Schon vor dem ersten Ton lag ein besonderer Zauber über St. Josef. Vor der Kirche standen Stehtische, auf denen jeweils eine große Kerze ein warmes Licht verbreitete. An zwei Tischen wurden Getränke ausgegeben, gut gekühlter Weißwein und Mineralwasser, die in den Pausen reichlich Zuspruch fanden.
Wer die Kirche betrat, erlebte ein ganz eigenes Schauspiel: Der Altarraum erstrahlte ganz in Rot, während blaues, violettes und grünes Licht die Säulen in einem geheimnisvollen Glanz erstrahlen ließ. So war der Kirchenraum auf eine Weise erleuchtet, die den ganzen Abend über für eine besondere Stimmung sorgte. Die Göckel-Orgel erstrahlte ihrerseits in hellem Weiß, auch von innen erleuchtet.
Pfarrer Martin Berker begrüßte die Gäste um 19:30 Uhr und erinnerte daran, dass die Orgel nicht nur als „Königin der Instrumente“ gilt, sondern in besonderer Weise Tiefe, Freude und Spiritualität schenkt. „Mit ihrer Klangfülle, ihrer Vielfalt und ihrem unverwechselbaren Charakter prägt sie das musikalische Leben unserer Gemeinde und erhebt zugleich Herz und Geist zum Gebet.“ Er lud dazu ein, sich an diesem Abend von der Musik verzaubern zu lassen.
Die Orgelnacht stand ganz im Zeichen des 25-jährigen Jubiläums der Göckel-Orgel und wurde von Beginn an zu einem Ereignis, das weit über ein gewöhnliches Konzert hinausging. Unterschiedliche Kirchenmusiker gestalteten das Programm. Im Laufe des Abends wechselte auch das Publikum immer wieder: Manche kamen gezielt für bestimmte Abschnitte, andere blieben bis nach Mitternacht. In der Spitze lauschten über siebzig Besucherinnen und Besucher den eindrucksvollen Klängen.
Den ersten „Nachtklang“ gestaltete Thomas Gabriel. Der Kirchenmusiker und Komponist, vielen bekannt durch seine Arbeit für das Neue Geistliche Lied und als Jazzpianist seines eigenen Trios, begann mit Mozarts „Eine kleine Nachtmusik“ und dem Andante F-Dur KV 616. Mit Zsolt Gárdonyis „Mozart changes“ brachte er eine zeitgenössische, spielerische Auseinandersetzung mit dem Wiener Klassiker, bevor César Francks Choral Nr. 3 in a-Moll die Klangfülle der Orgel weit ausleuchtete. Kräftiger Applaus dankte ihm für diesen Auftakt.
In der ersten Pause reichten die Helferinnen und Helfer vor der Kirche selbstgemachte Blätterteig-Schnecken. Viele Gäste blieben draußen an den Kerzentischen stehen, nahmen ein Glas Wein oder Wasser und tauschten sich lebhaft über das Gehörte aus und kamen mit den Musikern ins Gespräch.
Elvira Schwarz, Kantorin in Langen und im Evangelischen Dekanat Dreieich-Rodgau, eröffnete den zweiten Abschnitt. Ihre Stationen führten von der Regensburger Fachakademie bis zum A-Diplom in Frankfurt, seit 1995 prägt sie die Kirchenmusik in ihrer Region. Mit Bachs „Fantasia super: Komm, Heiliger Geist, Herre Gott“, Krebs’ Choralbearbeitung „Wir glauben all an einen Gott“, Justin Heinrich Knechts „Kleines Flötenconcert“ und Easthope Martins „Evensong“ verband sie barocke Strenge, klassizistische Leichtigkeit und romantische Innigkeit. Ihr hinreißender Auftritt wurde mit viel Beifall gewürdigt
Die zweite Pause bot frisches Laugengebäck. Schnell bildeten sich wieder kleine Runden an den Stehtischen, und es war spürbar, wie die Musik des Abends Gesprächsstoff und Verbindung schuf.
Der dritte „Nachtklang“ brachte eine Überraschung. Lars-Simon Sokola, der junge Organist und Wettbewerbspreisträger, war ursprünglich als Solist angekündigt. Gemeinsam mit seinem früheren Lehrer Bernhard Zosel, Dekanatskantor in Kronberg, trat er auf. Beide hatten zuvor schon in einem anderen Konzert musiziert und nahmen diese besondere Gelegenheit wahr, auch in St. Josef zusammen zu spielen. Sie brachten Hesses Fantasie d-Moll op. 87 mit großer Virtuosität zu Gehör, stellten mehrere Duetti von Samuel Wesley vor und führten in einer Bearbeitung von Vincent Novello zur großen Es-Dur-Fuge von Johann Sebastian Bach. Es folgten Werke von Zucchinetti und Leenen, bevor John Philip Sousas Märsche „The Stars and Stripes Forever“ und „The Washington Post“ in einer Fassung für Orgel zu vier Händen den Höhepunkt bildeten. Das Publikum war davon absolut begeistert.
In der dritten Pause reichten die Helfer Knabbereien und Kekse. Viele Zuhörer blieben noch eine Weile beieinander stehen und genossen die Atmosphäre vor und in der Kirche.
Dorothea Baumann, Dekanatskirchenmusikerin in Seligenstadt und Mainhausen, setzte den Abend mit Bachs Praeludium und Fuge in h-Moll fort. Eine Improvisation über „Verleih uns Frieden gnädiglich“ und César Francks Choral Nr. 2 in h-Moll zeigten die Vielseitigkeit einer Musikerin, die seit Jahrzehnten in der Region wirkt und auch als Leiterin der Reihe Musik bei Kerzenschein bekannt ist. Auch sie erhielt lang anhaltenden Applaus.
Den Schlusspunkt setzte Regionalkantorin Regina Engel, die seit 2002 in St. Josef die Kirchenmusik prägt. Sie studierte Instrumentalpädagogik, Kirchenmusik (A) und Chorleitung in Frankfurt am Main und ergänzte ihre Ausbildung durch internationale Meisterkurse. Sie hatte zuvor jeden Künstler vor seinem Auftritt vorgestellt und bedankte sich nun am Ende herzlich bei allen, die zum Gelingen des Abends beigetragen hatten. Ihr Programm spannte den Bogen von Frescobaldi und Arnolt Schlick über Howells’ „Psalm Prelude“ bis zu Jehan Alain und Karg-Elert. Mit Alains „Postlude pour l’Office de complies“ endete die Orgelnacht in einer Atmosphäre von würdevoller Ruhe und Klarheit. Das Publikum dankte ihr mit kräftigem Beifall für dieses Finale und zugleich für die Gesamtgestaltung des Abends.
Neben den musikalischen Eindrücken prägten auch die Pausen und die vielen Begegnungen den Abend. Ehrenamtliche Helfer sorgten für Aufbau, Ausschank und eine freundliche Bewirtung. Ihre Freude an der Aufgabe war sichtbar und trug entscheidend zum Gelingen bei.
In der Kirche informierten Mitglieder des Fördervereins Pfeifenorgel St. Josef e. V. über das Instrument und seine Geschichte. Bilder, Artikel und Zeitungsausschnitte erinnerten an 25 Jahre Orgelgeschichte. Deutlich wurde dabei auch: Die Göckel-Orgel ist ein handwerkliches Einzelstück, das Pflege und Wartung braucht, um ihre Kraft und Klangfülle zu bewahren. Der Verein wirbt daher um neue Mitglieder und Unterstützung, damit die Zukunft der Göckel-Orgel gesichert ist.
So fügte sich alles zusammen: die farbige Lichtgestaltung, die abwechslungsreiche Musik, die Pausen mit Speisen und Getränken, die Gespräche zwischen Gästen und Künstlern, die ehrenamtliche Hingabe und die Erinnerung an 25 Jahre Orgelgeschichte. Am Ende blieben Begeisterung und Dankbarkeit für einen Abend, der noch lange nachklingen wird.
Ein herzlicher Dank gilt allen Helfern, allen Künstlerinnen und Künstlern und besonders Regina Engel, die diese Gruppe von Musikerinnen und Musikern zusammengeführt hat.
Die Orgelnacht in St. Josef hat gezeigt, dass Musik, Licht und Gemeinschaft Menschen auf einfache Weise verzaubern können.
Der, am 26. November 1997 gegründete, Förderverein Pfeifenorgel hat sich die Pflege und Instandhaltung der Göckel-Orgel zur Aufgabe gemacht, damit sie auch künftigen Generationen ihre Dienste leisten kann.