Weltweiter Zeuge der Hoffnung

Stellungnahme von Kardinal Lehmann zur Wahl von Papst Franziskus

Datum:
Donnerstag, 14. März 2013

Stellungnahme von Kardinal Lehmann zur Wahl von Papst Franziskus

Rom/Mainz. Im Folgenden dokumentieren wir die Stellungnahme des Mainzer Bischofs, Kardinal Karl Lehmann, zur Wahl von Papst Franziskus. Kardinal Lehmann, der am Konklave zur Wahl des neuen Papstes teilgenommen hat, ist derzeit noch in Rom und wird auch am Einführungsgottesdienst des Papstes am kommenden Dienstag, 19. März, teilnehmen.

Keine vollen vierzehn Tage war die katholische Kirche ohne einen Papst. In der Zwischenzeit hatte nach den gültigen Bestimmungen das Kardinalskollegium die Leitung der Kirche übernommen. In zehn Vollversammlungen aller Mitglieder des Kardinalskollegiums - dies sind knapp über zweihundert - stand die Lage der weltweiten Kirche im Zentrum. Daraus ergaben sich, ohne Namen auszusprechen, die Anforderungen an einen neuen Oberhirten. In knapp zwei Tagen entschieden die 115 Kardinäle, die unter achtzig Lebensjahren ein Wahlrecht besitzen, den Nachfolger von Papst Benedikt XVI. Die Entscheidung fiel nach einem knappen Tag im fünften Wahlgang.

Mit der Wahl des Erzbischofs Jorge Mario Bergoglio von Buenos Aires in Argentinien war eine dreifache Besonderheit gegeben. Kardinal Bergoglio ist der erste Nicht-Europäer in der Papstgeschichte und vertritt als Argentinier den lateinamerikanischen Halbkontinent, in dem die Hälfte der 1,2 Milliarden Katholiken in aller Welt lebt. Er ist zweitens ein Angehöriger des Jesuitenordens. Die „Gesellschaft Jesu", die ein besonderes Dienst- und Gehorsamsverständnis zum Papst hat, kann zum ersten Mal den obersten Hirten der katholischen Weltkirche stellen. Umso überraschender war es drittens auch für Viele, dass Kardinal Bergoglio als Jesuit sich den Namen Franziskus beilegte und dabei hinzufügte, dass er diese Wahl im Gedenken an den heiligen Franziskus von Assisi getroffen habe. Aber dies war nicht nur die Überraschung, dass ein Sohn des heiligen Ignatius von Loyola den Namen des Gründers der franziskanischen Bewegung annahm, sondern, dass er mit dem Namen des Poverello von Assisi sich in besonderer Weise als Anwalt der Armen bekannte. Diese dreifache Überraschung glich insgesamt einer Sensation.

Ich glaube, dass die Wähler aus aller Welt damit einen Nachfolger Petri und besonders auch Benedikts XVI. bestimmten, der den Erwartungen in einem hohen Maß entsprechen kann: Er ist nicht nur in der Philosophie und Theologie zuhause, sondern kennt auch die heutige geistige und gesellschaftliche Situation des Menschen. Er war auch einmal Chemie-Laborant und studierte Literatur und Psychologie. Aber er ist deswegen nicht ein Fachexperte in Theologie, wie es sein Vorgänger war, und auch kein Intellektueller im üblichen Sinn. Er kennt die Wege des Menschen, gerade auch in Not und Elend. Er hat als Ordensmann mit Verantwortung auf vielen Ebenen und als verantwortlicher Seelsorger einer Weltstadt eine nüchterne Vision vom Weg der Kirche in Gegenwart und Zukunft. Schließlich erwarten alle, die ihn kennen, und besonders seine Wähler, dass er angesichts der notwendigen Reformen vor allem auch in der Kirche selbst Führungskraft und Durchsetzungsfähigkeit an den Tag legen kann, wie viele ihm, die ihn näher kennen, bescheinigen. Reformen beziehen sich dabei freilich aber nicht in erster Linie oder nur auf Strukturveränderungen, sondern sie beginnen bei der Umkehr des einzelnen Menschen zu neuer Wahrheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. Er weiß auch um umfassende Gefährdungen des Menschen, besonders angesichts der vielfältigen Bedrohungen unserer Lebensbedingungen.

So begegnete Papst Franziskus nach der Wahl nicht nur den bisherigen Amtsbrüdern, sondern auch den Hunderttausenden von Menschen, die nach dem Aufsteigen des weißen Rauches wie bisher in Rom aus allen Stadtteilen auf den Petersplatz strömten, bis hinunter zum Tiber.

Er kam ohne zusätzliche Ausstattung im schlichten weißen Talar des Papstes. Ganz natürlich und einfach begrüßte er mit „buona sera" und später mit „buon riposo", „Guten Abend" und „Gute Nachtruhe". Er sprach vorwiegend als Bischof von Rom, bat schlicht und überzeugend um das Gebet und um den Segen der Menschen, bevor er ihnen allen weltweit seinen ersten Apostolischen Segen von der Loggia des Petersdomes zusprach.

Es war ein starker Anfang. Bald werden wir mehr wissen, was er damit konkret für Kirche und Welt meint und vorhat. Er wird wohl damit nicht lange zögern. Sein Alter drängt ihn neben vielem anderem zur Eile. Aber, es ist eine Eile mit Weile.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz