Predigt bei der Eucharistiefeier mit deutschen Pilgern in San Saba

am Freitag, 23. Februar 2001

Datum:
Freitag, 23. Februar 2001

am Freitag, 23. Februar 2001

Liebe Schwestern und Brüder im Herrn!

Wir sind hier in der Kirche San Saba. Es ist eine Kirche von besonderer Kostbarkeit, die aber gar nicht so bekannt ist. Deswegen wird sie oft verwechselt mit der naheliegenden Kirche Santa Sabina, die auch wegen ihrer groben, sehr alten geschnitzten Holztür berühmt ist. Die Kirche San Saba hat ihren Namen vom heiligen Mönchsvater Saba. Wer heute nach Israel geht, der kann zwischen Jerusalem und dein Roten Meer in der Wüste ein Kloster ,;Zum heiligen Saba" entdecken. Dort kommt der Name zuerst vor. Möglicherweise hing es zusammen mit den Verfolgungen der Mönche im Osten, ihrer Flucht nach dem Westen und ihrer neuen Einwurzeln ng, dass hier in Rom eine Kirche San Saba entstanden ist. Dies dürfte sogar sehr früh gewesen sein, im 5. Jahrhundert, spätestens im 7. Jahrhundert. Diese Kirche ist also eng verbunden mit dem christlichen Osten und besonders mit dem östlichen Mönchtum. Sie enthält großartige Spuren der kirchlichen Kunst aus mehreren Jahrhunderten. Sie sehen es überall selbst: die Wandmalereien zum Beispiel, die Cosmatenarbeit auf dem wunderschönen Fußboden, aber auch an den Seitenwänden sowie am Sitz des Vorstehers der Eucharistie, die hauptsächlich aus der Entstehungszeit der Kirche stammen.

San Saba ist eine Kirche, an der man immer wieder Neues entdecken kann, zugleich aber auch eine Kirche von der Schlichtheit der ersten Jahrhunderte. Man spürt diese gediegene Einfachheit auf Schritt und Tritt. Dies war auch der Grund, warum ich mir 1963 diese Kirche ausgewählt habe, um meine erste heilige Messe zu feiern. Hinzu kam noch eine besondere Bewandtnis: Die Kirche San Saba ist einst dem Germanikum, das mich als Studenten hier in Rom besonders gefördert hat, zur Unterhaltung dieser Einrichtung geschenkt worden (was man freilich nur noch in alten Romführern nachlesen kann), weshalb die Jesuiten bis auf den heutigen Tag für diese Kirche verantwortlich sind. San Saba ist zugleich eine Pfarrei mit ungefähr 3.000 Seelen, und auf dem Gebiet der Pfarrei ist hier in der Nähe in einem groben langgestreckten Gebäude auch die FAO beheimatet, die internationale Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen gegen Hunger, für Forst und Wald. Das ist ein riesiges Gebilde. Fast jedes Land der Welt hat in Rom drei Botschafter: einen beim italienischen Staat, einen beim Vatikan und einen bei der FAO. Auch das ist, denke ich, ein wichtiger Zusammenhang, den wir hier in San Saba in den Blick nehmen können.

1963 war San Saba die Titelkirche meines Landsmanns Kardinal Bea. Er war Kardinaldiakon, und San Saba wird immer nur einem Kardinaldiakon zugeordnet (heute dem Präfekten der Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramente, dem chilenischen Kardinal Jorge Arturo Media Estevez). Diese Kirche ist also in besonderer Weise mit der ganzen Kirche verbunden, im Osten und im Westen. Deshalb war es mehr als ein Zufall, dass Kardinal Bea, der aus dem südlichen Schwarzwald stammt, aus Riedböhringen bei Donaueschingen, auf dem Konzil der wohl wichtigste Architekt für die ökumenische Ausrichtung der Kirche war und danach der erste Präsident des Rates für die Einheit der Christen, was nun wohl bald Kardinal Walter Kasper sein wird. Kardinal Bea war in San Saba sozusagen zu Hause, gerade auch als Jesuit.

So gab es vielfältige Beziehungen, die mich dazu bewogen haben, mir gerade diese Kirche für meine erste heilige Messe zu wünschen. Das war mitten im Konzil, ein Jahr nach dem Beginn, und in jenen Tagen wurde bald die Liturgiekonstitution verabschiedet.

Es mag zwar schön sein, ein Kardinal zu sein, aber viel wichtiger noch ist das, was die Voraussetzung für die Kardinalswürde und besonders auch schon für das Bischofsamt ist und bleibt, nämlich zuerst einmal - Priester zu sein. Aus diesem Grund wollte ich heute morgen diesen Gottesdienst hier in San Saba feiern, denn das Priestersein ist für mich bleibend und ganz elementar mit dieser Kirche verbunden. gerade auch in ihrer klaren Schlichtheit, ihrer deutlichen geistlichen .Ausrichtung und der Kostbarkeit ihrer Ausstattung und Fresken.

„Kommt und seht"

Deswegen ist mir auch das kleine biblische Wort sehr kostbar, das ich am Anfang meines Eintritts in das Theologische Konvikt in Freiburg im Frühjahr l956 vom damaligen Direktor und späteren Generalvikar Dr. Robert Schlund mit auf den Weg bekam: „Kommt und seht", ein Wort aus dem Johannesevangelium bei der Berufung der Jünger. Es gibt so vieles, was wir nicht vorher wissen können, gerade wenn wir bereit sind zu sagen: „Adsum, ich bin da, ich bin bereit". Da kann sich noch sehr, sehr vieles Unerwartete auftun, auch vieles, was uns große Schwierigkeiten im Leben bereiten rund Kräfte von uns fordern wird, auf deren Einsatz wir vorher vielleicht nicht einmal vorbereitet waren und auch nicht wussten. dass wir sie überhaupt hatten. Deshalb ist die vertrauensvolle Einladung „Kommt und seht" das Wichtigste, was uns zugerufen werden kann, wenn wir sagen ,.Ich bin bereit". Dann entfaltet sich unterwegs alles, was uns aufgetragen ist, was für andere und so auch für uns selber gut ist. Ohne dieses Vertrauen und diese Dynamik kann man nicht Christ sein - ob als Priester, ob als Laie, ob als Bischof oder als Kardinal -, und das ist das Wichtigste: das, was bleibt. Darum gehört dieses „Kommt und seht" auch zu vielen anderen Dingen in meinem Leben: Man weiß oft nicht. was sich hinter einer neuen Aufgabe verbirgt. wir wissen auch nicht immer, vor welche Proben wir einmal gestellt werden, aber wenn wir diese Bereitschaft haben zu sagen .,Ich hin da", wachsen uns nachher ungeheure Kräfte zu, um Hindernisse zu überwinden. Wir wissen am Ende dann auch, worauf es wirklich beim Christsein ankommt. Deshalb bin ich Ihnen dankbar, dass Sie mit mir heute morgen an diesen Ort gekommen sind, damit wir uns dessen für unser liehen erinnern.

Wenn ich in dieser Kirche bin, bin ich in Gedanken auch bei all denen. die damals bei meiner Primiz dabei gewesen sind, und denke nicht zuletzt an diejenigen. die nicht mehr unter uns sind: meine Eltern, mein Bruder Reinhold, mein Heimatpfarrer und viele andere. Sie alle gehören zu diesem Weg, und deswegen bin ich besonders dankbar, dass so viele dieser Menschen heute morgen mitgedenken.

Wir sollen unseren Weg auch in der Solidarität mit den uns Anvertrauten gelten, zum Beispiel mit unseren anwesenden behinderten Schwestern und Brüdern, und uns unserer Verantwortung ihnen gegenüber bewusst sein. Gerade aus Dank für das, was wir empfangen haben. sollen mir bereit sein, mit ihnen diesen Weg zu gehen. Darum danke ich an dieser Stelle ganz herzlich Pfarrer Bellinger und allen Leiterinnen und Leitern, die in diesen Tagen mit einer Gruppe behinderter Menschen aus dein Bistum auf einer Wallfahrt in Rom und heute morgen mit uns zusammen hier in San Saba sind.

In der Lesung haben wir gehört, was uns in den Pastoralbriefen (2 Tim l,6f.) Paulus bzw. einer seiner Schüler zuruft - gerade auch in Erinnerung an Taufe, Priesterweihe und all das, was von uns eine letzte Entschiedenheit verlangt: Wir sollten die Gabe, die wir empfangen haben, wieder entfachen, neu entflammen. Wir haben nicht einen Geist der Zögerlichkeit empfangen, ,sondern einen Geist der Kraft, Liebe und Freude und besonders auch einen Geist der Besonnenheit. Das heißt also: nicht die Flinte ins Korn werfen, auch wenn es einmal schwierig ist, nicht flüchten vor dem Kreuz, das uns da und dort einmal aufgeladen wird, vielleicht auch ein ganzes Leben lang. Deswegen ist diese Rückkehr zu den Anfängen und zu den bleibenden Fundamenten für uns alle wichtig.

.,Ich bin bereit"

Der Primiz in San Saba war am Tag zuvor meine Priesterweihe in San Ignazio durch meinen väterlichen Freund Julius Kardinal Döpfner, dem ich später in vielem helfen durfte, vorausgegangen. Zum Anfang der Weihe gehört die Bereitschaft zum Dienst: „Ich bin bereit", sagen meine jungen Mitbrüder auch heute. „Adsum", hieß es damals für uns noch auf lateinisch. Dieses kleine Wörtchen, dieses „Ich bin bereit", muss das ganze Leben tragen. Das ist die Wurzel, auf die es ankommt.

Meine lieben Schwestern und Brüder, in anderer 'Weise, an anderen Orten und in anderen Situationen gilt das für uns alle. Wir-alle sollen als Christen diese grundlegende Bereitschaft mitbringen: „Ich bin bereit". Man sagt das gerade auch angesichts der Ungewissheit des Kommenden.

„Steht fest im Glauben"

Auch wenn ich mir seinerzeit dessen gar nicht bewusst gewesen hin, schließt sich an diese Besinnung auf die Fundamente auch jenes Wort an, das ich mir dann 1983 für meinen bischöflichen Dienst gewählt habe. ;Auch dieses Wort stammt aus den Paulusbriefen (z.B. 1 Kor 16,13), kommt aber auch sonst. im Neuen Testament öfter vor: „Steht fest im Glauben".

Wir machen ja immer wieder die Erfahrung, dass wir unterwegs müde werden. Die ersten Christen haben mit einigem Erschrecken festgestellt, dass die Anfangsbegeisterung nach einer Weile verebbt, dass man in die Versuchung gerät, schlapp und träge zu werden und nachzulassen. Darum gehört zu der Bereitschaft des „Ich bin bereit" und zum Aufbruch des „Kommt und seht" auch das Wort „Steht fest im Glauben". Dieses Wort ist mir gerade in den letzten Jahren immer wichtiger geworden. Feststehen kann man freilich nicht dadurch, indem man einfach krampfhaft an etwas festhält und es so fixiert. Nur indem wir uns immer wieder erneuern und vertiefen, können wir uns am Glauben wirklich festmachen und Halt gewinnen. Nur so, indem wir es immer wieder neu ausrichten, können wir das Bleibende hüten und in einem wirklichen Sinne bewahren. Nur dann erreichen wir seine wirkliche Tiefe, nur dann bekommen wir wirklichen Trost und echte Hilfe. Das steckt hinter diesem Wort „Steht fest im Glauben", gerade im Sinn des heiligen Paulus.

„Bleibt:"

Eine ähnliche Botschaft steckt auch im Evangelium des heutigen Tages (Joh 15,18-21), in dem Johannes uns zuruft, wir sollten uns im Wort festmachen. Wie soll ich denn feststehen im Glauben, wie geht das? So fragen wir. Und Johannes antwortet: Mach dich zuerst fest im Wort, im Wort Gottes. Wir brauchen einen Anstoß, der nicht einfach aus uns kommt, wir brauchen. den Zuspruch von außen, damit wir uns aufmachen, nicht milde werden, weiter bereit sind, unterwegs zu bleiben und für dieses Ziel zu arbeiten. Johannes führt dies immer wieder unter dem schönen, kleinen Wort vom „Bleiben" aus.

Dieses Wort „bleiben" spielt eine ganz große Rolle im Johannesevangelium, auch im heutigen Evangelium und in den Johannesbriefen. Es ist ein kleines, besonders kostbares Wort. Es kommt nicht nur auf die großen Höhepunkte an in unseren. Leben, es kommt nicht nur darauf an, dass wir da und dort überschwänglich begeistert sind. Gewiss ist es gut und schön, dass wir aus vollen Herzen feiern können. Wir brauchen einige Glanzlichter in unserem Leben. Aber dann kommt es darauf an, dass wir bleiben. Es wäre schlecht, wenn auf eine Explosion unserer Gefühle an einigen ganz wenigen Tagen am Ende nur noch grauer Alltag folgen würde. Vielmehr kommt es darauf an, dass wir das, was wir sind und was wir empfangen haben, umsetzen durch Bleiben. Wie viele Male sagt uns der Evangelist im Johannesevangelium, dass wir bleiben mögen in einem bestimmten Wort, bleiben mögen in Jesus Christus, bleiben unter seinen Weisungen, unter seinem Ruf und in der Liebe. Das ist gemeint mit dem schönen kleinen Wort „bleiben" und mit dem ganzen heutigen Evangelium. Das ist die groß Bereitschaft, die wir besonders dann fühlen können, wenn wir in diesem Sinne den Mut haben „zu bleiben". Bleiben, das heißt immer auch - im griechischen ist dies im Blick auf das Wort Geduld fast so etwas wie ein kleines Wortspiel - „darunter" bleiben, manchmal auch unter einer Last. In unsere Sprache übersetzt bedeutet das: Geduld haben, aushalten, etwas durchtragen - und das bedeutet nicht einfach nur ein passives Ertragen, sondern meint auch, dass wir manchmal darum kämpfen müssen, einem Auftrag oder einem Jawort, das wir einmal gegeben haben, treu zu bleiben.

Ich möchte Sie einladen, dass wir diese Messe in diesem Sinne feiern. Mögen wir so alle gestärkt werden, wenn wir heute oder in den nächsten Tagen wieder nach Hause fahren. Mögen wir wieder neu überzeugt sein: Das Ja, das ich gesagt. habe - zum Christsein, zu einem anderen Menschen, zum Partner in der Ehe, zu den Kindern in der Familie, zu den Freunden, zu meinem Beruf, zu all dem, was war -, das war nicht vergebens. Ich kann das, was mir geschenkt worden ist, wieder erneuern. Ich kann mit Freude bleiben.

Mit besonderer Freude denke ich dabei immer an das Wort meines verehrten Vorgängers, Hermann Kardinal Volk, der nicht aufhörte uns zu predigen, dass man alles, was man nur halb tut, immer sehr schwer tut. Doch. alles, was man ganz, entschieden und aus vollem 1lerzen tut, das tut man sehr viel leichter, obwohl es doch viel mehr ist. Wer sich ganz hingibt, wer ganz gibt, wer sich ganz seiner Aufgabe stellt, der hat auch irgendwann einmal die Freude des Glaubens überall bei sich. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

(Leicht überarbeitete Tonbandabschrift der frei gehaltenen Predigt)

 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz