ZUR RETTUNG DES SONNTAGS

Kommentar in der Kirchenzeitung

Datum:
Donnerstag, 21. November 2002

Kommentar in der Kirchenzeitung

Einladung zu einer beachtlichen Ausstellung

In der ganzen Geschichte um die Fest- und Feiertage kam der Sonntag immer wieder in Bedrängnis. Verschiedene Interessen haben seine Bedeutung immer wieder auszuhöhlen versucht. Dabei erfolgte eine besondere Gefährdung im Zug der Industrialisierung des 19. Jahrhunderts, als die Zahl der Arbeitsstunden pro Woche, z.Teil auch für Kinder, erschreckend hoch lag. Die Einführung der „Gleitenden Arbeitswoche" und die sogenannte Flexibiliserung der Arbeitszeit haben zu verschiedenen Zeiten im vergangenen Jahrhundert dazu beigetragen, die herausragende Stellung des Sonntags einzuebnen. Geblieben ist vor allem das „Wochenende" in der Einheit von Samstag und Sonntag, wobei dieses Week-end für viele schon am Freitag-Nachmittag beginnt.

Die Kirchen haben entscheidend mit dem Ziel gerungen, den Sonntag als religiösen Feiertag zu erhalten. Zum Teil geschah dies im Bündnis mit anderen Partnern, bis zum heutigen Tag z.B. mit den Gewerkschaften. In den letzten 20 Jahren haben die Kirchen in unserem Land in mindestens fünf größeren Gemeinsamen Worten versucht, das Bewußtsein für die Rettung des Sonntags zu intensivieren. Dabei geht es – bei aller Wichtigkeit der sonntäglichen Eucharistiefeier, die von Anfang an zum christlichen Glauben gehört -, nicht nur um eine isolierte Sonntagspflicht. Wir wissen zwar heute, wie sehr der regelmäßige Gottesdienstbesuch ein unbestechlicher Gradmesser auch für andere Formen der Beteiligung am Leben der Kirche ist. Aber es geht uns um den ganzen Sonntag, so wie er am Anfang der Schöpfung als der siebte Tag für die Ruhe des Menschen und seine „Erhebung" zu Gott geschaffen worden ist. Der Gottesdienstbesuch muss in die ganze Sonntagskultur eingebettet sein und darauf zurückbezogen werden..

Dies sind viele Bemühungen, die sehr stark mit der Waffe des Wortes kämpfen. Deshalb mag es besonders gut sein, diese Bemühungen einmal für unsere vielfältigen Sinne anschaulich zu machen. Hier kann man mit Hilfe der heutigen Medien vieles konkret und farbig an den Tag bringen, was sonst eher etwas blass und abstrakt bleibt. So ist es sehr zu begrüßen, dass die Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland" in Bonn eine ausgezeichnete Ausstellung bereit hält, die dann – ganz besonders wichtig - auch vom Juni bis Oktober 2003 im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig zugänglich ist.

Hier wird man in geradezu aufregender Weise mit dem Ursprung und der Tradition des Sonntags, ganz besonders aber in der jüngsten Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und der ehemaligen DDR, vertraut gemacht. Direktor Prof. Dr. Hermann Schäfer und seine Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter haben die ganzen Möglichkeiten heutiger Ausstellungstechnik- und –kunst genutzt, um diese spannende Geschichte mit ca. 1100 Ausstellungsgegenständen sichtbar zu machen.

Die Ausstellung macht Mut für den Kampf um den Sonntag, der immer wieder neu zu führen ist. Sie zeigt die tiefen Motive im biblisch-christlichen Glauben. Sie macht einleuchtend, wie und warum alle Versuche einer Abschaffung des Sonntags schief gingen und wie sehr auch heute noch eine große Mehrheit der Bevölkerung am arbeitsfreien Sonntag festhalten will.

Es ist darum gut, wenn diese Ausstellung nicht von den Kirchen direkt, wohl aber mit ihrer Unterstützung veranstaltet wird, sondern dass eine unbefangene Geschichts- und Sozialwissenschaft zu diesen Erkenntnissen führt. Man sollte sich, wenn man in Bonn ist, diese Gelegenheit mit einem interessanten Beiprogramm und mit einem informativen Begleitbuch nicht entgehen lassen.

(c) Bischof Karl Kardinal Lehmann

 

Hinweis: Die Stiftung „Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland", Museumsmeile, Willy-Brandt-Allee 14, „Der siebte Tag. Geschichte des Sonntags", 25. Oktober 2002 bis zum 21. April 2003. Tel.: 0228/9165-0, Fax: 0228/9165-302. Internet: www.hdg.de. Dienstag – Sonntag 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr. Eintritt frei.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz