Predigt zum 50-jährigen Bestehen des Partnerschaftsverbands Rheinland-Pfalz – Burgund

am 30. April 2006 im Hohen Dom zu Mainz

Datum:
Sonntag, 30. April 2006

am 30. April 2006 im Hohen Dom zu Mainz

Verehrter Herr Erzbischof, Herr Landtagspräsident,

meine sehr verehrten Damen und Herren, lieben Schwestern und Brüder im Herrn!

Viele Elemente in unserem Gottesdienst gehen unmittelbar auf die Heilige Schrift zurück. Wir spüren dies, wenn z.B. der Bischof die Messe eröffnet mit dem Friedensgruß – Der Friede sei mit Euch! Das Evangelium des heutigen Tages (Lk 24) enthält den Gruß des Auferstandenen, als er den Jüngern begegnet: Der Friede sei mit Euch! Dieser Gruß am Anfang des Gottesdienstes kommt mitten aus dem Auferstehungsgeschehen. Er hat eine große Bedeutung, allein auch schon deshalb, weil er eine neue Gemeinschaft hervorbringt. Die Jünger waren früher um den Herrn versammelt, aber in vielen von ihnen nagten doch immer auch Zweifel, ob er der Richtige ist, oder ob sie wieder einmal einem nachgelaufen sind, der es eigentlich doch nicht verdient. Jesus spürt, dass viele sich still und leise entfernen, sich zurückziehen. So sagt er auch zu den Allerengsten in seinem Kreis: Wollt auch ihr gehen? Da wird offen geredet. Wiederum ist es Petrus, der bei aller Tolpatschigkeit sonst, wenn es darauf ankommt, das Herz auf dem rechten Fleck hat und das auch gemäße Wort spricht: Herr, zu wem sollen wir gehen, du allein hast Worte ewigen Lebens!

Nach der Auferstehung, als die meisten Jünger geflohen waren und auch die Emmausjünger enttäuscht unterwegs in ihre Heimat waren, wird neu eine Gemeinschaft der Apostel um Jesus gesammelt. Da spüren auch die, die davongelaufen waren, dass sie jetzt Angst und Zweifel endgültig beiseite lassen können. Aber noch steckt die Angst in ihrem Kopf. Sie zögern daher, als sie gehört haben, der Herr sei da. Darum ist dieses Wort so ungeheuer wichtig: Der Friede sei mit Euch. Jetzt eröffnet Jesus einen Raum der neuen Gemeinschaft, jetzt ist ein Raum da, wo wirklich Versöhnung erfolgt.

Meine lieben Schwestern und Brüder, das ist sozusagen der erste Akt der Stiftung der Kirche. Es sind aber über die Kirche hinaus in die Menschheit hinein auch neue Räumen der Versöhnung eröffnet, die nicht selten mitten aus der Kirche gewachsen sind durch Frauen und Männer, die dem Evangelium gehorsam waren. Ich denke, dass hat auch etwas zu tun mit unserem Partnerschaftsverbund zwischen Burgund und Rheinland-Pfalz.

Es ist ja immer wieder erstaunlich, dass es mitten in den Wirren des Zweiten Weltkrieges Menschen gab, die in den fürchterlichsten kriegerischen Auseinandersetzungen zur Versöhnung baten. Der große Bischof Théas von Lourdes hat die bis heute in aller Welt wirksame katholische Friedensbewegung Pax Christi ins Leben gerufen. 1944/45, im schlimmsten Kanonenfeuer, hat er davon gesprochen, dass Deutsche und Franzosen sich versöhnen müssen. Auch große Theologen, die beiden Kardinäle Henri de Lubac und Yves Congar, die im Widerstand der Résistance mitgearbeitet haben, sprachen solche und ähnliche Worte.

Darum, meine lieben Schwestern und Brüder, ist dieses Wort des Friedens, das Wort von der Versöhnung, die zu unserem tiefsten Dienst gehört, nach dem Krieg von vielen Menschen gehört worden. Es ist erstaunlich, was in der ersten Hälfte der 50er Jahre an Bewegungen, an Kontakten, an Freundschaften, an Treffen zwischen dem jungen Land Rheinland-Pfalz und Burgund gewachsen ist. Da spüren wir, dass vieles doch nicht umsonst war; wir sehen, dass viele den Appell zur Versöhnung gehört haben. Nach dem offiziellen Freundschaftsvertrag vor 50 Jahren haben nach und nach - 1962, 1987 usw. – auch der Regionalrat aus Burgund, der Landtag Rheinland-Pfalz, die Regierungen, aber eben auch viele Kommunen und Städte sich zusammen getan, um die Begegnungen zu erleichtern. Auch da dürfen wir zwei Männer nicht vergessen, die 1962 den wichtigen Vertrag unterstützt haben: Ministerpräsident Peter Altmeier und der Bürgermeister von Dijon, der berühmte Canonicus Félix Kir.

Ihnen und vielen anderen bis zum heutigen Tag verdanken wir, dass diese Partnerschaft lebt, auch wenn wir nicht unmittelbare Nachbarn sind. Wir haben aber doch vieles gemeinsam, vor allem den Willen, dass das, was im Krieg geschehen ist, nie mehr so kommen möge. Es ist gleichsam ein heiliger Schwur vor Gott, der uns dann immer wieder auch zusammenführt. Ich denke, dass wir auch, gerade wenn die Bande zwischen uns gefestigt sind, hinausschauen dürfen auf die andere Seite Europas. Von Mainz aus sind Freundschaften und Partnerschaften ähnlicher Art etwa auch in Polen zu Oppeln geschlossen worden – das haben wir kürzlich gefeiert –, aber auch nach Tschechien hin in die Region Mittelelbe.

Meine lieben Schwestern und Brüder, dies gehört zu den großen Geschenken dieser letzten Jahrzehnte. Es ist gut, dass wir daraus auch Verträge geschlossen haben, Vereinbarungen formuliert und Institutionen geschaffen haben: So entstand das Haus Burgund in Mainz, das Haus Rheinland-Pfalz in Dijon, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wir sind froh und dankbar, dass die Verantwortlichen in der Politik die Sorge um diese Partnerschaft übernommen haben.

Das Wort „Der Friede sei mit Euch“ ist auf offene Ohren getroffen. Wir sind zusammen, um zu danken, aber auch, um uns sofort wieder ermahnen zu lassen, dass wir es nicht einfach bei Symbolen und Jubiläen bewenden lassen. Jede Gabe ist Aufgabe. Wir haben noch viel gemeinsam zu verwirklichen und wollen nicht vergessen, dass dieser Dienst der Versöhnung in die Mitte von Kirche und Christsein gehört. Darum wollen wir an diesem Tag Gott bitten, dass er in unserem Herzen und auch in unseren Gesellschaften all das vertreibe, was dem entgegensteht. Friede ist dann, wenn die Mauern zwischen den Menschen, die verfeindet waren, niedergerissen werden. Wir wissen es aus den großartigen Kapiteln über den Frieden im Epheserbrief. Dort wird mit aller Klarheit gesagt, dass die Mauern niedergerissen werden, dass man dafür aber auch selbst einiges investieren muss. Es wird deutlich gesagt, dass Friede eigentlich nur entsteht, wenn man sich selbst mit hineingibt und sich selbst sogar drangibt. Es ist nötig, dass man Vorurteile fallen lässt, über seinen eigenen Schatten springt, die Hand entgegenstreckt. Gott streckt zuerst seine Hand aus. So können auch wir es tun. Dann wird es ebenso irgendwann der andere tun.

Wir können das tun in seinem Geist: in dem Geist, den wir in jeder Eucharistiefeier in besonderer Weise erfahren. Der Verfasser des Epheserbriefes fasst es ganz kurz in einem Wort zusammen: Er ist unser Friede. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Leicht überarbeitete Bandabschrift 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz