Predigt am Karfreitag

14. April 2006, im Hohen Dom zu Mainz

Datum:
Freitag, 14. April 2006

14. April 2006, im Hohen Dom zu Mainz

Zusammenfassung

Thema: Tod und Sterben Jesu mit der Auferstehung als Ende der Gewalt

Manchmal sind wir die Erzählung von der Passion und dem Tod Jesu schon zu sehr gewöhnt und geradezu leid. Dies gilt besonders auch für das Kreuz, das für viele ein gerne getragenes Schmuckstück, in Wirklichkeit aber die schändlichste Hinrichtungsart der Alten Welt darstellt, und auch die Passion ist ja schließlich am Ende eine regelrechte Hinrichtung. Hier scheint die politische Macht und die Gewalt zu dominieren. Mancher fragt sich, ob wir denn nicht schon genug Gewalt in unserer Welt haben. Bringt Jesu Leid etwas Neues und Anderes?

Zugleich ist aber auch allen klar, dass die Leidensgeschichte mehr ist als ein bloßer Bericht. Sie sagt nicht nur, was geschehen ist, sondern auch warum und wozu es geschah. Jesus hat sich bewusst und freiwillig dem Tod ausgeliefert. Niemand kann ihm das Leben entreißen, er selbst gibt es hin. Er setzt es für uns ein, für alle Menschen. Sein Tod ist der Preis für unsere Rettung.

Aber gerade diese Grund- und Gesamtrichtung seines ganzen Lebens, nämlich die Hingabe für die Menschen (Pro-Existenz), bestimmt schließlich diesen Leidensweg. Er ist nicht vergeblich, wenn auch Jesus umsonst stirbt. Viele Zeichen deuten darauf hin, dass mit diesem Tod die Welt verändert wurde. Der Vorhang des Tempels riss entzwei, d.h. der Bund Gottes mit dem Menschen wird auf einen ganz neuen Grund gesteckt. Die Erde verfinstert sich. Sogar der Vertreter der irdischen Macht spürt, dass etwas zu Ende ist, wenn er sagt: Wahrhaftig dieser Mensch war Gottes Sohn.

Gewiss tobt auch in unserer Welt die Gewalt weiter, und zwar in tausend Formen: Von brutalen Schlägen über den Mord bis zur subtiler Gewaltanwendung durch chemische Mittel. Aber dennoch hat Jesus die Macht des Bösen am Kreuz grundlegend besiegt. Ostern wird es uns vollends zeigen, aber schon heute wird deutlich, dass man die Probleme unserer Welt, die Konflikte in ihr und die Auseinandersetzungen vor allem auch um Wahrheit und Gerechtigkeit nicht mit Gewalt lösen kann. So töricht es vielleicht auch klingen mag: Am Ende sind opferbereite Hingabe und wehrlose Liebe mächtiger. Darum wird auch das Kreuz verehrt. Durch das Holz des Kreuzes kommt Freude in die Welt. Das Kreuz wird so auch zum Baum des Lebens. Dies ist ein Wendepunkt in der Geschichte. Gewaltanwendung gehört zur Alten Welt. Das Kreuz als Quelle der Versöhnung und des Friedens ist das grundlegend Neue. Gewaltverzicht bringt am Ende mehr. Gewiss braucht der Glaube eine große Tiefe und einen langen Atem, um diese Hoffnung gegen alle Hoffnung in unserer Welt aufrecht zu erhalten. Aber am Ende hat der Recht, der die Liebe bewahrt – solange er lebt und wirken kann.

 (c) Karl Kardinal Lehmann

Dies ist eine Zusammenfassung der Predigt-Gedanken - Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz