Predigt im Gottesdienst anlässlich der Jubiläumsfeier 80 Jahre kfd-Bundesverbandes und Entsendung des kfd-Leitbildes

am 15. Juni 2008 in St. Stephan in Mainz

Datum:
Sonntag, 15. Juni 2008

am 15. Juni 2008 in St. Stephan in Mainz

Diese Tage in Mainz bewegen uns zum Dank. Sie haben am gestrigen Abend Ihre bisherige Bundesvorsitzende, Frau Magdalena Bogner, verabschiedet, und begehen heute das 80-jährige Jubiläum Ihres Verbandes, der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands. Auch wenn der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Dr. Robert Zollitsch, am gestrigen Abend das Wort für die Bischöfe ergriffen hat, möchte ich aus der langen Verbundenheit mit Frau Bogner und der kfd ein persönliches Wort sagen.

Elf Jahre durfte ich mit Ihnen, verehrte Frau Bogner, die wichtige Arbeit der kfd in unserem Land begleiten. Seit 1997 haben Sie maßgeblich die Arbeit in diesem großen Verband geprägt. Sie haben mit Ihrem unermüdlichen Engagement gezeigt, was man alles in einem Ehrenamt erreichen kann. Immer wieder haben Sie sich für die Belange der Frauen in der kfd, in Kirche und Gesellschaft eingesetzt. Auch auf anderen Ebenen durfte ich lange Zeit mit Ihnen zusammenarbeiten: bei den Katholikentagen, bei verschiedenen Treffen der Bischofskonferenz über die Frauenarbeit und nicht zuletzt in der Gemeinsamen Konferenz wie vor kurzem in Bonn. Unvergessen sind mir aber auch unsere persönlichen Gespräche, nicht zuletzt in kritischen Phasen und Stunden der kfd und auch der Kirche. Ich möchte Ihnen für Ihr zielstrebiges Eintreten für die Belange der Frau nicht minder danken wie für die jederzeit loyale Haltung zu den Verantwortlichen in der Kirche.

Mein Dank geht auch an die kfd insgesamt. Vor fünf Jahren, als Sie das 75. Jubiläum feierten, durfte ich auch hier in Mainz Dank sagen für den Segen, den Ihr Verband immer wieder im Lauf dieser Jahrzehnte erwirkt hat. Gerade auch im Vergleich mit anderen Ländern durften wir dankbar zur Kenntnis nehmen, dass wir in der kfd einen solchen Verband haben: Sie haben es verstanden, die oft recht verschiedenen Anliegen und Bedürfnisse der Frauen in Kirche und Gesellschaft miteinander und in einem eindrucksvollen Austausch zu vertreten; Sie haben sich um die verdienten älteren Frauen ebenso eingesetzt wie für die neuen Herausforderungen für die jungen Frauen; unersetzlich ist Ihr Wirken in diesen Jahrzehnten in so vielen Pfarrgemeinden unserer Kirche. Nicht zufällig sind Sie so mit Ihren über 600.000 Mitgliedern der größte Verband in unserer Kirche. Es gereicht Ihnen besonders zur Ehre, dass Sie in diesen Jahrzehnten nicht abseits der großen Fragen um die Stellung und die Würde der Frau sich in eine wohlige Nische des Kircheninneren zurückgezogen haben, sondern mutig teilgenommen haben an diesen Auseinandersetzungen und sich nicht gescheut haben, sich auch mit den Auswirkungen in Ihrem Verband selbst zu beschäftigen. Ich möchte Ihnen auch für diesen „Freimut", wie der hl. Paulus gerne sagt, herzlich danken, unsere und Ihre Überzeugungen immer wieder eindrucksvoll in der Öffentlichkeit zum Ausdruck zu bringen, z.B. auch im Deutschen Frauenrat. Sie haben sich auch vor Konflikten und ihrem fairen Austrag nicht gescheut. Dass heute zu Ihrem Jubiläum die Bundeskanzlerin, Frau Dr. Angela Merkel, die Festansprache hält, wäre nicht denkbar ohne die hohe Anerkennung, die Ihnen immer wieder zuteil geworden ist.

Sie haben sich als Thema dieses Jubiläumstages das Leitwort gewählt „Leidenschaftlich glauben und leben". Es passt gut dazu, dass wir diesen Gottesdienst hier in der über 1000 Jahre alten Stiftskirche St. Stephan feiern, denn durch die Fenster von Marc Chagall und ihre vielfältige Intensität lebendiger Farben werden wir stets an diese Ganzheit und darum auch Leidenschaftlichkeit unseres Glaubens erinnert, der so eng zusammengehört mit dem Glauben Israels. An vielen Themen des Bildprogramms spüren wir, dass wir dieselben Ursprünge haben. Nie dürfen wir vergessen, was der hl. Paulus mahnend uns im Blick auf unser Verhältnis zu Israel sagt: „Nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich." (Röm 11,18).

In dieser Hinsicht können wir immer wieder von Israel und dem Alten Bund lernen. Hier geht es nämlich immer im Glauben um den ganzen Menschen, mit Leib und Seele. Wir verwenden oft das blasse Verständnis eines Glaubens, der keine Kraft hat und intellektuell verkümmert ist. Darum bewirkt er auch nicht viel und verwandelt nichts. Der biblische Glaube ist nie herzlos. Er entsteht immer am Schnittpunkt von Denken, Fühlen und Wollen. Wir spüren es besonders auch, wenn der Mensch bedrängt wird. Die alttestamentliche Klage, nicht zuletzt auch die Trauer, zeigt uns etwas von dieser großen Leidenschaftlichkeit des Glaubens. Er scheut sich nicht, den Schmerz sichtbar zu zeigen. Die Fragen und Anfechtungen, die ihn nicht zuletzt wegen der Ungerechtigkeit in der Welt bedrängen, schreit er mit Leib und Seele aus sich heraus. Dadurch befreit er sich auch in vieler Hinsicht. So gibt es dann auch letztlich keinen Gegensatz zwischen Glauben und Leben. Wir spüren, wenn wir das Neue Testament als die Urkunde unseres Glaubens lesen, in welch hohem Maß Jesus selbst und die Evangelien, aber auch Paulus und viele Briefe von dieser Leidenschaftlichkeit getragen sind. Sensibilität und Kompassion gehören vor allem zur Solidarität und Geschwisterlichkeit des Glaubens.

Die Erfolgsgeschichte der kfd in diesen 80 Jahren hängt gewiss mit dieser von der Bibel uns zukommenden Kraft eines lebendigen Glaubens zusammen. Sie hat auch so vielen Frauen in sehr unterschiedlichen Situationen die Energie verliehen, leidenschaftlich für die Belange der Frauen engagiert zu sein, aber auch viele Forderungen nicht zuletzt der Frauenemanzipationen kritisch zu bedenken, gleichsam zu filtern  und manches gereinigt sich zu eigen zu machen. Dies hat oft viele Kräfte gekostet. Aber gerade der leidenschaftliche Einsatz für die Belage der Frau, der aus dem Herzen kam und die Herzen anderer weckte, hat die Sache der Frau - auch in der Kirche - vorwärts gebracht. Ich möchte allen danken, die auf diese Art und Weise ihre Charismen in das kirchliche und gesellschaftliche Leben eingebracht haben. So haben wir Grund, zu diesem 80. Jubiläum aus vollem Herzen für das, was erreicht werden konnte zu danken: für die Mitverantwortung und Mitwirkung am Aufbau des Reiches Gottes, für die Ermutigung so vieler Frauen, besonders in den schlimmen Zeiten des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges, des Wiederaufbaus nach dem Krieg und auch heutiger Nöte und heutiger Armut, die ja eher verborgen, aber deswegen noch wirksamer sind. Dank gebührt Ihnen auch, dass Sie sich der gesellschaftlichen Herausforderungen wirklich leidenschaftlich gestellt haben, etwa angesichts der Pluralisierung der heutigen Lebensformen. Sie haben sich nicht abbringen lassen, die Lebenswirklichkeit der Frauen heute, besonders der jungen Frauen, ganz ernst zu nehmen.

Ich danke Ihnen, dass Sie leidenschaftlich sensibel waren für die oft - wie schon gesagt - verborgenen Nöte von Frauen. Durch Ihre Orientierung und Begleitung haben Sie einen heilenden Dienst in der Kirche dieser Jahrzehnte ausgeübt.

Ich bin fest überzeugt, dass Sie mit dem neuen Leitbild auch die Situation unserer unmittelbaren Gegenwart und der nahen Zukunft ansprechen, besonders im Blick auf die Folgen des gewaltigen Modernisierungsschubs in Wirtschaft und Gesellschaft. Herzlichen Dank auch für Ihre Mühe um die Frauen im östlichen Teil unseres Landes nach der deutschen Einigung.

So wollen wir Gott bitten, dass wir auch in Zukunft dieses Zeugnis unseres Glaubens in unsere konkrete Welt tragen dürfen und beten besonders für alle, die bisher und künftig die Verantwortung im kfd-Bundesverband  getragen haben und tragen werden. Amen

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz