Neuer Mut zur Solidarität mit der Kirche

Verteidigung bei unsachlichen Angriffen

Datum:
Montag, 6. Dezember 2010

Verteidigung bei unsachlichen Angriffen

Gastkommentar in der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" im Dezember 2010

Das gesellschaftliche Klima für Religion und Glaube schien in den letzten zwei Jahrzehnten ruhiger und insgesamt auch toleranter zu sein. Die militanten Angriffe auch auf die Kirche traten zurück. Zwar gab es immer wieder Attacken gegen einzelne Verhaltensweisen, besonders der katholischen Kirche, einerseits auf einzelne theologisch-ethische Lehrstücke, wie z.B. AIDS, Homosexualität, anderseits aber auch auf die Kirchensteuer.

Wenn nicht alles täuscht, ist diese Zeit vorbei. Man erkennt freilich auch besser, dass diese Angriffe bisher durchaus aktiv waren, aber etwas verborgener und weniger lautstark wirkten. Dabei gab es immer wieder, nicht selten auch importiert, Auseinandersetzungen wegen fundamentalistischer Positionen von Seiten der Kirche, so z.B. die Haltung nordamerikanischer Kirchen zum Verhältnis von Evolution und Schöpfung. Die schlimmen Ereignisse dieses zu Ende gehenden Jahres, in dem vor allem die katholische Kirche wegen der Fälle sexuellen Missbrauchs einen hohen Vertrauensverlust erlitt, haben das latente Unbehagen, das offenbar im Untergrund stärker war, wieder hochgespült. Man konnte dabei auch relativ leicht an Reizthemen anknüpfen, die die Polemik verstärken konnte, wie z.B. Zölibat, Sexualethik und Zulassung der Frau zur Priesterweihe.

Im Lauf dieses Jahres haben manche Gruppierungen, die es bisher in der Öffentlichkeit schwerer hatten, diese gewandelte Situation benutzt, um nicht nur die Kirche wegen dieser „Sünden" an den Pranger zu stellen, sondern auch eine fundamentale Kampagne gegen die Kirche und sogar gegen den Glauben selbst in Gang zu setzen. Dabei ist es natürlich nicht erstaunlich, dass schon länger wirksame Kräfte eine gute Gelegenheit zu erneuten Attacken sahen, wie z.B. die Humanistische Union und die Giordano-Bruno-Gesellschaft. Es wurden neue Felder eröffnet, wie z.B. die Bücher von Carsten Frerk über Caritas und Diakonie, Finanzen und Vermögen der Kirchen und neuerdings das Violettbuch Kirchenfinanzen. Viele Einwände sind nicht neu, sondern stammen aus der Mottenkiste der Polemik neuzeitlicher Religionskritik, besonders des 19. Jahrhunderts. Feindselige Klischees, die man aus älteren Parteiprogrammen kannte, kamen plötzlich wieder zu Ehren. Es gab Versuche, die Kontexte mancher Parteien zu instrumentalisieren, um in ihrem Schatten Gesellschaften für Atheismus zu gründen. Die Führungen der Parteien wollten allerdings davon nicht viel wissen. Es ist freilich nicht zu verkennen, dass manche Medien diesen neuen kritischen Grundstimmungen gerne ihre Seiten öffneten und sie so begünstigten.

Es ist keine Frage, dass die Kirche durch das Versagen Einzelner in ihr selbst es diesen neuen Angriffen leichter gemacht hat und dass sie darum auch manche Schuld bei sich selbst suchen muss. Man muss schon unterscheiden zwischen kritischen Anfragen, verständlichen Herausforderungen und ungerechtfertigten Attacken.

Dennoch bleiben neue Aufgaben. Die Kirche muss mutiger als bisher solche Herausforderungen annehmen. Sie muss sich offen, aber auch mit der notwendigen Gründlichkeit damit auseinandersetzen. Auch wenn manche Argumente der Gegenseite unzureichend sind, besonders auch im Blick auf die Kirchenfinanzen, ist es notwendig, offensiver mit den Einwänden umzugehen. Auch wenn manche Auseinandersetzungen diesen Namen nicht verdienen und manchmal auch ausgesprochen beleidigend sind (so z.B. das Buch „Die Kirche im Kopf" von C. Frerk, M. Schmidt-Salomon), so ist jetzt auch die Stunde, sich mannhaft zu wehren. Man kann die Dinge nicht einfach auf die Seite legen. Wir haben vielleicht über eine längere Zeit die Notwendigkeit einer „Verteidigung" der Kirche nicht mehr genügend ernst genommen. Es gab auch nicht selten von unserer Seite eine billige und schlechte Apologetik. Aber deswegen dürfen wir heute solche Positionen nicht einfach übergehen. Wir müssen ihnen offensiver entgegentreten. Dafür müssen wir auch die Menschen in der Kirche besser ausrüsten und informieren. Auch dies gehört zum richtigen Dialog der Kirche in ihr selbst und mit der Welt. Aber auch zum Bekenntnis des Glaubens.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz