Vom Himmel gefallen: Engel und Teufel

Datum:
Donnerstag, 10. Dezember 2015

Statement zur Vernissage anlässlich der Ausstellung „Vom Himmel gefallen: Engel und Teufel" innerhalb der Ausstellungsreihe „Am 8. Tag schuf Gott die Cloud. Die Reformation als Medienereignis in Text und Bild" am 10.12.2015 in Mainz

Wir sind auch von katholischer Seite dankbar, dass die Stadt Mainz in der Vertretung durch das Gutenberg-Museum sich an der Reihe der Ausstellungen zum Reformationsereignis, näherhin zum Gedenken an die Wiederkehr des Thesenanschlags vor 500 Jahren am 31.10.2017, beteiligt. Mainz hat nicht nur durch den Zusammenhang dieses Ereignisses mit dem Ablasshandel des damaligen Erzbischofs Albrecht von Brandenburg etwas zu tun, sondern es ist auch manches noch nicht genügend präsent, was sich im Zusammenhang damit ebenfalls ereignet hat. So ist z.B. das Verhältnis zwischen Albrecht von Brandenburg und Martin Luther noch nicht genügend in der ganzen Breite dargestellt. Ein kleines Beispiel dafür: Als ich 1983 zum Bischof von Mainz ernannt und geweiht wurde, hat mir der damalige Bevollmächtigte der EKD bei der Bundesregierung, Bischof Dr. Dr. Hermann Kunst, mit dem ich im Ökumenischen Arbeitskreis evangelischer und theologischer Theologen - wir waren die beiden Vorsitzenden - eng zusammenarbeitete, den Erstdruck eines Briefes von Luther an Albrecht von Brandenburg aus dem Jahr 1530 geschenkt. Es war ein dramatischer Appell, in einem entscheidenden Moment der Verhandlungen zu einem gemeinsamen Bekenntnis in Augsburg (später die wohl wichtigste Bekenntnisschrift „Confessio Augustana") die Einheit der Kirche zu retten. Als dies nicht gelang, pflegten besonders die Jesuiten in Mainz mit der Billigung des Erzbischofs einen friedlichen und respektvollen Umgang miteinander. Nicht zuletzt steht dafür Petrus Faber, der am 17. Dezember des letzten Jahres von Papst Franziskus selig gesprochen worden ist. Und schließlich darf ich mit einem großen Sprung in die Gegenwart auch daran erinnern, dass besonders meine beiden verehrten Vorgänger, Bischof Prof. Dr. Albert Stohr und Hermann Kardinal Volk, in ganz besonderer Weise über Mainz hinaus die ökumenische Einigung förderten. Bischof Volk wurde gerade auch wegen seiner großen Verdienste um die ökumenischen Aussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils in das Kardinalskollegium berufen. Ich selbst versuche, dies fortzusetzen. Doch mag davon bei anderer Gelegenheit einmal ausführlicher die Rede sein.

Ich möchte mich nämlich in diese Eröffnung der Sonderausstellung „Vom Himmel gefallen: Engel und Teufel" mit einer kleinen Besinnung einfügen. Engel und Teufel weisen darauf hin, dass unsere Welt nicht einfach geschlossen ist, selbst wenn wir dies immer wieder meinen und auch so erleben. Es gibt in vielen Religionen die Annahme der Existenz von Engeln und Teufeln. Teilweise werden sie auch anders benannt. Dies ist auch im Alten und im Neuen Testament so. Wir übersehen oft, wie viele Schriftgruppen und gerade auch fast alle Schriften des Neuen Testaments solche Kräfte zusammenfassend „Mächte und Gewalten" nennen. Ich will nur eine Stelle hier eigens anführen. So sagt der erste Petrusbrief von Jesus Christus, dass er „in den Himmel gegangen ist; dort ist er zur Rechten Gottes, und Engel, Gewalten und Mächte sind ihm unterworfen" (1 Petr 3, 22).

Ich will jetzt nicht die religionsgeschichtlichen Hintergründe erläutern. Es ist ein reiches Erbe aus fast allen antiken Religionen, die in die biblischen Schriften eingegangen sind. Es sind nicht einfach Fiktionen antiker Phantasien. Dies ist jedoch ein Beleg dafür, dass die Menschen offenbar uns vielleicht fremd gewordene, aber reale Erfahrungen machten, dass die Wirklichkeit nicht einfach über unseren Köpfen zu Ende ist und nur noch schöne Märchen oder Fiktionen darüber hinaus existieren. Es gibt zwischen Gott und den Menschen noch Zwischenwelten und Zwischenwesen, die uns durchaus berühren. Nicht zufällig haben diese unglaublich viele Namen: Teufel und Engel, Dämonen und Geister, Herrschaften und Throne, Weltherrscher und Herren, Mächte und Gewalten. Sie werden verglichen mit anderen Wesen: der Schlange, dem Drachen, dem Löwen. Sie haben auch andere Namen: der Böse, der Ankläger, der Versucher, der Feind oder man nennt sie einfach die Boten. Die Figur des Teufels erscheint in zahlreichen Gestalten, auch schon in den Namen (z.B. auch Satan). Er erscheint aber auch in der Gestalt eines gefräßigen Tieres (vgl. besonders in der Offenbarung des Johannes, z.B. Kap. 13). Immer wieder wird auch das Teuflische mit der Herrschaft der „Lüfte" in Verbindung gebracht (vgl. Eph 2,2). Der Satan ist der „Herrscher der Lüfte", d.h. der Atmosphäre. Dies ist auch sein eigentliches Machtinstrument, dass er über die „Lüfte" in der Atmosphäre indirekt und oft verborgen Macht über die Menschen gewinnt. Jedenfalls ist dies der bevorzugte Weg der Ausdehnung seines Einflusses. So verbleibt der Teufel mit seinen Dämonen auch immer im Hintergrund.

Vor allem der verführerische Schein bezaubert die Menschen immer wieder. Das Teuflische erscheint oft als ein Engel des Lichts. In diesem Sinne ist wirklich die Täuschung und Lüge ein wesentlicher Hintergrund für dieses gleißnerische Spiel von Licht und Dunkel. Es ist aufschlussreich, wie der Apostel Paulus von diesen Mächten und Gewalten spricht. Für ihn sind alle diese Mächte von einer einheitlichen Wirkung und doch sehr diffus. Wenn gesagt wird, dass sie „in den Himmeln" beheimatet sind, muss man die Sprache des heiligen Paulus genauer beachten: „Damit sind die Himmel der Erde gemeint und nicht der Himmel Gottes. Es ist die unsichtbare Tiefe der Welt, aus der solche Kräfte die Erde und die Menschen bedrängen. Es ist die Grenzdimension des Irdischen, von der sie ausbrechen, aus der sie hereinbrechen. Es ist das Transzendente in der Immanenz, ‚das Jenseits im Diesseits‘, in dem sie hausen und das in ihrem Wesen mitgegeben ist." (Heinrich Schlier)

Bei diesen Engeln und Teufeln gibt es eine sehr widersprüchliche Weise zu wirken, denn einerseits sind diese Mächte alle personal. Deswegen haben sie auch recht verschiedene Namen. Dieses Wirken ist zielbewusst und lässt einen überlegenen Geist im Hintergrund vermuten. Zugleich aber treten sie irrational und rätselhaft auf. So sind es Mächte und Gewalten, die man nicht so recht fassen kann, sie umgarnen die Menschen und bezirzen sie. Dies ergibt eine eigentümliche Mischung in ihrer Wirksamkeit. Sie sind wie personale Mächte, verstecken sich jedoch auch immer wieder, und sie sind zugleich eine rätselhafte Macht und Gewalt.

Wir meinen, wir seien immer mehr selbstbestimmte Wesen oder wenigstens auf dem Weg dahin. Aber unsere Sprache und unsere Bilder verraten uns auch heute, wenn sie eben zeigen, dass wir immer auch im Bannkreis vieler Mächte sind, sichtbarer und unsichtbarer. Besonders beherrschen sie uns durch Stimmungen, Atmosphären, Lüfte. Hier darf man auch an die Herrschaft von Gerüchten, von Meinungen denken, die wir oft schnell annehmen und glauben . Wir sind dann nicht weit davon entfernt, dass auch unsere modernen Medien solche Atmosphären und „Lüfte" erzeugen können. Sie sind wirksamer, je mehr sie verborgen wirken.

Eine Ausstellung kann uns immer auch Wirklichkeiten aufzeigen, die wir vergessen haben, jedenfalls nicht kennen. Sie nimmt die Schleier vor unseren Augen weg, damit wir wirklich die volle Realität wieder entdecken. Dann zeigt es sich, dass wir von vielen Mächten, Engeln und Teufeln heimlich oder offen bestimmt werden. Wie begegnen wir ihnen, wie verhalten wir uns? Die Bibel gibt uns eine doppelte Antwort dazu. Einmal wird uns gesagt „Seid nüchtern und wachsam, euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge; ihm widersteht fest im Glauben." (1 Petr 5,8). Wir müssen illusionslos mit dem Teufel und seinen Mächten rechnen, auf die Schliche achten und aufmerksam bleiben. Weil die Welt in diesem Sinne von Engeln und Teufeln, von guten und bösen Mächten bestimmt wird, ist sie zwiespältig und zweideutig. Sie hat viele Tarnungen bei sich, die der Mensch sich gefallen lässt. Darum ist eine zweite Mahnung der Bibel wichtig: „Prüfet die Geister" (1 Joh 4,1). Wir müssen viel stärker die „Unterscheidung der Geister" üben und praktizieren (vgl. 1 Kor 12, 10). Dafür braucht man letztlich auch die Engel, die die oft haarscharfe Grenze zwischen dem guten und dem bösen Geist markieren und uns darauf aufmerksam machen.

Ich danke dem Gutenberg-Museum, das es uns diese oft raffiniert verborgene Wahrheit durch die Ausstellung wieder entdecken lässt. Darum dürfen wir Ihnen, Frau Direktorin Dr. Annette Ludwig, sowie Ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aufrichtig gratulieren.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz