Predigt im Pontifikal-Trauergottesdienst für Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Karl Holzamer, Gründungsintendant des Zweiten Deutschen Fernsehens

am 27. April 2007 im Hohen Dom zu Mainz

Datum:
Freitag, 27. April 2007

am 27. April 2007 im Hohen Dom zu Mainz

Lesungen:

1) Röm 14,7-9. 10c-12

2) Joh 12,23-26

Es ist ein schweres Jahrhundert gewesen, das Karl Holzamer vom 13. Oktober 1906, geboren in Frankfurt, bis zum vergangenen Sonntag, 22. April 20007, seinem Todestag in Mainz, erfahren und durchlitten, aber auch geprägt und mitgestaltet hat. Was in diesem Menschenleben zuerst auffällt, ist die tiefe Unbeirrbarkeit von Karl Holzamer. Er war offen und beweglich, geistesgegenwärtig und geradezu experimentierfreudig. Aber deswegen war er nicht angepasst, weder in der Zeit des Nationalsozialismus noch in der Nachkriegsepoche. Er war auch bei noch so lockenden Angeboten nicht käuflich.

Nach außen hin mochte es manchmal scheinen, als sei er stets harmoniebedürftig. Gewiss war Karl Holzamer ein Genie des Dialogs und der Vermittlung. Integration war geradezu sein Beruf.

Er wusste dabei jedoch sehr genau, was er wollte. Mit großem Charme kam er immer wieder auf seine großen Linien. Hier konnte er regelrecht unnachgiebig sein. Nicht zufällig hat einer in diesen Tagen gesagt, Karl Holzamer sei „der freundlichste Panzer gewesen“, den er je kennen gelernt hätte. Aber dies war nicht Sturheit oder Verbissenheit.

Er war dabei Philosoph und Pädagoge. Das Interesse an einer Klärung der letzten Fragen menschlicher Existenz, nach dem, was das Leben ausmacht, und nach dem notwendigen Wertmaßstäben war bei Karl Holzamer immer verbunden mit der Frage der Vermittlung dieses Wissens, das Menschen, vor allem auch junge, in die Lage versetzt, ihr Leben erfolgreich zu meistern. Er war überzeugt, dass eine gediegene, friedliche Ordnung viel dazu beitragen kann. Den Willen dazu hat er zunächst auch bei allen anderen vorausgesetzt, obgleich er um die raffinierten Schliche und abgründigen Interessen des Menschen wusste. Er war ein ausgesprochener Menschenfreund.

Dies zeigte sich besonders auch bei seiner Vision und Konzeption des neuen Mediums. Das Fernsehen, so wie er es verstanden hat, war zuallererst dem Dienst am Menschen verpflichtet. Es zielte darauf, ihn durch zuverlässige Informationen instand zu setzen, die Welt besser zu verstehen, ihn durch Bildung selbstständiger und kompetenter zu machen. Holzamer war durch und durch Pädagoge – um des Menschen willen. Gerade in der heutigen Zeit, in der im Medienbereich oft mehr vom Markt als von solchen grundlegenden Zielsetzungen gesprochen und danach gehandelt wird, ist es gut, sich daran zu erinnern, wie die unvermeidliche wirtschaftliche Komponente der Medien der inhaltlichen Konzeption untergeordnet werden muss. Karl Holzamer hat von Anfang an das realisiert, was in den Mediendokumenten der katholischen Kirche „Menschendienlichkeit“ genannt wird.

Holzamers Menschenbild war weit, ganzheitlich und für vieles offen. Er dachte z.B. immer auch an die einfachen Leute. Deshalb sollte das neue Medium auch Freude und Spaß machen. Die Menschen sollten durch Unterhaltung mit Niveau notwendige Entlastung des Alltags und der Arbeit erfahren. So hat Karl Holzamer auch nicht die solidarische Verantwortung der Menschen unter- und füreinander vergessen. Die Medien sollten daran gemessen werden, wie sie die Gemeinschaft und den wahren Fortschritt der Menschheit tatsächlich fördern. So hat er das von ihm leidenschaftlich unterstützte Projekt „Aktion Sorgenkind“ initiiert.

Karl Holzamer war ein überzeugter und überzeugender katholischer Christ. Er hat dies nie zur Schau getragen, war aber immer auch zum öffentlichen Bekenntnis bereit. Er lebte, soweit man dies sehen und sagen kann, eine unverkrampfte Religiosität. Vieles, was über ihn gesagt wurde, war für ihn das Ergebnis eines lebendigen Glaubens.

Hier spielt das Elternhaus eine tragende Rolle, aber auch die Mitarbeit in der kirchlichen Jugendbewegung. Im Zweiten Weltkrieg schickte man ihn als Bordschützen und als Kriegsberichterstatter bei der Luftwaffe in eine gefährliche Situation. So hat ihn der Glaube begleitet, nicht zuletzt auch in harten Schicksalsschlägen, als zwei von den vier Kindern und vor 15 Jahren seine innig geliebte Ehefrau Helene starben. 60 Jahre sind sie miteinander treu durch das Leben gegangen.

Immer wieder hat Karl Holzamer zum Ausdruck gebracht, dass die Lebenseinstellung aus dem Glauben ihm in schwieriger Zeit geholfen hat. Tief gläubig sagte er, „dass wir alles Entscheidende in unserem Leben nur von oben erwarten können“. Deshalb hatte für ihn auf Grund eigener Erfahrung die Religion einen festen Platz in seinem eigenen Leben, aber auch im Sendeangebot des Zweiten Deutschen Fernsehens. Religion war im persönlichen Leben des Einzelnen fest verankert, aber eben auch eine öffentliche Größe.

Dies klingt noch sehr allgemein. Aber gerade die intensive Zugehörigkeit zum Verband katholischer Schüler und Studenten „Bund Neudeutschland“ brachte Karl Holzamer auch die Verbindung einer am Vorbild Jesu Christi orientierten Lebensgestaltung, der Bereitschaft zu sozialer Verantwortung und des Willens zu einer mündigen Teilnahme der Laien in der Sendung der Kirche (vgl. L. Esch, Neudeutschland, Saarbrücken 1927; Zeitschrift „Leuchtturm“ (1919-1960) und das Hirschbergprogramm 1923). Dies hat den Glauben von Karl Holzamer vertieft und stark gemacht.

So passen auch die Lesungen dieses Gottesdienstes zu seinem Leben. „Keiner von uns lebt sich selber, und keiner stirbt sich selber. Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn.“ (Röm 12,7-9). Es gibt unter uns Menschen keinen größeren Gegensatz als Leben und Sterben, mehr noch als Wasser und Feuer. Es gibt nur einen Weg, beides miteinander zu verbinden, eben das Leben mit Gott und in Jesus Christus. Dies überschreitet Leben und Tod (vgl. auch Phil 3).

Ein solches Leben kann nicht zerstört werden. Wenn wir den Eindruck haben, wir hätten uns zu sehr für andere eingesetzt und so das eigene Leben verspielt, ist es eine große Täuschung. Das Geheimnis des Weizenkorns sagt uns auch warum: „Wenn das Weizenkorn nicht in die Erde fällt und stirbt, bleibt es allein; wenn es aber stirbt, bringt es reiche Frucht. Wer an seinem Leben hängt, verliert es; wer aber sein Leben in dieser Welt gering achtet, wird es bewahren ins ewige Leben.“ (Joh 12,24 f.)

Das Geheimnis des Weizenkorns ist auch das Geheimnis des Lebens und Wirkens von Karl Holzamer. Wir verbeugen uns vor ihm und danken ihm von ganzem Herzen. Dabei sind wir gewiss, dass ihm zuteil geworden ist, was das letzte Wort des heutigen Evangeliums sagt: „Wenn einer mir dient, wird der Vater ihn ehren.“ (Joh 12,26 c) Amen

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz