Rückkehr der Religion? Von der Ambivalenz eines zeitdiagnostischen Schlagwortes

Stiftungsprofessur der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz Eröffnung am 28. April 2009 in Mainz - Erste Vorlesung

Datum:
Dienstag, 28. April 2009

Stiftungsprofessur der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz Eröffnung am 28. April 2009 in Mainz - Erste Vorlesung

I.

Es gibt immer wieder Stichworte, die manchmal zu Schlagworten werden, und versuchen, die geschichtlich-gesellschaftliche Situation einer bestimmten Zeit plausibel zusammenzufassen. Zu diesen Parolen gehört seit einiger Zeit auch das Stichwort „Rückkehr der Religion" (mit oder ohne Fragezeichen). Es gibt inzwischen eine ganze Bibliothek von Veröffentlichungen dieses Tenors und dieser Ausrichtung. Ich nenne nur auswahlhaft einige entsprechende Titel: „Die Wiederkehr der Götter"[1], „Religion im Aufwind"[2], „Der Drang zum Spirituellen"[3]. Einige wollen dabei entdecken, wie mächtig der Glaube immer noch ist.[4] Andere beobachten diesen Aufwind für Religion mit großer Skepsis. Sie erscheint weniger als lebensbestimmende Macht für den Einzelnen, noch ist sie verbindlich als gesellschaftlicher Rahmen. Religion wird zu anderen Zwecken instrumentalisiert.[5] Deswegen ist manche Charakteristik auch von Anfang an negativ, wenn vom „Dschungel" der neuen Religiosität oder auch von der „vagabundierenden Religiosität" die Rede ist. Viele sehen in dem Trend vor allem eine Wiederbelebung der Esoterik. Vor diesem Hintergrund wird die Religionsgeschichte nach allen möglichen religiösen Antworten durchstöbert.[6] Es gibt geradezu Enzyklopädien, die diesen Aufbruch zu einer neuen Religiosität zu ordnen und zu sortieren suchen.[7] Ein erfahrener Journalist beginnt sein Buch „Gott ist verrückt" mit den Worten: „Ein Gespenst geht um in Europa. Das Gespenst der Religion. Die illiberal gewordenen Liberalen aller Länder jagen es. Ein neues Zeitalter der Religionsfeindschaft bricht an, weil ein neues Zeitalter der Religionsfreundschaft anbricht."[8]

Schon vor Jahrzehnten, als von einem solchen Aufbruch kaum die Rede war, prophezeiten manche, dass die Zukunft eine erneute Diskussion und Auseinandersetzung, ja eine Rehabilitation der Religion bringe. Manche sehen nun diese Prognose erfüllt. So formuliert Wolfgang Weimer, Herausgeber der Zeitschrift CICERO: „Das 21. Jahrhundert wird ein Zeitalter der Religion. Gott kehrt zurück, und zwar mit Macht - im doppelten Sinne des Wortes. Nicht nur als philosophische Kategorie, revitalisierte Tradition, theologische Überzeugung oder spirituelle Kraft. Er kommt mitten hinein in den politischen Raum. Dieser Traktat vertritt die These, dass sich der Säkularisierungsprozess umkehren wird. Wir gehen vom postmodernen ins neoreligiöse Zeitalter."[9]

In den Kirchen beobachtete man zwar intensiv diese Phänomene neuer Religiosität. Man hat dies beim Erscheinen der „Jugendreligionen" schon registriert und analysiert. Die Skepsis ist hier unübersehbar, vor allem die starke Betonung religiöser Gefühle und Sehnsüchte stimmt bedenklich. Aus der Tatsache, dass sich Religion heute wieder verstärkt als ein Bedürfnis des Menschen zeigt, folgt noch nicht die Akzeptanz der Wahrheit des Glaubens. Wenn Religion in so hohem Maße als ein Bedürfnis nach dem Gefühl von Religion verstanden wird, ist dies in besonderer Weise schädlich. In diesem Sinne gibt es auch eine gehörige Portion Zurückhaltung über die Faszination des Religiösen.[10]

Viele Menschen suchen heute eine Neuorientierung in fremden Religionen, in Mystik und Esoterik.[11] Es gibt einen fast unüberschaubaren „Markt" an religiösen Sinnangeboten. Steuern wir auf eine postmoderne „Beliebigkeit" auch in der Religion zu? Wieweit ist ein Dialog möglich? Und wo sind klare Abgrenzungen nötig, um eine humane Lebenswelt nicht zu gefährden? Hinter diesem Aufbruch stehen natürlich viele oft sich widersprechende Tendenzen. Auch die moderne Welt erscheint bei diesem breiten Spektrum von „Religion" als eine religiös geprägte Welt. Viele Götter leben unter uns. Es gibt viele religiöse Glaubensformen und Sprachmuster, die bei allen Transformationen einen religiösen Ursprung und eine erstaunliche Beharrungskraft aufweisen. So gebe es eine ungeschriebene Religionsgeschichte der Moderne. Die Langlebigkeit religiöser Traditionen und deren neue öffentliche Macht reizen die Wissenschaft selbst wieder an, dem Sinn und dem Heilsversprechen von Religion nachzugehen.[12]

Es ist ja unübersehbar, dass diese „Rückkehr der Religion" im Lauf der letzten Jahrhunderte und Jahrzehnte immer wieder beschworen worden ist, und zwar in ganz unterschiedlicher Richtung. In diesem Sinn muss die neue Aufmerksamkeit für Religion gerade im medialen Zeitalter sorgfältig und kritisch analysiert werden.[13] Es ist selbstverständlich, dass dieses neue Interesse für Religion und der „Drang zum Spirituellen" in Verbindung erscheint mit der Erstarkung religiöser Motive im Zusammenhang mit der unvergleichlichen Gewaltanwendung, wie dies besonders durch die Ereignisse des 11. September 2001 an den Tag kam. So geriet das Thema „Gewalt in den Weltreligionen"[14] in das Zentrum der Diskussion über eine „Rückkehr der Religion". Daraus entsteht natürlich auch gerade angesichts der religiösen Vielfalt die Rückfrage: Wie viel Religion braucht unsere Gesellschaft? Braucht unsere Gesellschaft Religion?[15]
Es ist freilich auch zusehends erkennbar, dass mit dieser Tendenz einer „Rückkehr der Religion" die Bestreitung von Religion überhaupt neu wächst. Dies gilt nicht nur für einzelne Menschen, sondern auch für eine institutionelle Verbindung antireligiöser oder wenigstens religionskritischer Kräfte. So spricht man z.B. von den „neuen Atheismen". Bezeichnend für diese Strömung ist das Buch von R. Dawkins „Der Gotteswahn"[16]. Es ist jedoch ein gutes Zeichen der gesellschaftlichen Debatte, dass eine Reihe von Theologen rasch die Diskussion darüber in eigenen Veröffentlichungen aufgenommen hat, so etwa der Berliner evangelische Theologe und bekannte Politiker Richard Schröder: Abschaffung der Religion? Wissenschaftlicher Fanatismus und die Folgen.[17] Wir stehen mitten in dieser Auseinandersetzung.[18]

II.
Das Stichwort „Rückkehr der Religion" bzw. „Rückkehr der Götter" ist vor allem deshalb so verblüffend, weil die fortschreitende Säkularisierung als eine entscheidende Signatur unserer Zeit galt. In vieler Hinsicht wurde ja nicht nur der „Tod Gottes", sondern auch das Absterben der Religion prophezeit. Dies war eine fast selbstverständliche Voraussetzung der modernen Zeitdiagnose. Freilich gab es immer wieder in der Neuzeit die Renaissance einer neuen Mythologie, durch welche z.B. die vertriebenen Götter der Antike in die Geschichtswelt des Christentums und in die jeweilige Gegenwart zurückgeholt werden konnten und sollten.[19] Aber es besteht auch kein Zweifel, dass dies in hohem Maß ein ästhetischer Prozess war, der die reale Welt und Gesellschaft wenig veränderte.

Jedenfalls kam es nicht zu dem viel beschworenen Absterben von Religion überhaupt. In dieser Erwartung wurde die kommunistische Ideologie enttäuscht, die den Atheismus gewaltsam durchzusetzen versuchte. Aber die Phänomene der „Rückkehr der Religion" widerlegten auf ihre Weise eine weitgehend unbesehene Voraussetzung der Säkularisierungstheorien. Dabei wurde wenig erörtert, wo denn die Dynamik der Säkularisierung überhaupt an ein Ziel gelangen könnte. Ich habe unter Aufnahme wichtiger religionssoziologischer Untersuchungen vor allem auch aus den USA diese Fragen schon zu Beginn der 70er Jahre gestellt.[20] In diesem Sinne wurde „Säkularisierung" schon seit längerer Zeit, wenn auch nicht mit großer Beachtung, als zureichende Interpretationskategorie unserer Zeit infrage gestellt.[21] Besonders die Frage nach der Irreversibilität des Säkularisierungsprozesses stand dabei im Vordergrund.[22]

Nun besteht auch kein Zweifel, dass die Wiederaufnahme einiger religiös orientierter Fragen und Sehnsüchte selbst oft nur eine flüchtige Erscheinung war; wenn sie, wie am 11. September 2001 oder bei der Überschwemmungskatastrophe in Südostasien 2004/2005 die Menschen zwar tiefer anrührte, so war es eben doch bei aller neuen Aufmerksamkeit ein vorübergehender Trend, der sich im Sinne einer wirklichen „Rückkehr" von Religion nicht durchsetzen konnte und bald wieder verebbte. In diesem Sinne war diese „Rückkehr der Götter" immer auch in Gefahr, vielleicht zwar einen momentanen „Megatrend Religion" zum Ausdruck zu bringen, gleichzeitig war aber die Verbindung dieser religiösen Motive zum Zeitgeist in einer fragilen Synthese offenkundig.

In diesem Zusammenhang darf auch nicht übersehen werden, wie wir heute den Begriff der Religion verwenden. Der gegenwärtige Gebrauch des Wortes „Religion" ist ja auch durch die Neuzeit mit ihren Transformationen hindurchgegangen. Ursprünglich bezog sich der Begriff Religion stärker auf den konkreten Vollzug religiöser Überzeugungen, auf eine bestimmte Praxis und auch auf die Treue zu dem überkommenen Glauben.[23] Nun wurde der Religionsbegriff grundlegend ausgeweitet, universal und abstrakt. Durch diese Ablösung vom konkreten Phänomen wurde der abstrakte und weite Begriff der Religion nun auch in sehr verschiedener Weise auffüllbar und offen für Phänomene, die bis zu Pervertierungen von Religion reichten. Wir kommen nochmals darauf zurück.

Dies wiederum war ein wichtiger Grund, warum Teile besonders der evangelischen Theologie zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Religionskritik der Neuzeit aufgriffen und zum Teil in die Theologie aufgenommen haben. So hat Karl Barth Religion als Eigensinnigkeit und Eigenmächtigkeit gegenüber dem wirklichen Geheimnis des Glaubens und besonders der biblischen Offenbarung verstanden. Sie ist „Widerstand" gegen die Offenbarung Gottes. Deshalb läuft sie auf „Götzendienst und Werkgerechtigkeit" hinaus. So war für Karl Barth in Anlehnung an Feuerbach Religion Ausdruck der Angst und der Selbstmächtigkeit des Menschen.[24]

Diese neuzeitspezifische Fassung des Religionsbegriffes hat in gewisser Weise auch eine konkrete Unfasslichkeit und Unbrauchbarkeit für die gelebte Religion mit sich gebracht. Dieser Prozess hat sich auch deshalb stabilisiert, weil aus verschiedenen Gründen die Entfaltung einer Theologie der nichtchristlichen Religionen im Bereich des Christentums selbst zu einer solchen universalen Verwendung des Religionsbegriffes notwenig war oder mindestens notwendig erschien. Der interreligiöse Dialog muss sich jedoch besonders sorgen, keinen allzu ausgezehrten und gehaltlosen Begriff von Religion zu verwenden. Erschwert wird dies freilich auch dadurch, dass der heutige Religionsbegriff bei der hochgradigen Mobilität und den Austauschbeziehungen zwischen den Gesellschaften und Kulturen rasch andere Elemente, besonders anderer und fremdartiger Religionen aufnimmt und mit dem Ureigenen verbindet. Deswegen redet man gerne vom modernen Synkretismus und dem „Schmelztiegel der Religionen heute".[25]
Als Zwischenergebnis kann festgehalten werden: Jedenfalls hat die Destruktion vieler religiöser Gewissheiten im Lauf der Neuzeit nicht zugleich auch alle Fragen aus der Welt schaffen können, auf die religiöse Aussagen eine Antwort waren. Religion besteht fort - auch nach ihrem Ende als „Trostmittel" und nach ihrem Ende als metaphysisches Bindeglied der Gesellschaft. Dass die Moderne von der Religion einmal ganz loskommen könnte, gehört zu den Illusionen der Moderne selbst.[26] Spätestens durch die verschiedenen Äußerungen von J. Habermas ist diese erneuerte Frage nach der Religion sehr viel manifester geworden.[27] Ich verweise zur weiteren Analyse auf die nächste Vorlesung von H. Joas.

III.
Ich muss nochmals auf die Verwendung des Religionsbegriffs zurückkommen. Die Anwendung des Religionsbegriffs ist nämlich keineswegs so selbstverständlich, wie dies im ersten Augenblick erscheinen kann. Wir sind - wie schon erwähnt - an den Allgemeinbegriff von Religion gewöhnt. In Wirklichkeit geht die damit verbundene spezifische Bedeutung auf das 17. Jahrhundert zurück. Dieser Begriff von Religion ist an der Überzeugung von der Existenz einer „natürlichen Theologie" orientiert, die nach der damaligen Überzeugung zur geschöpflichen Wirklichkeit des Menschen gehört. Der Begriff der Religion wurde so in Abhängigkeit von dieser natürlichen Theologie der Philosophen konzipiert. Dieser Unterordnung ist seit dem Ende des 18. Jahrhunderts der Boden entzogen worden. David Hume hat die Behauptung aufgestellt, dass am Anfang nicht der monotheistische Glaube einer „religio naturalis" stehe, sondern die Verehrung einer Vielheit von Naturmächten. Schleiermacher ging in seiner berühmten Schrift „Über die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern" aus dem Jahre 1799 noch darüber hinaus, indem er die natürliche Theologie und Religion als Produkt philosophischer Reflexion auf das Gemeinsame in den Religionen betrachtete. Dies gilt besonders für die am höchsten entwickelten Stufe, nämlich die monotheistischen Religionen. Damit erwies sich die Pluralität der Religionen als ein ursprüngliches Datum des religiösen Lebens. Dadurch musste nun auch die Wahrheit der christlichen Offenbarung neu begründet werden. In Hegels Religionsphilosophie galt das Christentum als absolute Religion, weil in ihm der Begriff der Religion - nämlich die Vermittlung von Endlichem und Unendlichem - zum Inhalt der Religion selbst geworden sei. Ähnlich hatte Schleiermacher in der fünften Rede über die Religion das Christentum als „Religion der Religion" charakterisiert. Mit dem Vordringen der empirischen und historischen Religionsforschung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde eine solche Argumentation für die sogenannte Absolutheit des Christentums aus dem Begriff von Religion immer schwieriger. E. Troeltsch[28] erblickte im Christentum im Kontext der vielen Religionsformen so etwas wie eine „Höchstgeltung", eine zentrale Zusammenfassung und eine Konvergenz aller erkennbaren Entwicklungsrichtungen der Religion.

Mit dem Einfluss der religionsgeschichtlichen, der ethno-soziologischen und kulturanalytischen Forschungsmethoden bildeten sich neue Theorien im Blick auf das Ganze des Phänomens Religion heraus.[29] Dabei wurde immer deutlicher, wie sehr die Religion die Gemeinschaft als ein ganzes für die Aufrechterhaltung moralischer Normen und der gesellschaftlichen Ordnung braucht. Dies führte zu einer immer stärker funktionalen Betrachtung der Religion.[30]

Bei dieser Betrachtungsweise scheint der christliche Glaube, aber auch jede Religion nur als eine Form menschlicher Erfahrung und menschlichen Bewusstseins in den Blick zu kommen. Dies wird besonders deutlich am Vordringen des Begriffs Religiosität, der weitgehend einen bestimmten psycho-sozialen Verhaltenskomplex beschreibt. Religiosität rückt so in die Nähe von Moralität und wird als Disposition für bestimmte Handlungsweisen verstanden (Fichte, Herder, Schlegel und Kant). Bei anderen wird Religiosität streng von der Moral abgegrenzt und als eine bestimmte emotionale Verfassung begriffen (Humboldt, Schleiermacher, Simmel).

Gleichzeitig gibt es den Versuch, der Religion den ihr eigenen Ort im Kontext der antiken wie auch der bis heute existierenden Religionen zuzuweisen. Dies geschieht durch den Begriff des „Heiligen". Es wurde vor allem auch im Zusammenhang der phänomenologischen Methode im Anschluss an Husserl versucht.[31] Die große Bedeutung dieser insgesamt zu wenig rezipierten Forschungen, die man heute auch mit dem frühen M. Heidegger verbinden kann,[32] liegt darin, dass die eigene und besondere Hinordnung des Menschen auf einen rational nicht ganz einholbaren, jedoch erhellbaren, unverrückbar geltenden Sinngrund bleibende Voraussetzung für die Möglichkeit einer Begegnung mit einer weltjenseitigen personalen Größe ist. Die verschiedenen Ausdrucksformen fügen sich in den letztgültigen Bezug des Menschen zur personal gedeuteten und verstandenen unbedingten Transzendenz bzw. zum bestimmten personalen Sein des sich selbst enthüllenden Gottes.[33]
Es war längst zu erwarten, dass sich theologischer Widerstand rührt gegen eine mehr und mehr anthroprozentrische Konzeption der Religion. Religion hatte ihre Herkunft von einem transzendenten Ursprung, als Wirkung göttlicher Offenbarung und ihre Priorität vom Göttlichen her weitgehend verloren. Pointiertester Vertreter dieser anthropozentrischen, kritischen Religionsdeutung war Ludwig Feuerbach, der in der Religion weitgehend eine menschliche Projektion und eine Entfremdung des Menschen sah, der sein eigenes Wesen außerhalb seiner fiktiv verdoppelt und verschleudert. Es war vor allem - wie wir schon kurz darlegten - Karl Barth, der vom Römerbrief bis zur Kirchlichen Dogmatik gegen diesen Religionsbegriff ankämpfte. Diese menschliche Religion entpuppt sich als Eigenmacht des Menschen, der immer mehr zum Schöpfer Gottes wird. Religion ist darum Götzendienst und Werkgerechtigkeit. In ihr erweist sich der Widerspruch des Menschen zu Gott, geradezu der Unglaube. Mehr und mehr wird der Begriff der Offenbarung zur Gegeninstanz gegenüber der Religion. Man kann von Barths theologiegeschichtlichem Ort aus diese kritische Entgegensetzung in der damaligen Situation verstehen, aber letztlich ist es auch gegenüber den religiösen Lebenserscheinungen und Ausdrucksformen gewaltsam, den Begriff der Offenbarung gegen den der Religion auszuspielen.[34] Am Ende kann man auch nicht von Religion im Plural reden, wenn man den Singular verneint oder ihn umgeht. Es gibt Gemeinsamkeiten in den einzelnen Religionen, die auch die Religionswissenschaft entdecken kann.[35]

In diesem Zusammenhang ist es gewiss nützlich, eine lockere, den religionsgeschichtlichen Fakten gerecht werdende Beschreibung zu verwenden, die sich nicht scheut, auch alltagssprachliche Elemente zu verwenden. Dies ist nach meinem Urteil wohl gut gelungen in dem Dekret des Zweiten Vatikanischen Konzils „Nostra aetate" über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. Der Text bezieht sich zunächst, nämlich bevor die einzelnen Religionen in ihrer Beziehung zum Christentum skizziert werden, auf die fundamentale Gemeinsamkeit. So heißt es im Vorwort (Art. 1): „Die Menschen erwarten von den verschiedenen Religionen Antwort auf die ungelösten Rätsel des menschlichen Daseins, die heute wie von je die Herzen der Menschen im tiefsten bewegen: Was ist der Mensch? Was ist Sinn und Ziel unseres Lebens? Was ist das Gute, was die Sünde? Woher kommt das Leid, und welchen Sinn hat es? Was ist der Weg zum wahren Glück? Was ist der Tod, das Gericht und die Vergeltung nach dem Tode? Und schließlich: Was ist jenes letzte und unsagbare Geheimnis unserer Existenz, aus dem wir kommen und wohin wir gehen?" Dabei kann das Konzil bereits „bei den verschiedenen Völkern eine gewisse Wahrnehmung jener verborgenen Macht (finden), die dem Lauf der Welt und den Ereignissen des menschlichen Lebens gegenwärtig ist ... Diese Wahrnehmung und Anerkenntnis durchtränkt ihr Leben mit einem tiefen religiösen Sinn. Im Zusammenhang mit dem Fortschreiten der Kultur suchen die Religionen mit genaueren Begriffen und in einer mehr durchgebildeten Sprache Antwort auf die gleichen Fragen." (NA 2) Die Religionen sind überall bemüht, „der Unruhe des menschlichen Herzens auf verschiedene Weise zu begegnen, indem sie Wege weisen, Lehren und Lebensregeln sowie auch heilige Riten."[36]

IV.
Damit ist deutlich geworden, dass es selbstverständlich eine vielfache Infragestellung von Religion gibt, weil sie sich als Helfershelfer gesellschaftlich-politischer Mächte oder als Denkmantel gesellschaftlicher Interessen in Dienst stellen ließ, ob dies unbeabsichtigt erfolgte oder auch ein mehr oder minder deutliches Einvernehmen einschloss. Ich brauche an dieser Stelle den Prozess der Religionskritik nicht im Einzelnen darzulegen.[37]

Von da aus ist es nicht unwichtig, einen Blick zu lenken auf die Verneinung von Religion und von religiöser Praxis durch gewisse Religionen selbst. Das Alte wie das Neue Testament und die Kirchenväter sahen in den anderen Religionen neben positiveren Aussagen auch Irrglauben und Aberglauben, Lug und Trug, dämonische Nachäffung wahrer Religion, teuflisches Blendwerk, Hybris, Verblendung des Herzens und ethische Verkommenheit. Sie sind so etwas wie eine Verkehrung der Schöpfungsordnung. Der biblische Glaube erkennt keineswegs alles, was sich irgendwie als „religiös" ausgibt, schon darum als heilsbedeutsam an. Er weiß durchaus um die verschiedenen Gestalten und Verwandlungen des Religiösen. Das Christentum kennt auch ein entschiedenes Nein zu den Religionen und sieht in ihnen Hilfsmittel, mit denen der Mensch sich selbst gegen Gott absichert, anstatt sich seinem Anspruch auszuliefern. Erinnern wir uns nur der Verspottung fremder Religionen im Alten Testament. „Jahwe steht nicht in einer Reihe mit anderen Göttern. Da alle anderen Götter nur Götzen sind, ist Jahwe intolerant. Da er intolerant ist, sind alle Götter nur Götzen. Sie lösen sich in ‚Nichts‘ auf, wenn und sobald sie mit Jahwe konfrontiert werden, welche Konfrontation auch der Spott auf eine eminent jahwegemäße Weise vollzieht. Toleranz wird um der Eigenart des Gottes willen, die man bewahren möchte, nicht geübt; denn der Kampf Jahwes gegen die Götzen, zu dem auch der Spott gehört, ist Teil seines Selbsterweises und seiner Selbstdurchsetzung"[38].

Paulus sagt es im Neuen Testament sehr differenziert, dass nämlich die Menschen die Wahrheit Gottes zwar erkennen, sie aber nicht anerkannt haben. Sie haben den Glanz der Wahrheit niedergehalten und die Herrlichkeit Gottes götzendienerisch mit bloßen Bildern von vergänglichen Menschen und Tieren vertauscht. Anstelle des Schöpfers haben sie Geschöpfen Verehrung und Anbetung erwiesen (Röm 1,18ff.; 2).[39] Diese Sicht der Religion hat - wie schon angedeutet - bekanntlich in der dialektischen Theologie des letzten Jahrhunderts eine negative Verschärfung erhalten.[40] Religion erschien mit Ethik, Moral und Gesetz als raffinierteste Form der Selbstrechtfertigung, der Werkgerechtigkeit, als Versuch des Menschen, von sich aus und allein mit seinen Kräften, manipulierend und magieähnlich, zu Gott zu gelangen. Letztlich ist sie gerade eine Umgehung des göttlichen Gottes und der Versuch einer Selbsterlösung. Der Religionsbegriff wurde so ganz unfähig, überhaupt angewendet zu werden auf den christlichen Glauben.

Eine weitere Nuance der Religionskritik hat D. Bonhoeffer diesem Gedanken Karl Barths gegeben: „Religion" zeichnet sich gegenüber der Inanspruchnahme des Menschen durch den Glauben zusätzlich aus durch Individualismus, Flucht in eine Jenseits-Welt, Hinterwäldlertum, Verfehlung eines angemessenen Weltverständnisses und Abkapseln in die eigene Innerlichkeit. Der späte Bonhoeffer besteht erst recht auf den Bevormundungstendenzen und auf dem Hang zur Weltlosigkeit. Wenn das Christentum unfähig war, mit der neuzeitlichen Welt in ein Gespräch zu kommen, so war es - zum Beispiel - nicht zuletzt die „religiöse" Auffassung seiner Gestalt, die hinderlich war.[41]
Über fast ein halbes Jahrhundert herrschte dieser Begriff von Religion weithin in der evangelischen Theologie vor. In den letzten Jahrzehnten kam es zu einem ebenso radikalen Kurswechsel. Man sprach geradezu von einer Rehabilitation des Religionsbegriffs.[42]
So notwendig diese Umorientierung war, so hat sie wiederum nicht selten das Kind mit dem Bad ausgeschüttet. Im Grunde war die Gegenalternative ähnlich radikal und darum auch praktisch unbrauchbar wie die These selbst. Nicht selten fiel man auf einen undifferenzierten Begriff von Religion zurück, der das Spezifische des christlichen Glaubens eher wieder einebnete. Es besteht jedoch kein Zweifel, dass die dialektische Theologie trotz ihrer exzessiven Konsequenzen etwas gesehen hatte, was im Keim durchaus christlich war: dass nämlich die Erscheinung „Religion" durchaus auch von der Tendenz des Menschen zur Selbstverschließung und damit zur Sünde bestimmt ist. Der religionskritische Aspekt des christlichen Glaubens, der nicht einfach jedes Phänomen der Religionen schon als positiven Ausdruck des Glaubens anerkennt, ist also in Wirklichkeit gar nicht so altmodisch, wie es sich auf den ersten Blick anhört. „Das Christentum nimmt in seiner Theologie der Religionsgeschichte nicht einfach Partei für den Religiösen, für den Konservativen, der sich an die Spielregeln seiner ererbten Institutionen hält; das christliche Nein zu den Göttern bedeutet eher eine Option für den Rebellen, der den Ausbruch aus dem Gewohnten um des Gewissens willen wagt: Vielleicht ist dieser revolutionäre Zug des Christentums allzu lang unter konservativen Leitbildern verdeckt worden."[43]
Diese Verdunkelungen der Religion durch ihre eigenen Verzerrungen und Entstellungen, durch Missbrauch und Ideologisierung ist nicht zu übersehen. Dies zeigt sich gerade heute bei einer gewissen Renaissance von Religiosität in einem weitesten Sinne, der auch abergläubige Praktiken und z.B. Satanskulte einschließt.[44] Wenn man schon seit einiger Zeit vom Wesen und Unwesen der Religion spricht[45] oder auch die Ideologieproblematik in Religion und Kirche anerkennen muss,[46] dann ist dies durchaus in der theologischen Überlieferung grundgelegt. Eine Religion entfremdet sich auch dann, wenn sie ursprüngliche Ziele, wie z.B. die Erziehung zur Mündigkeit und Freiheit des Menschen, unterläuft und zur Unselbstständigkeit führt. Ähnlich schlimm ist es, wenn die Religion von innen oder von außen zur Rechtfertigung von Gewaltanwendung jeder Art instrumentalisiert wird. In diesem Sinne spricht man auch von Pseudo-Religion, die immer dann erfolgt, wenn eine endliche Wirklichkeit, wie z.B. Menschheit, Rasse, Volk, Partei, Natur, Sport usw., geradezu mythisch und kultisch überhöht und zu einem Idol gemacht wird. Jede Religion muss in einer inneren Selbstunterscheidung um ihre Authentizität und Reinheit besorgt sein. Aber auch jeder interreligiöse Dialog muss auf diese Perversion von Religion achten und darauf aufmerksam machen. Jedenfalls darf man das religionskritische Potenzial im Anspruch und Vollzug vieler Religionen nicht unterschätzen oder gar verkennen.[47]

V.
Ich möchte nun zusätzlich einige locker zusammengefügte Perspektiven für das Verständnis von Religion, aber auch für ihre Beurteilung hervorheben.

Alle Religionen geben eine Orientierung in der Unübersichtlichkeit und in den Wechselfällen des menschlichen Lebens. Dies muss heute gewiss zwar von der Erfahrung der Menschen ausgehen, aber eben doch mit Hilfe möglichst rationaler Argumentation einsichtig gemacht werden. Aber es geht nicht nur darum, kognitive Orientierungssysteme aufzustellen, sondern in der Religion geht es immer auch um die praktische Wahrheit, nämlich um die Bewährung der religiösen Überzeugung in der Tat des Lebens. Im Johannesevangelium heißt dies schlicht: „die Wahrheit tun" (Joh 3,21). Deshalb ist Religion immer auch eine Einheit von Theorie und Praxis, von Erkennen und Handeln, von Frömmigkeit und Nächstenliebe. Für die allermeisten Menschen ist eine Religion nur überzeugend, wenn beide Dimensionen zur Deckung kommen und auf diese Weise verstärkte Evidenz erhalten. Religion spricht darum auch Herz und Sinne an, birgt viele emotional-affektive Elemente.

Wenn der Anspruch der Religion und die faktische Erfüllung bzw. Realisierung prinzipiell auseinanderklaffen, Wort und Tat sich nicht decken, sondern sogar eher widersprechen, ist dies für jede Religion von Grund auf schädlich. Da sie auf die Überzeugungskraft in Wort und Tat, in Theorie und Praxis angewiesen ist, erleidet sie eine große Einbuße an Glaubwürdigkeit, wenn der Riss zwischen Anspruch und Erfüllung zu groß ist. Dann entsteht notwendigerweise Religionskritik, sei es im allgemeinen oder im modernen Sine. Dies kann bis zum Vorwurf der Heuchelei gehen. Damit können auch andere als religiöse Interessen - z.B. machtpolitischer oder finanzieller Art - verbunden sein, sodass gegenüber der Religion ein massiver Verdacht und oft großes Misstrauen entstehen können. Oft sind auch handfeste Interessen auf verborgene Weise beteiligt. Deshalb muss jede Religion aufmerksam auf sich selbst bleiben, ob sich in ihrem Anspruch letztlich solche Interessen an die erste Stelle schieben oder vielleicht auf verborgene Weise wirksam sind. Deshalb gibt es die schon genannte notwendige Unterscheidung zwischen Wesen und Unwesen jeder Religion. Darum gehört zur Religion von Grund auf eine stetige Erneuerung (Reform), die zuerst einen überzeugenden spirituellen Grund, aber auch konkrete Auswirkungen haben muss für Organisation und Institution. Sonst kann eine Religion dem Verdacht, letztlich eine Ideologie zu sein und konkrete Interessen weitgehend zu verdecken, heute nicht genügend entgegentreten.

Nach meinem Urteil gilt dies grundsätzlich für alle Religionen. Darum gibt es wohl auch in jeder Religion immer wieder Erneuerungsversuche und Reformbewegungen aus dem eigenen Inneren. Aber gewiss sind das geistige Klima und die kulturelle Prägung eines Landes sowie einer Gesellschaft wichtig dafür, in welcher Form eine Religion in dieser Hinsicht in Frage gestellt wird und ob bzw. wie sie darauf reagiert. Am überzeugendsten wirkt dabei das gelebte Zeugnis der Anhänger einer Religion selbst, nicht zuletzt aus den authentischen Reformbewegungen (vgl. die verschiedenen Formen der Mystik und des Mönchtums).

Dieser Horizont ist außerdem dafür maßgebend, wie die Religionen miteinander umgehen. Sie müssen sich auch gegenseitig angesichts der Verneinung von Religion und ihrer vielfachen Bestreitung wechselseitig kritisch betrachten. Es geht nicht nur um die abstrakte Gemeinsamkeit einiger religiöser Elemente, sondern ebenfalls darum, wie eine Religion als ganzes von anderen verstanden wird und gesellschaftlich in Erscheinung tritt. Dies ist noch diesseits eines unvermeidlichen Wettbewerbs auch unter den Religionen.

Jede Religion muss die recht verstandene Freiheit der Menschen fördern. Gewiss kennt jede Religion eine eigene Ordnung und Bindung an ethische Normen und religiöse Weisungen. Auch gehören Gehorsam und Gemeinschaftsverpflichtung zu jeder Religion. Aber ein maßgeblicher Beweggrund für jede Religion muss in der Überwindung infantiler Bevormundung und in der Förderung wahrer Freiheit zu einem guten Leben bestehen. Darum möchte authentische Religion immer auch den Menschen von falschen Autoritäten, Magie und Aberglauben befreien und zu seiner eigenen Verantwortung führen. Zugleich soll der rechte Gebrauch von Freiheit, die in ihrer Zügellosigkeit und Willkür für alle schädlich werden kann, eingeübt werden. Bei aller Notwendigkeit von Orientierung und Weisung, Führung und Autorität darf ihre Ausübung jedenfalls nicht zur Unmündigkeit und zum Verlust personaler Verantwortung führen. Die eigene Kritik- und Denkfähigkeit muss gefördert und vertieft werden. Begeisterung, die dies auslöschen würde und ein blinder Fanatismus können deshalb sehr fragwürdige Gestalten innerhalb einer Religion werden. Hier lauert im Fundamentalismus für jede Religion eine lebensbedrohliche Gefahr.[48]
Jede Religion möchte dem einzelnen Menschen und den religiösen Gemeinschaften zum Finden eines unverlierbaren Lebenssinnes und zu einer letzten Geborgenheit verhelfen. Sie möchte die Annahme und das Bestehen der Grundrisiken des menschlichen Lebens ermöglichen, wie sie in Armut und Not, Krankheit und Leid sowie in der Schuld und im Tod auf den Menschen zukommen. Die Religion soll den Menschen angesichts dieser oft radikalen Lebensgefährdungen vor jeder Verzweiflung bewahren. Sie macht die Menschen darum nicht weltflüchtig, sondern hilft ihnen, die Gefährdungen dieses Lebens zu bestehen und an ihnen nicht zu zerbrechen.

So sehr die Religion dabei dem einzelnen Menschen und den im Glauben verbundenen Gemeinschaften hilft, so sehr muss sie bestrebt sein, diesen Sinn des Lebens in Wort und Tat auch anderen Menschen zu vermitteln. Religion steht so fundamental im Dienst des Menschen und darf sich nicht nur zur Pflege der eigenen Interessen und Ziele zurückziehen. Zu ihr gehören Sendung und Dienst. Aber ihre missionarische Ausrichtung darf nicht dazu führen, dass sie die Freiheit zu glauben oder nicht zu glauben, gefährdet oder verletzt. Missionarische Sendung gehört zu einer Religion, wenn und solange sie überzeugt ist, dass sie ihre Orientierung, die den eigenen Mitgliedern und Anhängern kostbar und wertvoll ist, auch anderen zu ihrem Nutzen weitergeben möchte. Aber in dem Augenblick, in dem diese missionarische Sendung in irgendeiner Weise mit Gewalt verbunden wird, ist nicht nur die Würde und Freiheit des Menschen, sondern ist auch Religion zerstört.[49]

Das Gewaltproblem ist in jeder Religion von ganz elementarer Bedeutung. Wer seine Überzeugungen mit Macht und Gewalt durchsetzen möchte, scheidet sich selbst aus jedem verantwortungsvollen Dialog der Religionen untereinander aus. Hier muss sich jede Religion prüfen, wie weit ihr Gottesbild mit dem Ideal einer gewalttätigen Durchsetzung von Glaubensüberzeugungen oder Interessen einhergeht. Dies kann unter Umständen sehr subtil sein. Es hängt eng damit zusammen, wie eine Religion das Verhältnis des Leidens und des Leides zu Gott sieht.

Es gibt im Dialog freilich ein entscheidendes Element, das vielleicht eher sogar zu den Voraussetzungen des Dialogs gehört.[50] Dies ist die theoretische und praktische Frage der Religionsfreiheit, und dies im Sinne der negativen und positiven Religionsfreiheit. Nach meinem Verständnis ist das Eintreten für eine allseitige Religionsfreiheit und die praktische Verwirklichung dieser Religionsfreiheit ein ganz zentrales und wesentliches Kriterium für jeden interreligiösen Dialog. Das Zweite Vatikanische Konzil hat nach langen und sehr heftigen Debatten in der „Erklärung über die Religionsfreiheit" Dignitatis humanae (= DH) eine eindeutige Position bezogen. Dabei geht es um die unverletzlichen Rechte der menschlichen Person, aber auch um die rechtliche Ordnung der Gesellschaft. Die Anerkennung der Religionsfreiheit als Menschenrecht ist ein Prüfstein dafür, ob eine Religion sich den Spielregeln des menschlichen Zusammenlebens unter heutigen Bedingungen stellt und auch unterwirft. Im Übrigen ist wichtig: Die moralische Pflicht des Einzelnen, den wahren Glauben zu suchen und anzunehmen, wird durch die Gewährung der Religionsfreiheit keineswegs aufgehoben oder relativiert (vgl. DH 2 und 3), sondern lediglich von den Eingriffsmöglichkeiten staatlicher Gewalt kategorisch geschieden und gegen sie gesichert. In diesem Sinne hat die Religionsfreiheit eine zentrale und kritische Rolle auch für die anderen Menschenrechte. Nicht zuletzt deshalb haben sich viele Politiker, die persönlich nur ein weniger ausgeprägtes Verhältnis zur Religion haben, für die exemplarische Rolle der Religionsfreiheit in Auseinandersetzung mit totalitären Systemen eingesetzt.[51] Sie ist ein Prüfstein für die konkrete Gültigkeit der Menschenrechte.

Dies schließt den Verzicht auf die geschichtlich überkommene Inanspruchnahme staatlicher Machtmittel für die Durchsetzung eigener Wahrheitsansprüche und Interessen sowie die Bereitschaft ein, zur Überzeugung anderer im Geist der Toleranz mit den Mitteln besserer Argumentation, überzeugenderer Praxis, bewegenderer Motivationen, attraktiverer sozialer Gemeinschaft und der wirksamen Anwaltschaft für Arme und an den Rand der Gesellschaft gedrängte Menschen zu arbeiten. Es setzt eine selbstkritische Betrachtung der Religionen im Blick auf bestimmte Praktiken der Wahrheitsdurchsetzung voraus (für die christlichen Kirchen: Häresie, Inquisition, Mission).[52]

VI.
In diesem Horizont und unter diesen Voraussetzungen möchte ich gerne einladen, den Weltreligionen von heute zu begegnen. Ein solches Gespräch vollzieht sich im Rahmen der Universität mit ihren Kriterien der Unvoreingenommenheit und Objektivität des Erkennens. Dabei können wir aber nicht völlig abstrahieren von dem eigenen Standort in kultureller und letztlich auch religiöser Hinsicht, auch wenn wir die eigene Bedingtheit in Rechnung stellen und sie selbstkritisch betrachten wollen. Wir blicken dabei jedoch nicht nur auf unsere eigene Situation und die größeren Religionen in unserem eigenen Lebensbereich. In einer mehr und mehr vernetzten und globalisierten Welt wollen wir auch andere, fremde Religionen zu verstehen suchen.[53] Das Andere und Fremde schreckt uns dabei nicht ab, ruft auch keine apriorische Abneigung oder Ablehnung hervor. Wir wollen das Fremde verstehen. Vielleicht kann unser eigenes Welt- und Menschenbild dadurch bereichert werden. Insofern geht es wirklich um eine Begegnung mit den Weltreligionen. Wie der Untertitel der Vorlesungsreihe anzeigt, handelt es sich dabei um Verstehen, Verständigung, Verantwortung. Mehr können wir in diesem Rahmen nicht versprechen.

Bewusst schränken wir dabei die Ausführungen ein auf Weltreligionen. Dieser Begriff ist jedoch genauer zu beachten. Damit sind die Religionen gemeint, die sich über kulturelle und nationale Grenzen hinweg in der Welt verbreitet haben. Dazu war es auch notwendig, partikulär gültige Normen zu einer allgemein gültigen Ethik und Heilsbotschaft zu verwandeln. Im Grunde ist der Begriff der Weltreligionen jedoch viel unbestimmter und offener, als man dies gewöhnlich denkt. Er ist in der Regel vor allem durch vier grundlegende Bestimmungen geprägt: Dies ist zuerst die Zahl der Anhänger und die geografische Verbreitung einer Religion; dazu gehört dann auch ein universeller Geltungsanspruch und schließlich das Alter. Freilich gibt es in der jeweiligen Gewichtung ziemliche Verschiedenheiten. Wenn man die genannten Kriterien strikt anwendet, dann gibt es entweder drei Weltreligionen (Buddhismus, Christentum und Islam) oder auch - leicht erweitert - fünf, indem noch Judentum und Hinduismus hinzugefügt werden.[54] Gerade in ihrer Verschiedenheit muss man die Weltreligionen als komplexe und je nach Zeit und Kultur stark variierende religiöse Erscheinungen verstehen, ohne dass damit die Frage nach einer Gemeinsamkeit ausgeklammert werden soll. Man darf aber gewiss nicht vorschnell von so etwas wie einem „Weltethos" reden. „Weltreligion" heißt freilich nicht, dass nur die Zahl der Mitglieder den Ausschlag gibt.

Unter dieser Voraussetzung habe ich nach vielen Überlegungen und in engem Kontakt mit den Verantwortlichen der „Freunde der Universität Mainz e.V.", ganz besonders Herrn Bundesminister a.D. Dr. Hans Friderichs und vor allem Herrn Prof. Dr. Andreas Cesana, den inhaltlichen Plan und die personelle Auswahl der Referenten vorgenommen.

In aller Kürze darf ich nochmals diesen Aufriss skizzieren. Nach der heutigen Eröffnungsvorlesung, die gleichsam eine Einleitung in das Thema darstellt und den Vorhang auf der Bühne öffnen will, wird Herr Prof. Dr. Hans Joas (Erfurt) „Die säkulare Option. Ihr Aufstieg und ihre Folgen" behandeln, also die Dialektik der Säkularisierung vor dem Hintergrund der heutigen Diskussion um eine „Rückkehr der Religion?" vermessen. Wir behandeln dann in einer gewissen Bindung an Entstehung und Alter der Weltreligionen nacheinander den Buddhismus (Prof. Dr. Michael von Brück, München), das Judentum (Prof. Dr. Dr. Johann Maier, Köln), das Christentum (Prof. Dr. Dr. h.c. Eberhard Jüngel, Tübingen), die Einheit und Vielfalt sowie ihre Spannung als Kennzeichen des Islam (Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Gudrun Krämer, FU Berlin), den Hinduismus (Frau Prof. Dr. Dr. h.c. Bettina Bäumer, Varanasi/Indien), Religion in China, Rolle und Bedeutung des Konfuzianismus (Prof. Dr. Helwig Schmidt-Glintzer, Wolfenbüttel) und schließlich die wohl jüngste Weltreligion, nämlich die Baha´i (Prof. Dr. Dr. Manfred Hutter, Bonn). Bei diesem Durchgang wird es wohl gegen Ende um zwei wichtige Problemkreise gehen: Immer wieder spielt auch in der Diskussion um eine „Rückkehr der Religion?" das Verhältnis von Religion, Politik und Gewalt heute eine unübersehbare Rolle. Ich bin dankbar, dass ich Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber, Bischof von Berlin/Brandenburg und der Oberlausitz und Vorsitzender des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland, gewinnen konnte. Schließlich möchte ich in der Abschlussveranstaltung, ohne den Anspruch einer Synthese zu erheben, eine gewisse Erfahrungssumme unserer Bemühungen formulieren „Notwendigkeit, Risiken und Kriterien für den interreligiösen Dialog heute und in Zukunft". Wir haben also am Anfang und am Ende je zwei grundsätzliche Referate geplant, dazwischen die sieben Einzelporträts.

Zum Verfahren möchte ich nur Folgendes heute andeuten, sofern dies nicht schon erklärt worden ist: Ich selbst werde nach Möglichkeit die einzelnen Vorlesungen moderieren. Dies schließt die Begrüßung und die Vorstellung der Gastredner ein. Nach dem Vortrag werden wir die Möglichkeit haben, ungefähr eine halbe Stunde mit dem Referenten in das Gespräch zu kommen. Wir wollen aber jeweils gegen 20 Uhr mit der Veranstaltung schließen. Herr Prof. Dr. Andreas Cesana, Leiter des Studium Generale der Johannes Gutenberg-Universität, wird mich dabei unterstützen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und lade Sie für den 5. Mai 2009 zum Vortrag von Herrn Prof. Dr. Hans Joas ein.

Bevor Herr Prof. Dr. Cesana die Moderation übernimmt, möchte ich noch mitteilen, dass die Vorlesungsreihe wohl veröffentlicht werden wird. Einzelheiten werden wir später mitteilen.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Anmerkungen:
[1] F. W. Graf, München 2004; ders., Missbrauch der Götter, München 2009.

[2] Hrsg. von K. Arntz, Regensburg 2007.

[3] G. K. Nelson, Olten 1991.
[4] Vgl. z.B. K. Andresen/St. Burgdorff (Hg.), Weltmacht Religion, Wie der Glaube Politik und Gesellschaft bestimmt, München 2008 (SPIEGEL-Buch); St. Knobloch, Mehr Religion als gedacht! Wie die Rede von Säkularisierung in die Irre führt, Freiburg i. Br. 2006.

[5] Vgl. E. Hurth, Religion im Trend oder Inszenierung für die Quote, Düsseldorf 2008.

[6] Vgl. in ernsthafter Weise H. G. Kippenberg, Die Entdeckung der Religionsgeschichte. Religionswissenschaft und Moderne, München 1997.

[7] Vgl. Panorama der neuen Religiosität. Sinnsuche und Heilsversprechen zu Beginn des 21. Jahrhunderts, hrsg. von R. Hempelmann u.a. im Auftrag der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW), Berlin, Gütersloh 2001; dazu auch H. Baer u.a. (Hg.), Lexikon neureligiöser Gruppen, Szenen und Weltanschauungen, Orientierungen im religiösen Pluralismus, Freiburg i. Br. 2005 (völlige Neubearbeitung des 1990 erstmals erschienenen Werkes „Lexikon der Sekten, Sondergruppen und Weltanschauungen"); G. Schmid, Im Dschungel der neuen Religiosität, Stuttgart 1992; R. Polak (Hg.), Megatrend Religion? Neue Religiositäten in Europa, Stuttgart 2002; dies., Religion kehrt wieder. Handlungsoptionen in Kirche und Gesellschaft, Ostfildern 2006, vgl. dazu auch H. Reller/M. Kießig (Hg.), Handbuch Religiöse Gemeinschaften, 3. Aufl., Gütersloh 1985; K. Fechtner u.a. (Hg.), Handbuch Religion und Populäre Kultur, Stuttgart 2005; F.-W. Haack, Europas neue Religion. Sekten-Gurus-Satanskult, Zürich 1991.

[8] G. Nenning, Gott ist verrückt. Die Zukunft der Religion, Düsseldorf 1997, 9.

[9] W. Weimer, Credo. Warum die Rückkehr der Religion gut ist, München 2006, 7.

[10] Vgl. dazu besonders W. Klaiber/S. Plonz (Hg.), Wie viel Glaube darf es sein? Religion und Mission in unserer Gesellschaft, Stuttgart 2008.

[11] Vgl. dazu vor allem M. Widl, Christentum und Esoterik. Darstellung, Auseinandersetzung, Abgrenzung, Graz 1995; zu den geschichtlichen Wurzeln vgl. vor allem E. Runggaldier, Philosophie der Esoterik, Stuttgart 1996; vgl. auch R. Degen u.a., Vagabundierende Religiosität, Weimar 1994; J. Wichmann, Die Renaissance der Esoterik, Stuttgart 1990; H.-J. Höhn, Zerstreuungen. Religion zwischen Sinnsuche und Erlebnismarkt, Düsseldorf 1998; ders., Der fremde Gott. Glaube in postsäkularer Kultur, Würzburg 2008.

[12] Ein wichtiges Beispiel dafür sind die Bücher von M. Riesebrodt, Die Rückkehr der Religionen, 2. Auflage, München 2001; ders., Cultus und Heilsversprechen. Eine Theorie der Religionen, München 2007.

[13] Vgl. z.B. E. S. Hassee, in: Wie viel Glaube darf es sein?, 57-73.

[14] G. Baudler, Gewalt in den Weltreligionen, Darmstadt 2005 (Lit.); D. Mieth u.a. (Hg.), Religion zwischen Gewalt und Beliebigkeit, Tübingen 2001; U. Beck, Der eigene Gott. Von der Friedensfähigkeit und dem Gewaltpotential der Religionen, Frankfurt 2008; : B Ziemann, Sozialgeschichte der Religion, Frankfurt 2009. Vgl. generell und grundsätzlich R. Schieder, Sind Religionen gefährlich?, Berlin 2008.

[15] Vgl. hier auch W. Schäuble, Braucht unsere Gesellschaft Religion?, Berlin 2009.

[16] Berlin 2006, 5. Aufl., Berlin 2007; vgl. auch J. L. Nancy, Dekonstruktion des Christentums, Zürich 2008.

[17] Freiburg i. Br. 2008.

[18] Vgl. dazu G. M. Hoff, Die neuen Atheismen. Eine notwendige Provokation, Kevelaer 2009 (Lit.); Religionen in Deutschland und das Staatskirchenrecht = Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 39, Münster 2005 (Beiträge von K. Gabriel, E. Jüngel, P. Kirchhof); W. Reiland, Gott ist kein Wahn. Sieben Thesen zum Sinn der Religion, Innsbruck 2008; H. J. Schneider, Religion, Berlin 2008; Religionsmonitor 2008 der Bertelsmann-Stiftung, Gütersloh 2007; M. Wörther, Kein Gott nirgends?, Würzburg 2008; S. Kleymann u.a. (Hg.), Die neue Lust für Gott zu streiten, Freiburg i. Br. 2006; G. M. Hoff (Hg.), Gott im Kommen, Innsbruck 2006; J. H. Claussen, Zurück zur Religion, München 2006; W. Klaiber/S. Plonz (Hg.), Wie viel Glaube darf es sein. Religion und Mission in unserer Gesellschaft, Stuttgart 2008; N. Peseschkian, Glaube an Gott und binde dein Kamel fest. Warum Religion unserer Seele guttut, Stuttgart 2008; M. Morgenroth, Weihnachts-Christentum. Moderner Religiosität auf der Spur, Gütersloh 2002; V. Kresch, Götterdämmerung. Auf der Suche nach Religion. Bielefeld 2003.

[19] Vgl. z.B. die Darstellung von H. Freier, Die Rückkehr der Götter. Von der ästhetischen Überschreitung der Wissensgrenze zur Mythologie der Moderne, Stuttgart 1976.

[20] Vgl. K. Lehmann, Prolegomena zur theologischen Bewältigung der Säkularisierungsproblematik, in: ders., Gegenwart des Glaubens, Mainz 1974, 94-108 (Lit.), ursprünglich ein Referat bei der Arbeitsgemeinschaft katholischer Liturgiker im deutschen Sprachgebiet (1971). Zur neueren Diskussion vgl. Themenheft „Säkularisierung, Dechristianisierung und Rechristianisierung" der Zeitschrift „Kirchliche Zeitgeschichte" 11 (1998), Heft 1; D. Pollack, Säkularisierung - ein moderner Mythos? Studien zum religiösen Wandel in Deutschland, Tübingen 2003 (vgl. weitere Veröffentlichungen des Verfassers: 313f. G. Marramao, Die Säkularisierung der westlichen Welt, Frankfurt 1996; H. Joas/K. Wiegandt, Säkularisierung und die Weltreligionen, Frankfurt 2007 (Fischertaschenbuch); J. Habermas/J. Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion, Freiburg i. Br. 2005; zum Fortgang der Diskussion vor allem mit J. Habermas vgl. Anm. 28; vgl. R. Langthaler, Nachmetaphysisches Denken? Kritische Anfragen an Jürgen Habermas = Philosophische Schriften 24, Berlin 1997; R. Langthaler/H. Nagl-Docekal (Hg.), Glauben und Wissen. Ein Symposion mit Jürgen Habermas = Wiener Reihe 13, Wien 2007; M. Funken (Hg.), Über Habermas. Gespräche mit Zeitgenossen, Darmstadt 2008; H.-L. Ollig, Habermas im Religionsdiskurs, in: Theologie und Philosophie 83 (2008) 410-425 (umfangreiche Lit.); H. J. Höhn, Postsäkular. Gesellschaft im Umbruch - Religion im Wandel, Paderborn 2007; Th. Schmidt, Vernünftiger Pluralismus, rationaler Glaube. Zum politischen und epistemischen Status religiöser Überzeugungen in pluralistischen Gesellschaften, Habilitationsschrift, 2000; H. Joas, Braucht der Mensch Religion? Freiburg i. Br. 2004; H. Joas/K. Wiegandt (Hg.), Die kulturellen Werte Europas, Frankfurt 2005.

[21] Vgl. ebd., 98ff.

[22] Vgl., ebd., 102ff. (Lit.).

[23] Vgl. dazu besonders H. Waldenfels (Hg.), Religion. Entstehung - Funktion - Wesen = Grenzfragen 28, München 2003 (vgl. dort die Einführung unter dem Stichwort „Rückkehr der Religion", 7-25); W. Pannenberg, Systematische Theologie I, Göttingen 1988 u.ö., 133-205; G. Wenz, Religion = Studium Systematische Theologie 1, Göttingen 2005, bes. 89ff. Ich verweise besonders auf die ausführlichen Untersuchungen von E. Feil (näheres dazu bei G. Wenz, ebd., 93ff. und 89); H. R. Schlette (Hg.), Religion - aber wie?, Würzburg 2002; M. von Brück, Religion - Segen oder Fluch der Menschheit?, Frankfurt 2008; E. Bidese u.a. (Hg.), Philosophische Gotteslehre heute. Der Dialog der Religionen, Darmstadt 2008; D. Ch. Dennett, Den Bann brechen. Religion als natürliches Phänomen, Frankfurt 2008; D. Korsch, Religionsbegriff und Gottesglaube. Dialektische Theologie als Hermeneutik der Religion, Tübingen 2005; I. U. Dalferth/Ph. Stoellger (Hg.), Hermeneutik der Religion, Tübingen 2007; W. Leidhold, Gottesgegenwart. Zur Logik der religiösen Erfahrung, Darmstadt 2008 (Lit.); P. Fischer, Philosophie der Religion, Göttingen 2007 (Lit.).

[24] Vgl. W. Pannenberg, a.a.O., 195f.

[25] Vgl. V. Drehsen/W. Sparn (Hg.), Im Schmelztiegel der Religionen. Konturen des modernen Synkretismus, Gütersloh 1996. Dabei muss der Begriff sorgfältiger geklärt werden. Er ist nicht einfach ein theologisches Scheltwort, darf aber in religionswissenschaftlicher Verwendung auch nicht zu harmlos angewendet werden. Heute muss man dieses Stichwort unter Beachtung der religiösen und kulturellen Austauschprozesse neu bedenken. Vgl. dazu auch C. Colpe, Weltdeutungen im Widerstreit, Berlin 1999; Wörterbuch der Religionen, 507f. (Lit.).

[26] Vgl. dazu H.-J. Höhn, Zerstreuungen. Religion zwischen Sinnsuche und Erlebnismarkt.

[27] Vgl. Glauben und Wissen, Frankfurt 2001; ders., Zwischen Naturalismus und Religion, Frankfurt 2005; ders., Ein Bewusstsein von dem, was fehlt, hrsg. von M. Reder/J. Schmidt, Frankfurt 2008; J. Habermas/J. Ratzinger, Dialektik der Säkularisierung. Über Vernunft und Religion, Freiburg i. Br. 2005.

[28] Vgl. E. Troeltsch, Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte, Gütersloh 1969, Siebenstern-Taschenbuch 138, Lizenz-Ausgabe des Verlages Mohr, Tübingen 1929. Eine kritische Ausgabe erschien im Rahmen der Neuausgabe der gesammelten Werke: E. Troeltsch, Die Absolutheit des Christentums und die Religionsgeschichte (1902-1912): mit Thesen von 1901 und den handschriftlichen Zusätzen, hrsg. von Trutz Rendtorff in Zusammenarbeit mit Stefan Pautler, Berlin u.a. 1998 (Kritische Gesamtausgabe Bd. 5). Vgl. dazu auch K. Lehmann, Absolutheit des Christentums als philosophisches und theologisches Problem, in: W. Kasper (Hg.), Absolutheit des Christentums, Freiburg i. Br. 1977 u.ö., 13-38 (Lit.).

[29] Vgl. R. Faber/S. Lanwerd (Hg.), Aspekte der Religionswissenschaft, Würzburg 2009.

[30] Zu diesem Prozess vgl. V. Krech, Wissenschaft und Religion. Studien zur Geschichte der Religionsforschung in Deutschland 1871 bis 1933 = Religion und Aufklärung 8, Tübingen 2002; wichtige Texte finden sich in: Klassiker der Religionswissenschaft, hrsg. von A. Michaels, München 1997. Vgl. auch Anm. 18, 23, 30, 42.

[31] Zu dieser Geschichte vgl. die Darstellung von J. Splett, Die Rede vom Heiligen, Freiburg 1973, 2. Auflage 1985; R. Schaeffler, Religion und kritisches Bewusstsein, Freiburg 1973; Besinnung auf das Heilige, hrsg. von B. Casper u.a., Freiburg 1966; Die Diskussion um das Heilige, hrsg. von C. Colpe, Darmstadt 1977; C. Colpe, Über das Heilige, Frankfurt 1990; vgl. auch die zahlreichen Forschungen von M. Eliade, Das Heilige und das Profane, Frankfurt 1984; Wissenschaftliche und nicht-wissenschaftliche Rationalität, hrsg. von K. Hübner u.a., Stuttgart 1983. In diesen Zusammenhang gehören auch die neueren Studien über den Mythos und die mythische Rede, vgl. wiederum K. Hübner, Kritik der wissenschaftlichen Vernunft, Freiburg 4. Auflage 1993; ders., Die Wahrheit des Mythos, München 1985; ders., Glaube und Denken, Tübingen 2001.

[32] Vgl. Phänomenologie des religiösen Lebens = Gesamtausgabe Bd. 60, hrsg. von M. Jung und Th. Regehly, Frankfurt 1974.

[33] Vgl. K. Lehmann, in: J. Ratzinger (Hg.), Die Frage nach Gott, Freiburg i. Br. 1972 u.ö., 116-140.

[34] Zur Auseinandersetzung vgl. zusammenfassend mit Lit. W. Pannenberg, Systematische Theologie I, Göttingen 1988, 133-205; ders., Beiträge zur Systematischen Theologie I: Philosophie, Religion, Offenbarung, Göttingen 1999, 101-245.

[35] Vgl. dazu die gesammelten Texte in: Diskurs: Religion, hrsg. von W. Oelmüller u.a. = Philosophische Arbeitsbücher 3, Paderborn 1979; Religionsphilosophie, hrsg. von W. Schüßler = Alber-Texte-Philosophie, Freiburg 2000.

[36] Ebd. - Vgl. dazu die Kommentare, bes. H. H. Henrix (Hg.), Nostra aetate. Ein zukunftsweisender Konzilstext, Aachen 2006, 1-57, 197ff.; J. Sinkovits/U. Winkler (Hg.), Weltkirche und Weltreligionen, Innsbruck 2007.

[37] Vgl. K. Lehmann, Die Kirche und die Herrschaft der Ideologien, in: Handbuch der Pastoraltheologie, Bd. II, Teilband 2, Freiburg i. Br. 1966, 109-180, 2. Aufl., Freiburg i. Br. 1971, 109-180 (ergänzt); ders., Ideologien und Ideologiekritik, in: Handbuch der Religionspädagogik, Bd. II, Gütersloh 1973, 251-270.

[38] H. D. Preuß, Verspottung fremder Religionen im Alten Testament = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament. Fünfte Folge, Heft 12, Stuttgart 1971, 290. Vgl. dazu auch G. Johannes, Unvergleichlichkeitsformulierungen im Alten Testament, Diss. theol., Evangelisch-Theologische Fakultät Mainz, Mainz 1968; M. Rose, Der Ausschließlichkeitsanspruch Jahwes = Beiträge zur Wissenschaft vom Alten und Neuen Testament. Sechste Folge, Heft 6, Stuttgart 1975. Vgl. auch die Theologien des Alten Testaments, z.B. H. D. Preuß, Theologie des Alten Testaments, Bd. 1, Stuttgart 1991, 119ff., 276f.

[39] Vgl. dazu die Römerbrief-Kommentare von O. Kuss, E. Käsemann, O. Michel, S. Lyonnet, U. Wilckens, H. Schlier, D. Zeller, P. Stuhlmacher, W. Schmithals, J. A. Fitzmeyer, M. Theobald, vor allem jedoch H. Schlier, Die Zeit der Kirche, Freiburg 1966, 4. Auflage, 29ff., 38ff.; ders., Doxa bei Paulus als heilsgeschichtlicher Begriff, in: ders. Besinnung auf das Neue Testament, Freiburg i. Br. 1964, 5. Auflage, 307ff., vgl. auch 319ff.

[40] Vgl. Chr. Gestrich, Neuzeitliches Denken und die Spaltung der dialektischen Theologie. Zur Frage der natürlichen Theologie = Beiträge zur historischen Theologie 52, Tübingen 1977 (dort umfassende Lit.).

[41] Dazu E. Feil, Die Theologie Dietrich Bonhoeffers, München/Mainz 1971, 2. Auflage, 335ff.; G.L. Müller, Bonhoeffers Theologie der Sakramente = Frankfurter Theologische Studien 28, Frankfurt 1979, 65ff.

[42] Statt vieler vgl. Chancen der Religion, hrsg. von R. Volp, Gütersloh 1975; C. H. Ratschow, Die Religionen = Handbuch systematischer Theologie 16, Gütersloh 1979; W.-D. Marsch (Hg.), Plädoyers in Sachen Religion, Gütersloh 1973; zusammenfassend zur Problemgeschichte vgl. auch Ch. Elsas (Hg.), Religion. Ein Jahrhundert theologischer, philosophischer, soziologischer und psychologischer Interpretationsansätze = Theologische Bücherei 56, München 1975.

[43] J. Ratzinger, Vom Wiederauffinden der Mitte, Freiburg 1997, 60-82, Zitat 64 (ursprünglich in der Festschrift „Gott in Welt" für K. Rahner, Bd. II, Freiburg i. Br. 1964, 287-305, Zitat 290).

[44] Vgl. dazu Panorama der neuen Religiosität, hrsg. von R. Hempelmann u.a. im Auftrag der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen Berlin, Gütersloh 2001.

[45] Vgl. die gleichnamige Schrift von B. Welte, Freiburg i. Br. 1952; jetzt in: Gesammelte Schriften III/2, Freiburg i. Br. 2008, 40-58 (vgl. auch die Bände III/1 und III/3, Freiburg i. Br. 2008).

[46] Vgl. dazu K. Lehmann, in: Handbuch der Pastoraltheologie, Bd. II/2, Zweite durchgesehene Auflage, Freiburg 1971, 148-180; vgl. auch A. Görres, Pathologie des katholischen Christentums, in: Handbuch der Pastoraltheologie, Bd. II/1, 277-343.

[47] Vgl. dazu auch K. Lehmann, Gott und Macht. Ein religionsphilosophischer Versuch, in: Vorsehung, Schicksal und göttliche Macht, hrsg. von Reinhard G. Kratz und Hermann Spieckermann, Tübingen 2008, 264-290.

[48] Zum Fundamentalismus vgl. K. Lehmann, Der Fundamentalismus als Herausforderung für Theologie und Kirche, in: Fundamentalismus als Herausforderung an Staat, Kirche und Gesellschaft, Münster 1999 (= Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Bd. 33), 63-85.

[49] Vgl. dazu M. Seckler, Die schiefen Wände des Lehrhauses, 68f.; K. Lehmann, Vom Ursprung der Mission im Lebensgeheimnis Jesu Christi. Zur theologischen Begründung des Missionsauftrages der Kirche. Eröffnungsvortrag beim Missionskolloquium „Die Sendung der Kirche am Vorabend des dritten Jahrtausends" an der Universität Fribourg/Schweiz am 22. Oktober 1998, in: Die Sendung der Kirche am Vorabend des dritten Jahrtausends/La mission à l´aube du troisième millénaire, hrsg. v. Missio/Fribourg, Fribourg/Schweiz 1999, 7-14; ders., Zuversicht aus dem Glauben, Freiburg i. Br. 2006, 478-498 (Lit.).

[50] „Dialog" muss hier streng und konsequent verstanden werden, dazu K. Lehmann, Vom Dialog als Form der Kommunikation und Wahrheitsfindung in der Kirche heute = Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz 17, Bonn 1994 (Lit.) = Zuversicht aus dem Glauben, 205-219.

[51] Vgl. dazu K. Lehmann, Religionsfreiheit und staatliche Neutralität (Vortrag bei der Wissenschaftlichen Gesellschaft in Freiburg am 10. Dezember 1999), in: Freiburger Universitätsblätter 40 (2001) Heft 154, 5-13.

[52] Vgl. dazu A. Angenendt, Toleranz und Gewalt, 4. Aufl., Münster 2008.

[53] Dazu in Kürze E. Kapsch, Verstehen des Anderen, Berlin 2007 (Lit.).

[54] Dazu M. Hutter, Die Weltreligionen, München 2005, 9ff., 14ff. Zur eurozentrischen Sicht vgl. Chr. Auffarth, Europäische Religionsgeschichte - ein Kulturwissenschaftliches Projekt, in: R. Faber/S. Lanwerd (Hg.), Aspekte der Religionswissenschaft, Würzburg 2009, 29-48; Chr. Auffarth u.a. (Hg.), Wörterbuch der Religionen, Stuttgart 2006, 567; J. Figl (Hg.), Handbuch Religionswissenschaft, Innsbruck 2003, 71ff.; G. Meckenstock, Das Christentum: Werden im Konflikt, Berlin 2008, 66ff. Neuerdings wird auch der Begriff „Globale Religionen" verwendet. Dazu U. Elsdörfer (Hg.), Globale Religionen. Ein Lesebuch zum interreligiösen Gespräch: Baha´i, Christentum, Islam, Königstein 2008 (vgl. den Flyer zu dieser 10. Stiftungsprofessur 2009).

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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