Romhörigkeit?

Auf ein Wort

Datum:
Montag, 1. März 1999

Auf ein Wort

Eine weitere Runde in der endgültigen Entscheidung um die Schwangerschaftskonfliktberatung ist bei der Frühjahrs-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz in Lingen Ende Februar abgeschlossen worden. In dem streckenweise überraschend positiven Echo, gerade auch von der Kirche eher fremden Medien, finden sich natürlich immer noch Mißverständnisse. Ich bin deshalb froh, daß die Bischofskonferenz den Bericht der Arbeitsgruppe veröffentlicht hat, so daß nicht nur Geheimniskrämerei und Jagd auf Geheimpapiere entfallen, sondern man seriös die konkreten Überlegungen nachvollziehen kann. Die Argumente des Berichts werden nicht leicht zu widerlegen sein. Wohl auch deshalb beschäftigen sich manche lieber gar nicht damit.

Ich will darauf und auf manches andere jedoch nicht zurückkommen, vielmehr geht es mir um die Würdigung der Beschlußlage von Lingen. Die Meinungen in der Presse sind dafür aufschlußreich. Auf der einen Seite ist von quälender Auseinandersetzung, einem unverbindlichem Votum, mangelnder Courage, Kniefall vor dem Vatikan und Romhörigkeit die Rede. Die Bischofskonferenz erkläre sich für bedeutungslos und gebe den Fall nach oben. Dies sei ein unerträgliches Maß an Heuchelei. Die Bischöfe hätten den Demokratie-Test nicht bestanden. „Erst müssen die braven Buben den Papa fragen." Natürlich gibt es auch die Gegenseite. Die Haltung der Bischöfe sei nichts anderes als Rebellion, ein offener Schlag ins Gesicht des Papstes, reine Zeitverschwendung und Aufschiebetaktik. So etwas sei in diesem Jahrhundert dem Papst bisher nicht angetan worden. Kirchenpolitisch eher linksgerichtete Kreise bezeichnen den neuen Beratungs- und Hilfeplan als Mogelpackung, rechtsaußen spricht man von einem bloßen Merkzettel. Wieder einmal berühren sich die Extreme.

 

Was ist in Wirklichkeit geschehen? Die deutschen Bischöfe haben entgegen allem Anschein und trotz vieler anderslautender Behauptungen entschieden. Sie haben sehr eindeutig ihre Meinungsbildung vollzogen und sie durch eine an Deutlichkeit nichts offenlassende Abstimmung kenntlich gemacht. Wir haben damit - ganz unabhängig davon, was wir für eine Antwort bekommen - die dringliche Bitte des Papstes vom 11. Januar 1998 erfüllt. Wenn der Papst selbst in einer ernsten Angelegenheit der Kirche Stellung bezieht und uns fragt, verdient er zunächst eine gründliche und verläßliche Antwort. Wir bauen darauf, daß der Papst und seine Mitarbeiter die Sachkenntnis, die Umsicht und die Sensibilität des Berichtes der Arbeitsgruppe und der Meinungsbildung der Bischofskonferenz zu würdigen wissen. Es ist aufschlußreich, wer jetzt öffentlich dem Hl. Vater und Kardinal Ratzinger („Offener Brief") fast erpresserisch vorschreiben will, wie sie zu entscheiden haben.

 

In der katholischen Kirche stehen die Bischöfe, auch wenn sie eine ureigene Aufgabe haben, stets in Einheit, d.h. auch im Dialog mit dem Papst. Wir danken Papst Johannes Paul II, daß er sich seit Jahren auf dieses ernsthafte Ringen um den besseren Weg der Schwangerenkonfliktberatung eingelassen hat. Dies ist Zeichen einer lebendigen Kirche. Dabei geht es nicht nur um die Autorität des Nachfolgers Petri für die ganze Kirche (nicht nur für die Bischöfe!), sondern auch um den Austausch von Einsichten und Reflexionen, Fragen und Bedenken zu einem vergleichsweise einzigartigen Weg im Raum einer weltumspannenden Kirche, wo in einer gewichtigen Sache heute schnell auch Auswirkungen auf andere zu beachten sind. So klar die Bischöfe ihre Meinung formuliert haben, so klar bekennen sie sich zu dieser Struktur der Kirche. Von „Romhörigkeit" zu reden ist deshalb ziemlich dumm. Wir sind loyal und auch - seltenes Wort heute - gehorsam, aber keine Kriecher und keine Marionetten.

 

Dabei haben wir nie - dies kann ich nur andeuten - die vielfache Not einzelner schwangerer Frauen aus dem Auge verloren, sondern sie ist und bleibt ein entscheidendes Motiv für unsere Vorschläge.

 

Wir sind also durchaus zum Konsens fähig, wenn dies auch nicht Einstimmigkeit heißen muß. Es ist auch gelungen, ziemlich widerstrebende Eckpunkte zu einem inhaltlichen Konzept und zu einem zielgerichteten Handeln zusammenzubringen. Man spürt, wie schwer es manchem fällt, katholisch (d.h. umfassend) zu denken. Nicht selten geschieht dies leider auch von Menschen in der Kirche selbst. Um so nützlicher könnte dieser Ernstfall für diese Probe lebendigen Kircheseins werden. Es ist nie zu spät. Man kann immer noch lernen.

 

© Bischof Karl Lehmann, Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz