Am 11. Mai 2025 wurde im Festgottesdienst anlässlich des Jubiläums „150 Jahre katholische Kirche in Neu-Isenburg und Sprendlingen“ durch Generalvikar Dr. Sebastian Lang der neue Name unserer künftigen Pfarrei bekannt gegeben. Ab dem 1. Januar 2027 wird der Katholische Pastoralraum Dreieich-Isenburg unter dem Namen Hl. Edith Stein zur neuen Pfarrei zusammengeführt.
Die bestehenden Kirchen behalten selbstverständlich ihre jeweiligen Patronate. Die neue Pfarrei Hl. Edith Stein wird sie künftig organisatorisch und pastoral verbinden – unter einem gemeinsamen Namen und in gemeinsamer Verantwortung. Der Begriff „Katholischer Pastoralraum Dreieich-Isenburg“ wird mit der Errichtung der neuen Pfarrei abgelöst. Wir werden dann heißen: Pfarrei Hl. Edith Stein Dreieich-Isenburg.
Dieser Name ist das Ergebnis eines breit angelegten Beteiligungsprozesses. Viele Gemeindemitglieder haben Vorschläge eingereicht. Aus den drei meistgenannten Namen traf Bischof Peter Kohlgraf die Entscheidung zugunsten von Edith Stein. Damit wird eine Frau zur Patronin unserer Pfarrei, die für eine zutiefst verinnerlichte, zugleich hoch reflektierte und mutige Form des Glaubens steht. Ihr Leben und ihre Schriften verbinden Gebet, Denken und Märtyrertum in einzigartiger Weise.
In seiner Predigt griff Generalvikar Dr. Lang Gedanken Edith Steins auf, die deutlich machen, wie zentral das Gebet für das Leben der Kirche ist. Es reicht nicht, wenn Gottesdienste nur schön gestaltet sind – sie müssen aus einer lebendigen Beziehung zu Gott kommen. Nur wenn das innere Leben gestärkt wird, kann auch das äußere Gotteslob echt und kraftvoll sein. Liturgie lebt nicht von Formen allein. Sie wird zur Feier der Gegenwart Gottes, wenn sie aus Stille, Sammlung und der Verbindung mit Christus hervorgeht. Edith Stein sagt: Das Gebet der Kirche ist das Gebet des fortlebenden Christus – durch das Gebet lebt Christus in seiner Kirche weiter. Er ist mitten unter uns als der Hohepriester, der sich selbst für die Welt hingibt.
In einer oft lauten Welt erinnert uns Edith Stein an den Wert der Stille. Sie spricht davon, dass in der „stillen Zwiesprache des Herzens mit Gott“ die Bausteine für das Reich Gottes gelegt werden. In solchen Momenten des Rückzugs entsteht Tiefe – persönliche und geistliche. Wer betet, empfängt Kraft, Orientierung und Mut zum Handeln. Kirche lebt aus diesen inneren Quellen. Dort, wo Menschen vor Gott still werden, wo sie ihm zuhören und sich verändern lassen, entsteht das, was Liturgie im Kern ist: Begegnung mit dem lebendigen Gott.
Edith Stein war überzeugt, dass die Kirche lebendig bleibt, wenn der Heilige Geist in ihr wirken kann. Das bedeutet auch: überlieferte Formen dürfen nicht starr werden. Sie müssen mit Leben erfüllt werden – und manchmal auch erneuert. Denn der Geist weht, wo er will. Ohne diesen Geist gäbe es keine Liturgie und keine Kirche. Sie vergleicht die Seele mit einer Harfe, die nur dann zum Klingen kommt, wenn sie den leisen Hauch des Heiligen Geistes spürt. Dieses Bild steht für eine Kirche, die nicht aus Routine lebt, sondern aus einer hörenden und lebendigen Beziehung zu Gott.
Mit dem Namen „Hl. Edith Stein“ verbinden wir Gebet und Denken, Glauben und Verantwortung. Edith Stein war Philosophin und Suchende, Jüdin und Christin, Karmelitin und Märtyrerin. In ihr verbinden sich geistige Tiefe, Glaubenstreue und menschliche Klarheit. Dieser Name soll uns begleiten, wenn wir als neue Pfarrei zusammenwachsen. Er erinnert uns daran, dass Kirche mehr ist als Struktur – sie ist Gemeinschaft aus dem Glauben heraus, im Gebet und im Dienst für andere.
Philosophin, Christin, Karmelitin, Märtyrerin – eine Heilige unserer Zeit
Edith Stein wurde am 12. Oktober 1891 in Breslau (heute Wrocław, Polen) in eine jüdische Familie geboren. Schon früh zeigte sie eine außergewöhnliche geistige Begabung. Sie studierte Philosophie, Geschichte, Germanistik und Psychologie in Göttingen und Freiburg und wurde Schülerin und Assistentin des berühmten Phänomenologen Edmund Husserl. 1916 promovierte sie mit Auszeichnung.
In ihrer Suche nach Wahrheit und Sinn stieß sie auf die christliche Mystik, insbesondere auf die Schriften der heiligen Teresa von Ávila. Ihre intensive geistige Auseinandersetzung mit dem christlichen Glauben führte 1922 zur Konversion. Sie ließ sich in Bad Bergzabern katholisch taufen. Für sie war dies kein Bruch mit ihren jüdischen Wurzeln, sondern die Erfüllung ihrer geistlichen Suche.
In den folgenden Jahren wirkte Edith Stein als Dozentin, Autorin und Vortragende – vor allem zu Fragen der Bildung, Frauenrolle, Ethik und Philosophie. Sie war eine gefragte Rednerin im katholischen Bildungswesen. Wegen ihrer jüdischen Herkunft wurde sie 1933 durch das nationalsozialistische Regime von ihrer Lehrtätigkeit ausgeschlossen. Noch im selben Jahr trat sie in den Kölner Karmel ein und nahm den Ordensnamen Teresia Benedicta a Cruce („Theresia, vom Kreuz Gesegnet“) an.
Mit der zunehmenden Bedrohung durch das NS-Regime wurde sie 1938 in das Kloster im niederländischen Echt verlegt. Auch dort war sie nicht sicher: Nach der Verhaftung katholischer Juden als Vergeltung für einen Protest der niederländischen Bischöfe wurde Edith Stein am 2. August 1942 zusammen mit ihrer Schwester Rosa von der Gestapo abgeholt und ins KZ Auschwitz deportiert. Dort wurde sie am 9. August 1942 ermordet.
Edith Stein wurde 1987 von Papst Johannes Paul II. selig- und 1998 heiliggesprochen. Ein Jahr später ernannte er sie zur Mitpatronin Europas, neben Hl. Birgitta von Schweden und Hl. Katharina von Siena.
Ihr Leben verbindet auf einzigartige Weise Glaube und Wissenschaft, Judentum und Christentum, geistige Tiefe und konkretes Zeugnis. Sie gilt als Brückenfigur zwischen den Religionen und Kulturen, als Vorbild für Frauen und Intellektuelle in der Kirche – und als stille Zeugin der Wahrheit in einer dunklen Zeit.