen Schrift, Mainz 2005.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz