"Therapeutisches" Klonen - Ein irreführender Begriff

Datum:
Donnerstag, 11. Januar 2001

Es gibt überall beschönigende Worte. Therapeutisches Klonen ist ein solcher Begriff, der den wahren Vorgang verschweigt: Menschliches Leben wird "erzeugt" und gleich wieder getötet, um es zu "verbrauchen". Diese nüchternen Fakten werden in der öffentlichen Diskussion leicht verschleiert und verschwiegen.

Deshalb hilft auch nicht die Forderung, vorurteilsfrei an diese Entwicklung heranzugehen. Hier geht es nämlich um einen ethisch unvertretbaren Eingriff in das menschliche Leben, um "verbrauchende" Forschung. Verbraucht werden menschliche Embryonen, wird menschliches Leben.

In Deutschland ist dies verboten, denn menschliches Leben wird von allem Anfang an geschützt. Der Gesetzgeber hält diesen gesellschaftlichen Konsens über den Beginn menschlichen Lebens und seinen Schutz besonders deutlich im Embryonenschutzgesetz fest. Diese grundlegende Übereinkunft aller gesellschaftlichen Gruppen zum Lebensschutz wirkt sich bis in höchstrichterliche Entscheidungen aus. Von verschiedener Seite werden Korrekturen des Embryonenschutzgesetzes vorgeschlagen. Wir müssen sehen, dass wir trotz manchen Drucks an diesem Gesetz und der Position festhalten. Dies wird auch durch eine große Mehrheit gedeckt.

Jede Abschwächung des Lebensschutzes verändert das Verständnis vom Menschen, wie es mehrheitlich in Europa geteilt wird, grundlegend und unwiederbringlich. Insofern stellt der Beschluss des britischen Parlaments einen Dammbruch dar. Ähnliches gilt für das Euthanasiegesetz in den Niederlanden. Wir müssen uns dieser Entwicklung in ganz Europa entschieden widersetzen. Verständliche ökonomische und forschungspolitische Interessen müssen durch ethische Überlegungen eingeschränkt werden oder gar zurücktreten. Die Frage stellt sich neu und eindringlich: Was ist der Mensch?

Die Klonierung von Menschen zur Fortpflanzung wird weltweit einhellig als Verstoß gegen die Menschenwürde abgelehnt. Der wesentliche Unterschied zu der in Großbritannien befürworteten Regelung besteht darin, dass menschliche Embryonen nicht zum Leben bestimmt sind, sondern ihnen innerhalb der ersten 14 Tage Stammzellen entnommen werden, was zu ihrer Tötung führt. Schon die Redeweise, dass menschliche Embryonen "hergestellt" und zur Gewinnung von Stammzellen "verbraucht" werden, erweckt den falschen Eindruck, als handele es sich um harmloses, gleichsam neutrales "Material", statt um ein menschliches Wesen.

Die strikte Ablehnung des "therapeutischen Klonens" verhindert nicht die Forschung und verbietet sie nicht, auch wenn dies immer wieder behauptet wird. Aber die Forschung muss eingebunden sein in einen Wertekonsens, der generell ausschließt, dass menschliches Leben verbraucht wird. Auch wenn es um die Gewinnung von Stammzellen geht, mit denen man hofft, eines Tages bisher als unheilbar geltende Krankheiten wie Parkinson und Alzheimer behandeln und heilen zu können. Es ist nicht jedes Mittel recht, auch dann nicht, wenn die Ziele Sympathie erwecken. Der Zweck heiligt nicht die Mittel.

Es gibt im Übrigen andere Möglichkeiten, menschliche Stammzellen zu gewinnen. Jeder Erwachsene hat in bestimmten Geweben seines Körpers Stammzellen (adulte Stammzellen). Diese sind z.B. auch im Nabelschnurblut, das sich konservieren lässt, enthalten. Es besteht die begründete Hoffnung, dass die Forscher in der Lage sind, auch – und gerade – mit diesen Stammzellen ähnliche Erfolge zu erzielen.

Es ist vor diesem Hintergrund nicht einzusehen, warum der Weg des Klonens menschlicher Embryonen gewählt werden soll. Es geht um mehr als einen "Wettlauf" in der Forschung zu gewinnen und in diesem Zusammenhang evtl. auch wirtschaftliche Erfolge zu erzielen. Vielleicht könnte Deutschland gerade auf dem Gebiet der alternativen Forschung eine Vorreiterrolle spielen und damit auf andere Weise einen Standortvorteil gewinnen. Dies ist eine Herausforderung für die Wissenschaft, aber auch für die Politik, die solche alternativen Ansätze und Möglichkeiten fördern sollte.

Welche Folgen wird es haben, wenn menschliches Lebens keinen unbedingten Schutz mehr erhält; wenn es vielmehr verzweckt wird? Unsere wissenschaftlichen Erkenntnisse nehmen ständig zu. Wir müssen darauf achten, dass dabei nicht grundlegende ethische Maßstäbe verloren gehen. Heute gilt mehr denn je: Der aufgeklärte Forscher ist der, der seine Grenzen kennt. Und zudem ist die Forschung nach Alternativen, die ethisch vertretbar sind, die wahre Herausforderung für den Wissenschaftler. Wir brauchen ein vertieftes Verständnis von Verantwortung.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz