Licht in der Nacht: Hilfen für die „Illegalen“ in unserem Land

„Wort des Bischofs“ im SWR am 24. Dezember 2006

Datum:
Sonntag, 24. Dezember 2006

„Wort des Bischofs“ im SWR am 24. Dezember 2006

Wir wissen, dass in unserer Gesellschaft die Gefahr einer tieferen Spaltung zwischen Reich und Arm besteht. Wir sehen manchmal einen unbeschreiblichen Luxus. Zugleich gibt es hungernde Kinder. Die eingerichteten „Suppenküchen“ und „Tafeln“ zeigen, dass es auch sichtbare Armut bei uns gibt. Zugleich rückt die ganze Welt mit ihren vielen Fragen und Problemen immer mehr in unsere eigene Gesellschaft hinein. Die Globalisierung verschont uns nicht mit den Nöten der Welt, einschließlich der terroristischen Gefahren.

An diesem Morgen des Heiligen Abends möchte ich besonders auf eine Gruppe von Menschen zurückkommen, die wir nicht aus dem Auge verlieren dürfen. Es sind die so genannten „Illegalen", die bei uns wohnen. Niemand kann sie genau schätzen. Man darf aber eine Zahl zwischen 500.000 und 1 Million annehmen. Es sind Menschen, die keinen rechtlich gesicherten Aufenthalt bei uns haben. Sie sind darum oft im Untergrund und haben große Angst vor Ausweisung und Abschiebung, wenn sie entdeckt werden.

Es sind Menschen, die aus sehr verschiedenen Anlässen bei uns sind. Einige wollen bei ihren rechtmäßig bei uns wohnenden Familienangehörigen sein, sie selbst haben aber kein Nachzugsrecht. Andere wissen nicht, wie sie ihre Familien zu Hause ernähren können. Wieder andere haben zu Hause ein permanent gefährdetes Leben, sodass sie die Unsicherheit der Illegalität vorziehen. Man muss sich auf jeden Fall vor allen Pauschalurteilen hüten.

Es ist ein wenig gespenstisch, wenn man von diesen „Illegalen“ redet. Eigentlich gibt es sie ja gar nicht. Wir ignorieren sie. Dennoch leben sie mitten unter uns. Deswegen haben wir auch oft ein zwiespältiges Verhältnis zu ihnen, was uns selbst wiederum ein gespaltenes Bewusstsein verursacht.

Sie verstecken sich oft. Manchmal müssen sie eine unverschämt hohe Miete aufbringen, damit sie ein sicheres Versteck haben. Gelegentlich tauchen sie auf, besonders in den kirchlichen Gemeinden. Hier fühlen sie sich sicherer. Dies ist besonders in Notsituationen der Fall, wo sie anderswo kaum Hilfe erhalten können.

Es gibt viele Probleme, durch die sie ein schweres Leben haben. Es fängt an bei der elementaren Existenzsicherung, die sehr mit dem Finden von Arbeit verbunden ist. Nicht selten wird ihre Arbeitsleistung nur unzureichend entlohnt. Sie können sich wenig wehren. Ein großes Problem stellen auch die Kinder dar, die keine Schule besuchen können. Es ist dann nur allzu verständlich, dass die Kinder und Jugendlichen unter dieser Voraussetzung schlechte Chancen für ein berufliches Fortkommen haben und auch leichter in die Kriminalität abgleiten können. Ganz besonders schwierig wird es aber, wenn einzelne Familienmitglieder in Not kommen, weil sie krank sind. Sie trauen sich oft nicht in eine ärztliche Praxis oder in ein Krankenhaus. Nicht nur weil sie es nicht bezahlen können, sondern auch weil sie ihre Anonymität wahren möchten.

Es ist ein gutes Zeichen für unsere Gesellschaft, dass wir trotz aller Mängel und Schwierigkeiten in den letzten Jahren die Not dieser Menschen besser wahrgenommen haben. Auch wenn manches noch unzulänglich ist, so hat doch auch die Politik die Not erkannt. Viele Netzwerke sind in unserer Gesellschaft entstanden. So gibt es in manchen Großstädten Initiativen für die medizinische Betreuung. Der Malteser Hilfsdienst hat z.B. eine eigene medizinische Einrichtung (Malteser Migration Medizin) eingerichtet, die dank der unentgeltlichen Hilfe nicht weniger Ärzte die oft verzweifelten Mitmenschen unterstützt. Dabei muss man auch an Schwangerschaft und Geburt denken.

Dies bringt Licht in das Dunkel der Welt, wie vor bald 2000 Jahren. Jesus wurde unterwegs in einem Stall geboren, weil kein Platz in der Herberge mehr war. Ihm und seinen Eltern ist auch die Flucht nach Ägypten nicht erspart geblieben. Dennoch hat er gerade durch die Zuwendung zu den bedrängten und ausgestoßenen Menschen ein Licht in die Welt gebracht, das wir auch durch unsere Hilfe für die „Illegalen“ weitertragen sollten.

 

(c) Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz