Papstwahl: demokratische Formen im liturgischen Rahmen

Kolumne von Kardinal Lehmann in der Kirchenzeitung "Glaube und Leben" (April 2013)

Datum:
Sonntag, 7. April 2013

Kolumne von Kardinal Lehmann in der Kirchenzeitung "Glaube und Leben" (April 2013)

Über die Papstwahl ist sehr viel berichtet worden. Die ganze Welt konnte an vielen einzelnen Elementen teilnehmen. Ich möchte gerne auf die Art der Wahl aufmerksam machen. Sie ist ja seit 800 Jahren immer wieder ausgestaltet und verbessert worden. Viele Erfahrungen, anfänglich vor allem auch aus dem Mönchtum, haben dazu beigetragen.

Es fällt auf, wie die Wahl mit sehr präzisen Regelungen, die die Freiheit der Wähler und die Unbestechlichkeit des Ergebnisses sichern sollen, und der Beachtung penibler demokratischer Spielregeln mit einem locker gefügten liturgischen Rahmen verbunden ist. Beides steht durchaus in einer gewissen Spannung, verträgt sich aber auch recht gut. Das Gebet der ganzen Kirche um einen guten Papst gehört selbstverständlich zu diesem Rahmen. Die Fürbitte in den vielen Gemeinden der Weltkirche verbindet sich besonders mit der feierlichen Messe in St. Peter wenige Stunden vor dem Beginn der Papstwahl selbst.

Die Wähler kommen in Chorkleidung, d. h. in den liturgischen Gewändern, die zu einem Gottesdienst getragen werden. Die Anrufung der Heiligen und des Heiligen Geistes durch das „Veni creator" eröffnet das Geschehen. Selbstverständlich gehören auch Gebete dazu, die schon vorher in der nahegelegenen Cappella Paolina verrichtet werden.

Dies alles wird gesteigert durch die Wahl in der Sixtinischen Kapelle im Apostolischen Palast. Der Sitzungsort ist festgeschrieben. Dies ist nicht selbstverständlich, denn eine alte Regelung sah vor, dass die Wahl am Sterbeort des bisherigen Papstes erfolgen sollte. Die Sixtinische Kapelle ist nicht nur durch die vielfältige Kunst für die Wahl ein besonders würdiger Ort, zumal das Fresko Michelangelos die Wähler an das Gericht erinnert, das jeden erwartet. Freilich ist es durchaus möglich, dass man mit den Nachbarn leise Gespräche führt. Man sitzt in einer vorgegebenen Ordnung, die nach den verschiedenen Graden des Kardinalates (Bischöfe, Priester, Diakone) und nach dem Alter der Ernennung aufgebaut ist.

Es gab früher auch ehrwürdige Wahlverfahren, z.B. durch Akklamation oder auch durch „Kompromiss", die aber durch die Papstwahlordnung von Johannes Paul II. aus dem Jahr 1996 endgültig abgeschafft worden sind. Die geheime Abstimmung ist das einzige Verfahren. Jeder Kardinal leistet im Anschluss an die ausführlich vom Dekan des Kardinalskollegiums vorgelesene Formel einen Eid über die Wahrung des geistlichen Dienstes des Petrusamtes und die Geheimhaltung der Wahl einschließlich des Schutzes vor jeder Einmischung. Dabei legt der Schwörende die Hand auf das Evangelium. Vor der Wahl erinnert eine Meditation nochmals an das Gewicht der Verantwortung. Sorgfältig werden für jeden Wahlgang aus den wahlberechtigten Kardinälen drei Wahlhelfer und drei Wahlprüfer durch Los ausgewählt, ebenso die sogenannten „Infirmarii", Beauftragte, die die Stimmen der evtl. Kranken einsammeln.

Wenn man gewählt hat, wird der Stimmzettel von jedem einzelnen Kardinal zu einer Urne auf dem Altar gebracht, wobei zugleich von jedem eine Eidesformel gesprochen wird: „Ich rufe Christus, der mein Richter sein wird, zum Zeugen an, dass ich den gewählt habe, von dem ich glaube, dass er nach Gottes Willen gewählt werden sollte." Danach wird der Stimmzettel in die Urne gelegt. Die einzelnen Schritte zur Auszählung des Ergebnisses werden in der geltenden Konklaveordnung ausführlich beschrieben. Die Stimmzettel und alle persönlichen Aufzeichnungen der Teilhaber werden am Ende verbrannt.

Wenn man so den Stimmzettel abgibt, wird einem das hohe Maß der Verantwortung besonders bewusst, vor allem in der angeführten Eidesformel und angesichts des großen Gerichtsgemäldes.

Wenn der Gewählte die Wahl annimmt und die Bischofsweihe bereits empfangen hat, erhält er unmittelbar die ganze und höchste Vollmacht über die Universalkirche und kann diese auch unverzüglich ausüben. Dies zeigt noch einmal das Gewicht der Wahl durch das Kardinalskollegium. Am Ende gratulieren die Kardinäle dem neuen Papst, erweisen ihre „Huldigung" und leisten das Gehorsamsversprechen. Ein gemeinsames Dankgebet schließt die Wahl ab. Der Dienstälteste der Kardinaldiakone präsentiert auf der Loggia danach dem wartenden Volk die stattgefundene Wahl und den Namen des neuen Papstes.

Dies alles kann zeigen, in welcher differenzierten Mischung die Wahlhandlung zwischen demokratischen Formen und dem liturgischen Rahmen verläuft. Sie zeigt trotz aller Verwandtschaft mit den säkularen Formen einer Abstimmung den eigenen und spezifischen Charakter der Papstwahl.

Die Papstwahl-Bestimmungen sind vor allem auch in den letzten Jahrzehnten im Blick auf die Geheimhaltung und den Missbrauch durch Abhörgeräte und andere technische Maßnahmen aktualisiert und strenger formuliert worden. Die Abhörmöglichkeiten sind viel subtiler geworden. Manchmal wurde auch auf Raten der Techniker darum kein Mikrophon verwendet. Dann kam es wieder auf eine laute menschliche Stimme an.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

 

Diese Gastkolumne lesen Sie auch in der gedruckten Ausgabe von "Glaube und Leben" Nr. 14 vom 7. April 2013

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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