Predigt anlässlich des 50. Geburtstages von Domkapitular Prälat Hans-Jürgen Eberhardt, Vorsitzender des Caritasverbandes für die Diözese Mainz e.V.

am 15. August 2008 in Mainz-Bretzenheim

Datum:
Freitag, 15. August 2008

am 15. August 2008 in Mainz-Bretzenheim

Zunächst möchte ich Ihnen, lieber Herr Domkapitular Prälat Hans-Jürgen Eberhardt, zu Ihrem 50. Geburtstag herzlich gratulieren: Gottes reichen Segen für Leib und Seele in den kommenden Jahren.

Wir wollen zunächst Gott, Ihren Eltern und auch Ihnen danken für das Geschenk Ihres Lebens. Lassen Sie mich deshalb wenigstens einige Stationen Ihres Lebensweges nennen: Sie sind heute vor 50 Jahren in Worms geboren. Nach dem Abitur wurden Sie Lehrer, haben sich aber dann bald dem Theologiestudium zugewandt. Vor 20 Jahren, am 9. Juli 1988, wurden Sie hier in Mainz zum Priester geweiht. Danach waren Sie zwei Jahre Kaplan in Groß-Bieberau und Reinheim. Anschließend waren Sie neun Jahre Hochschulpfarrer an der Technischen Universität in Darmstadt. Hier haben Sie viele Erfahrungen machen dürfen außerhalb der klassischen Seelsorgsfelder.

In dieser Zeit haben Sie sich auch den Fragen der Caritas stärker angenähert und wurden Vorsitzender des Caritasverbandes Darmstadt e.V. Schließlich haben Sie im Jahr 1999 den Vorsitz des Caritasverbandes für die Diözese Mainz übernommen, wurden Dezernent des Dezernates Caritas und Sozialarbeit im Bischöflichen Ordinariat und wurden zugleich Ehrendomkapitular. Ein Jahr später (2001) kamen Sie in das Domkapitel und wurden nach der Reform unserer Strukturen im Jahr 2004 Vorstandsvorsitzender des Caritasverbandes für die Diözese Mainz mit dem Titel eines Diözesancaritasdirektors. Im Jahr 2006 wurden Sie Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft der Caritasverbände Rheinland-Pfalz.

Sie haben in diesen Jahren viele Fragen angepackt. Ich will nur den Ausbau des Caritaswerkes St. Martin und den Umzug von der Holzhofstraße, wo die Caritas lange ihren Sitz hatte, hierher nach Bretzenheim nennen. Dafür sei Ihnen in ganz besonderer Weise gedankt. Hinzukommt die Sorge für viele andere Bereiche der Caritas in unserem Bistum. Sie haben intensiv die Beratung für das Leben gefördert (Netzwerk Leben). Ihr damaliger Dienstbeginn im Jahr 1999 geschah fast zeitgleich mit der Entscheidung von Papst Johannes Paul II. über die Schwangerschaftskonfliktberatung, speziell im Blick auf die Ausfertigung einer Bestätigung der Beratung. Wir haben mit Ihrer Hilfe diese schwierige Entscheidung als Herausforderung angenommen, um noch mehr und noch tiefer die Beratung zum Leben fortzuführen. Die Beratung insgesamt hat einen hohen Stellenwert. Ich brauche an dieser Stelle nicht die vielen Felder der Verantwortung im Bereich des Diözesancaritasverbandes und der Bezirkscaritasverbände aufzuzählen.

Es kam uns im Bistum immer auf zwei manchmal spannungsvoll zueinander stehende, aber auch zusammengehörige Aufgaben an. Dies ist die Selbstständigkeit der Caritas als einer eigenen Lebensfunktion im Dienst der Kirche und zugleich die enge Zusammenarbeit mit den anderen Diensten im gesamten Handlungsfeld des Bistums. Die Caritas braucht beim Entstehen immer neuer Nöte, bei ihrer intensiven Tätigkeit in vielen gesellschaftlichen Bereichen außerhalb der Kirche und bei der Zusammenarbeit mit säkularen Partnern, vor allem aber auch dem Staat, ganz abgesehen von der Eigengesetzlichkeit der Sozialarbeit, einen großen Spielraum relativ selbstständigen Handelns. Wir wissen, dass dies auch im Verhältnis zur Kirche im Ganzen zu Schwierigkeiten führen kann. Dadurch gab es nicht selten auch Reibungsverluste und unnötige Konflikte. Die Caritas ist und bleibt auch bei einer hohen Selbstständigkeit eine zentrale Lebensfunktion zunächst jedes einzelnen Christen, aber auch der Gemeinde und in gesteigerter und professionalisierter Form der Diözese und der Kirche überhaupt. Die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil Gemeingut gewordene Redeweise von den drei Grundfunktionen des kirchlichen Lebens und Handelns, nämlich Verkündigung und Glaubensunterweisung, Gottesdienst und Sakramente, Nächstenliebe und Caritas/Diakonie, erinnert uns an diese wichtige Grundstruktur, die Einheit und Zusammengehörigkeit, aber auch die Verschiedenheit der Dienste und Funktionen einschließt.

In dieser Zusammenarbeit ist die Verzahnung der verschiedenen Dienste besonders wichtig. Hier in Mainz haben wir Wert darauf gelegt, dass der Diözesancaritasdirektor auch Dezernent ist, Mitglied der Dezernentenkonferenz des Bistums und - wenn möglich - auch Sitz und Stimme im Domkapitel hat. Es kommt hinzu, dass Herr Weihbischof Dr. Werner Guballa als Bischofsvikar für die Caritas auch auf diese Weise sichtbar macht, wie eng Caritas als Lebensäußerung der Kirche und als Verband zusammengehören. Dankbar denke ich an manche Mitbrüder, die jetzt nicht mehr unter uns sind, aber in verschiedenen Konstruktionsformen diese Kooperation geleistet haben, ich nenne nur Prälat Othmar Weis und Prälat Dr. Adam Groh. Mustergültig wurde dies verwirklicht von Ihren Vorgängern, Prälat Günther Emig und Prälat Jürgen Nabbefeld (in anderer Form auch durch Herrn Ordinariatsdirektor Mario Junglas). Ich bin dankbar, dass Sie diese Tradition durch Ihre Person, in vielen Fragen zusammen mit Weihbischof Dr. Guballa, fortsetzen. Der Umfang der Aufgaben, der hohe Anteil der Caritas am Unternehmen Kirche - sowohl personell als auch finanziell - und ihr großer Stellenwert machen gerade heute eine noch engere Zusammenarbeit, auch mit den entsprechenden Gremien, notwendig. Dafür möchte ich Ihnen gerade an diesem Tag von ganzem Herzen ein tiefes Vergelt´s Gott sagen.

Sie sind, lieber Herr Domkapitular, am Fest Maria Himmelfahrt, oder wie wir heute lieber sagen: der leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel, geboren. Dies wollen wir nicht nur liturgisch feiern. Es gibt auch einen engen Zusammenhang zwischen der Sorge der Caritas um die vielfach auch leibliche Not des Menschen, die Suche des Menschen nach Heil und unserem heutigen Fest. Ich will dabei nicht auf die vielen Aspekte des Festgeheimnisses eingehen (vgl. K. Rahner, Sämtliche Werke 9: Maria, Mutter des Herrn, Freiburg i. Br. 2004). Es geht mir nur um einen Gedanken, der aber dennoch zentral ist. Die Mutter des Herrn wird mit Leib und Seele in die Herrlichkeit Gottes aufgenommen. Der Tod wird deswegen nicht geleugnet. Die Verklärung der Mutter des Herrn im Augenblick ihres Todes lässt sich durch ihre Nähe zu Jesus Christus verständlich machen (vgl. auch 1 Kor 15,23 f.). Aber es zeigt auch, dass die Wertschätzung des menschlichen Leibes unserem Glauben nicht fremd ist. Deswegen gibt es die Auferstehung der Toten und die Auferweckung des Fleisches. Es geht nicht nur um die Unsterblichkeit der Seele, sondern auch um eine Rettung der menschlichen und auch irdischen Güter. Natürlich wird alles „wie durch Feuer" (vgl. 1 Kor 3,13) hindurch verklärt, gereinigt und von der innersten Zielsetzung Gottes her gerettet. Dies zeigt, dass wir uns darum auch letztlich um die leibliche und physische Not des Menschen kümmern. Es kann uns nie gleichgültig sein, wie es dem Menschen auch in seinen irdischen Bedingungen und Bedingtheiten geht. Nicht zuletzt darum hat die Kirche sich von Anfang an um die Bildung des Menschen, um seine Krankheiten, um die Kinder und die Alten gesorgt. Es wäre ein Missverständnis von Mission, wenn man dies nicht deutlich vor Augen hat.

In hellsichtiger Form hat m.E. dies der große Schriftsteller Ernst Jünger, der auf seinem Krankenlager in hohem Alter (über 100 Jahre) zum katholischen Glauben gefunden hat, zum Ausdruck gebracht. „Bei der Erwägung, ob die Kirche auch die gegenwärtige Unruhe überstehen wird, wie sie deren bereits viele überstanden hat, ist zu bedenken, dass sie auch zur Materie über vielleicht vermauerte, aber tiefgründigere Zugänge als der rationale Materialismus verfügt. Die Kirche hat keine Grenze, wohl aber Fundament." (An der Zeitmauer, Stuttgart 1959, 311)

Diese Wahrheit und Weisheit verbirgt sich auch und gerade in dem Fest, das wir heute feiern. Auch wenn dieses Festgeheimnis erst 1950 ausdrücklich zum Dogma erhoben worden ist, so hat die Kirche in ihrem Glaubensbewusstsein schon lange dieses Geheimnis immer wieder in Frömmigkeit und Meditation umkreist. Dies geschieht auch in unserem Brauchtum: An diesem Tag werden  heilsame Kräuter, aber auch besonders wohltuende Pflanzen in die Kirche gebracht, gesegnet und den Menschen wieder zurückgegeben. Das Heil hat immer etwas mit Leib und Seele, schließlich auch mit Heilung zu tun. Nicht zuletzt darum gibt es im Bereich der Kirche eine leibhaftige Diakonie und Caritas, die heute besonders wichtig ist für die Sendung der Kirche. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz