Predigt zur Missa Chrismatis

am Montag, 10. April 2006, im Hohen Dom zu Mainz

Datum:
Montag, 10. April 2006

am Montag, 10. April 2006, im Hohen Dom zu Mainz

Liebe Schwestern und Brüder,

meine lieben jungen Freunde!

Wir sind Christen. Doch manchmal vergessen wir, woher eigentlich unser Namen kommt. Unser Name kommt natürlich von Jesus Christus. Aber „Christus“ ist kein Eigenname, wie wir ihn sonst tragen als unseren Eigennamen, ob Vor- oder Zuname. Sondern „Christus“ ist zunächst einmal ein Amt, ein Dienst, ein Auftrag. Christus ist die griechische Übersetzung des hebräischen Wortes Messias. Das Wort Christus hat in unserer Sprache übersetzt die Bedeutung: ein „Gesalbter“, ein „Gesandter“. Wir haben es gerade gehört in der Lesung aus dem Alten Testament. Das ist ein immer wieder ganz erstaunlicher Abschnitt. Jesus kommt in die Synagoge. Dort konnten Männer auch ein Stück der Heiligen Schrift auslegen. Jesus lässt sich die Bibel vorlegen. Dort kommt er zu der Stelle aus dem Buch des Propheten Jesaja: Der Herr hat mich gesalbt und er hat mich gesandt zu den Armen, zu den Gefangenen und zu all denen, die bedrängt und traurig sind.

Zwei Dinge gehören da eng zusammen. Es heißt: Er hat mich gesalbt und er hat mich gesandt. Salbung existiert nicht einfach so als ein Hokuspokus für den Einzelnen. Salbung, das ist nicht einfach nur eine persönliche Höherstellung; das ist nicht einfach eine ganz besondere Würde, die wir vor uns hertragen, sondern d.h. sofort auch, dass wir gesalbt und geweiht werden für die Menschen. Wir sind aus dem Menschen genommen und zu den Menschen gesandt. Meine lieben jungen Freunde, das gilt zunächst für uns alle, die wir die Taufe empfangen haben, dass wir ganz nahe bei Jesus sind, und dass wir dann auch Anteil haben an seiner Würde, an seinem Leben, an seinem Werk für uns. Wir sollen immer wieder, wenn wir den Namen Christi aussprechen, wissen, dass wir von ihm her kommen und zu ihm hin gehen. Er hat uns ausgerüstet, er hat uns ausgestattet, dass wir sein Evangelium in der ganzen Welt verkünden können.

So sind wir seine Zeugen. Das ist das Fundament, auf dem wir alle stehen. Dabei spielt zunächst keine Rolle, ob einer Papst ist oder andere Bischöfe oder Ordensleute sind, Männer oder Frauen. Entscheidend ist, dass wir als Christen auf diesem gemeinsamen Boden stehen. Weil es so viele Aufgaben gibt, weil wir überallhin gesandt sind, deshalb gibt es auch verschiedenen Dienste und Ämter in der Kirche. Deshalb hat jeder von uns, ob er jung oder alt ist, auch die Aufgabe, da, wo er lebt, da, wo er wirkt, dieses Zeugnis für das Evangelium zu geben. Dafür erhalten wir auch eine besondere Hilfe, dafür werden wir ausgestattet. Von alters her ist dies bei vielen Völkern und Religionen, ganz besonders im Alten Testament, auch die Salbung. Öl, erst recht heiliges, geweihtes Öl gibt nach der Überzeugung der Menschen eine besondere Kraft. Viele unserer heutigen Medikamente und Heilmittel sind immer noch auf der Basis von Olivenöl hergestellt. Auch die Kämpfer bei den Olympischen Spielen, schon viele Jahrhunderte vor Jesus Christus, haben ihre Kraft durch, dass sie ihren Körper immer wieder bis in den Beginn des Kampfes hinein mit diesem Öl eingerieben haben. So ist dieses Öl in vielfacher Hinsicht schon in der Schöpfung und in unserer Alltagswelt ein Zeichen für die Kraft, die wir brauchen, und die wir in unserem Glauben von Jesus Christus erhalten, indem wir gegen alle Widerstände aus uns selber und aus unserer Umgebung die Kraft haben zum Zeugnis.

So brauchen wir nicht einfach bei Schwierigkeiten davonzulaufen. Wir können wirklich auch Widerstand leisten, weil wir wissen, dass wir etwas zu sagen haben, was allen Einsatz lohnt. Das gilt zunächst für uns alle, und deswegen sind wir hier und gehen am Sonntag immer wieder auch in die Eucharistiefeier, in den Gottesdienst, um aus diesem Geist Jesu Christi zu tanken. Aus dieser gemeinsamen Feier können wir uns ertüchtigen und ermutigen lassen zu diesem Zeugnis, auch im Wissen, dass wir bei aller Verantwortung, die der Einzelne hat, nicht einfach allein sind, sondern dass uns auch unsere Gemeinschaft, unsere weltweite Gemeinschaft, stark macht und wir dadurch füreinander eintreten.

Es gibt in diesem geheiligten Volk Gottes verschiedene Dienste und Ämter. Da gibt es die Gnadengaben. Jeder hat eine Gabe, die ihn besonders auszeichnet. Das hängt mit der Würde eines jeden Menschen zusammen, mit seinem eigenen Namen, mit seinen Talenten, mit dem, was ihm geschenkt worden ist, mit dem, was er entfalten kann: Ob das in der Ehe, in der Familie, in den verschiedenen Berufen ist, aber auch dann, wenn wir ein Ehrenamt ausüben an verschiedener Stelle in unserem Leben, nicht zuletzt auch in der Pfarrgemeinde, in der Kirche.

Es gibt unter diesen Diensten und Ämtern, und das wollten wir in diesem Jahr auch besonders bedenken, den Dienst des Priesters. Wenn wir diesen Dienst des Priesters heute hineinstellen in unsere Feier, dann sehen wir daran ganz besonders, dass es nicht zuerst darauf ankommt, dass ein Mensch in besonderer Weise herausgenommen wird aus allen, und über alle erhoben wird, sozusagen zum heiligen Mann. Sondern bei aller Würde die er erhält ist ihm dies gegeben, damit er das Evangelium aller Welt verkündet. Er ist wirklich ausgestattet mit der Salbung Jesu Christi, um dieses Zeugnis zu bringen. Er tut dies, indem er sein Wort verkündet, indem er die gemeinsame Eucharistiefeier der Gemeinde leitet, indem er die Menschen begleitet in allen Lebenslagen, von der Geburt bis in den Tod, den Einzelnen und die Familien. Der Priester hat nicht zuletzt auch gerade dadurch den Auftrag, dass er immer wieder von dieser Salbung her, wofür er instand gesetzt wird, hinausgeht an die Hecken und Zäune, zu den Menschen, die noch fern sind von uns, aber auch die, die in unserer Nähe sind und uns zunächst einmal nicht zu brauchen scheinen. Auch sie warten auf so etwas wie Glauben, Hoffnung und Liebe. Dies dürfen wir ihnen bringen.

Meine lieben Schwestern und Brüder, die Kirche braucht diesen Dienst. Sie braucht diesen Dienst um ihren Grundauftrag ausführen zu können. In dieser Woche, der Karwoche, spüren wir ganz besonders, woher die Kirche kommt. Schon das Johannesevangelium sagt, dass nach dem Tod Jesu aus seiner Seite Blut und Wasser fließt. In der ganzen Geschichte der Kirche hat man dies auch so verstanden: Aus dem Tod Jesu für alle entspringen wie aus einer tiefen Quelle die Kirche und die Sakramente, die Zeichen des Heils. Sein Tod, indem er sein Leben hingibt, ist für uns alle zur Quelle des Heiles geworden. Diese Quelle kommt aus der Hingabe seines Lebens für uns alle. Das ist der neue Sinn des Priestertums, den er uns geschenkt hat. Er schenkt dies allen, aber in ganz besonderer Weise auch denen, die den Auftrag haben, die Frucht seines Lebens und seines Sterbens für uns alle auszuteilen an die Menschen. Darum haben wir gerade auch am Gründonnerstag mit der Einsetzung der Eucharistie auch die Einsetzung des priesterlichen Dienstes im Abendmahlssaa. Denn das, was Jesus für uns tut, das soll ja nun wirklich auch an alle Welt gegeben werden. Dafür braucht es die vielen Dienste und Ämter und ganz besonders diesen Dienst des Priesters. Es ist der Dienst der Versöhnung, der Dienst, die Gemeinschaft der Glaubenden immer wieder zu versammeln zum heiligen Mahl. Dafür wird der Priester in der Priesterweihe gesalbt, so wie Jesus von sich sagen kann: Der Geist des Herr ruht auf mir, er hat mich gesalbt.

Das wird aber immer so verstanden, dass diese Salbung ganz eng verbunden ist mit der Sendung. Da dürfen wir nicht einfach nur bei uns allein bleiben. Da dürfen wir nicht diese Würde vor uns hertragen, sondern das heißt zuerst und entscheidend, dass wir instandgesetzt sind und ausgerichtet, damit wir hinausgehen. So können wir wirklich das, was uns selbst wertvoll ist, der Welt sagen. Glaube, Hoffnung und Liebe den Menschen mitzuteilen, ist letztlich und ganz entscheidend der Dienst des Priesters.

Meine lieben Schwestern und Brüder, meine lieben jungen Freunde! Deswegen wollen wir an diesem Tag auch beten, dass Gott uns immer wieder Menschen schenkt, die den Mut haben, diesen Weg zu gehen. Ich bin auch ganz sicher, dass auch unter euch einige sind, die dazu eine Bereitschaft verspüren. Vielleicht fangen sie gerade in diesen Tagen ein bisschen etwas von den Feuerfunken, einmal auf diesem Weg zu gehen: Sei es, dass sie zuerst ein wenig suchen und schnuppern. So wollen wir den Herrn der Kirche bitten, dass er Arbeiter in seine Ernte sende, dass er uns allen Mut mache. Der Priester braucht vor allem auch den Mut und die Unterstützung all derer, die mit ihm glauben. Sie müssen ihn ermutigen, sie müssen ihm immer wieder deutlich machen: Wir brauchen dich, wir brauchen Leute wie dich. Wir gehen mit dir, wir tragen dich mit, auch wenn es einmal schwer werden sollte für dich.

Meine lieben jungen Freunde! So sind wir, wenn wir in diesem Jahr besonders über das Priestertum sprechen, ganz nahe bei uns selbst. Das ist nicht irgendein fernes Thema, sondern wir sind zuerst verbunden durch Jesus Christus, dem Gesalbten schlechthin. Weil es ihn gibt, und weil er uns ruft, gehören wir zusammen, brauchen wir den Dienst des Priesters. Darum sind wir in ganz besonderer Weise froh über unseren Glauben. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz