Zur Verabschiedung von Johannes Joachim Kardinal Degenhardt, Erzbischof von Paderborn,

Grußwort im Pontifikalgottesdienst anlässlich der Beerdigung am 3. August 2002 im Hohen Dom zu Paderborn

Datum:
Samstag, 3. August 2002

Grußwort im Pontifikalgottesdienst anlässlich der Beerdigung am 3. August 2002 im Hohen Dom zu Paderborn

Es gilt das gesprochene Wort!

Vor eineinhalb Jahren haben wir unmittelbar nach der Berufung in das Kardinalskollegium (28.01.2001) am 31.01.2001 hier im Dom den 75. Geburtstag von Kardinal Degenhardt gefeiert. Nun müssen wir ihn wenige Tage vor seinem Goldenen Priesterjubiläum (6.8.) hier im Hohen Dom zur letzten Ruhestätte tragen. Ein ungewöhnlich intensives und arbeitsreiches Leben ist vollendet. Dies gilt gerade auch für die Deutsche Bischofskonferenz, für die ich ein tief empfundenes Wort des Dankes und des Abschieds sagen darf.

Johannes Joachim Kardinal Degenhardt war das dienstälteste Mitglied unserer Bischofskonferenz, dicht gefolgt im Abstand weniger Wochen von Friedrich Kardinal Wetter, Erzbischof von München und Freising. 34 Jahre lang, sechs als Weihbischof, 28 als Erzbischof von Paderborn hat er auch unserer Bischofskonferenz seine Talente und Dienste geschenkt. Es war eine Zeit des intensiven Aufbruchs nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil, um die Bischofskonferenz auf- und auszubauen, damit sie ihren Aufgaben gerecht werden kann. In dieser gesamten Zeit war Erzbischof und Kardinal Degenhardt eine tragende Säule in unserer Bischofskonferenz.

 

Dies zeigt sich nicht zuletzt in der Mitgliedschaft vieler Kommissionen, die er zum Teil auch leitete. Unmittelbar nach der Ernennung zum Erzbischof wurde er zum Vorsitzenden der Ökumene-Kommission gewählt (1974-1976) und hat damit die Förderung der Ökumene durch seinen Vorgänger Lorenz Kardinal Jaeger und das Erzbistum Paderborn tatkräftig fortgesetzt. Dies gilt nicht zuletzt auch für die Dienste des Johann Adam-Möhler-Instituts bis zum heutigen Tag.

 

Der Erzbischof von Paderborn blieb auch in der Ökumene-Kommission, als er 1976 zum Vorsitzenden der Kommission „Erziehung und Schule" gewählt wurde. Fast 25 Jahre, nämlich bis 1990, hat er in einer Zeit pädagogischer und kulturpolitischer Umbrüche die Sorge um Erziehung und Schule an entscheidender Stelle mitgetragen und ganz besonders auch durch wertvolle Dokumente in dieser Zeit die Schule insgesamt, die katholischen Schulen im Besonderen, vor allem aber auch den Religionsunterricht und den Beruf des Religionslehrers gestärkt und zu ihrem eigenen Auftrag ermutigt. Dies sind bleibende Verdienste, weil auch die hier erarbeiteten Texte noch lange ihre Gültigkeit behalten werden. Er war immer besonders wach, wenn es um die Schule und die Glaubensunterweisung, ja überhaupt um die Jugend ging.

 

Eine weitere spezielle Aufgabe, die die Erzbischöfe und die Erzdiözese von Paderborn immer für die Deutschen Bischofskonferenz besorgt hatten, war und ist die Sorge um die Diaspora. Von Anfang an war es ein wichtiges Anliegen des verstorbenen Kardinals, die katholischen Christen in der Zerstreuung zu begleiten. Dies galt besonders für das Gebiet der heutigen neuen Bundesländer, überhaupt für den Norden und Nordosten Deutschlands. Aber die Sorge galt ganz besonders den Katholiken in Nordeuropa, die meist nur einen Anteil von fünf Prozent an der Gesamtbevölkerung haben. Schließlich waren immer auch die deutschsprachigen katholischen Gemeinschaften in anderen Ländern im Blick. Das Bonifatiuswerk der deutschen Katholiken und das vor allem in der Zeit der östlichen Staatsdiktaturen diskret arbeitende Diaspora-Kommissariat waren dafür die Hilfswerke, für die Erzbischof Degenhardt gerne für uns alle die Verantwortung übernommen hatte.

 

Ökumene und Diaspora sind nach Kardinal Degenhardt keine Gegensätze. Die echte Ökumene verlangt eine intensive Bindung an die eigene Kirche. Diese wird in der Diaspora auf die Probe gestellt. Nur wer dem eigenen Glauben auch in einer fremden Umgebung treu bleibt, wird sich auch wahrhaft für die gemeinsame Sache des christlichen Glaubens aktiv öffnen. Der Erzbischof von Paderborn und mit ihm die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Paderborn haben für uns alle dieses wichtige Erbe nicht nur gehütet und bewahrt, sondern auch gegenwärtig und lebendig erhalten.

 

Zwölf Jahre lang war Kardinal Degenhardt in der Nachfolge von Kardinal Hengsbach, der mit Kardinal Jaeger und Weihbischof Nordhues am 1.5.1965 die Bischofsweihe Degenhardts vorgenommen hat, der Vorsitzende des Verbandsausschusses und des Verwaltungsrates des Verbandes der Diözesen Deutschlands. Erfahren in der Leitung und Verwaltung eines großen Erzbistums hat er in vielen Beratungen und Sitzungen Sorge dafür getragen, dass die überdiözesanen Finanzmittel sachgerecht und zielsicher verwendet worden sind, wobei er – wie auch sonst in seinem Handeln – die Bedürfnisse und Nöte der Weltkirche besonders vor Augen hatte. Wir schulden ihm von allen Diözesen, Verbänden und Einrichtungen her einen tiefen Dank für diese oft eher verborgene Mitverantwortung.

 

Der Erzbischof von Paderborn hat noch ein großes Verdienst, dessen Fortführung wir auch vom Erzbistum selbst und von einem Nachfolger erbitten, nämlich die aktive Fürsorge für die überdiözesanen Aufgaben unserer Kirche. Bis in die letzten Wochen hinein hat Erzbischof und Kardinal Degenhardt es mit seinen Mitarbeitern immer wieder übers Herz gebracht, vor allem Priester für den Dienst besonders in den Vereinen und Verbänden zur Verfügung zu stellen. Ich denke nur an die Jugend- und Frauenseelsorge. Man konnte auf seine Hilfe bauen. So wie er unsere überdiözesane Arbeit entscheidend mitgetragen hat, ist die Unterstützung des Metropoliten Degenhardt auch deutlich geworden durch die Ernennung von Paderborner Weihbischöfen in Würzburg, Fulda und Trier. Sie waren in einer guten Schule. Nicht unerwähnt lassen möchte ich, dass Kardinal Degenhardt nicht minder großzügig war, seine qualifizierten Mitarbeiter, in erster Linie z.B. Generalvikar Kresing und Prälat Grothe, an wichtiger Stelle intensiv in den Gremien der Deutschen Bischofskonferenz und des Verbandes der Diözesen Deutschlands mitarbeiten zu lassen.

 

Ein Diener nach dem Herzen Gottes, dem auch der Hl. Vater durch die Berufung in das Kardinalskollegium die höchste Anerkennung zu Teil werden ließ, ist nach einem hingebungsvollem Leben für das Heil und Wohl der Menschen sowie für die Kirche des Herrn von uns gegangen. Immer hat Kardinal Degenhardt gegen alle Verführungen einer diesseitigen Ausrichtung von Glaube und Religion sein Leitwort zum Hauptinhalt seiner Verkündigung gemacht: Surrexit Dominus vere, Der Herr ist wahrhaft auferstanden. Es ist die kürzeste Form der Osterbotschaft, der Jubelruf der Jünger, wie ihn besonders Lukas hervorhebt, den der junge Johannes Joachim Degenhardt seit seiner Dissertation über die Armen bei Rudolf Schnackenburg besonders kennen und lieben lernte. Weil Jesus nicht im Tod geblieben ist, haben auch seine Jünger in der Nachfolge die feste Hoffnung und Gewissheit, dass die Schrecken des Todes nicht das letzte Wort haben, sondern ein gütiger Vater seine Söhne und Töchter empfängt und ihnen den Lohn schenkt für all das, was sie in dieser Zeit an Glaube, Hoffnung und Liebe bezeugt haben. Darum sagen wir mit Recht, gerade auch an einem Grab: Vergelt´s Gott! Amen.

 

(c) Karl Kardinal Lehmann

 

Erzbischof Johannes Joachim Kardinal Degenhardt, seit 1974 Erzbischof von Paderborn, ist am 25. Juli 2002 im Alter von 76 Jahren gestorben

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz