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Nachricht:„Mein Sohn ist auch Pfarrer"

Pfarrer Lohenner2
Datum:
25. Feb. 2022
Von:
Doris Lieven

Impressionen eines Gottesdienstes aus der Sicht eines evangelischen Kollegen

Mit diesem Satz werde ich von einer Frau in einer bunt gemischten Gottesdienst Gemeinde begrüßt. Jeden Monat treffen wir uns in der Küche des Geronto Wohnbereichs. Als evangelischer Altenseelsor ger bin ich für alle BewohnerInnen des Haus Johannes in Heppenheim/Bergstraße zuständig. Viele sind mit unterschiedlichem Schweregrad an Demenz erkrankt. Der Raum wurde von einer Alltagsbetreuerin einladend gestaltet. So stehen auf einem improvisierten Al tar mit besticktem Deckchen Blumen aus dem hauseigenen Garten. Kreuz, Kerze und Bibel bringe ich mit. Während ich sie aufstelle, erkläre ich ihre Bedeutung. Diese Gegenstände
wie auch mein Talar dienen der Wiedererkennung. Über den bereitgestellten CDSpieler ertönen Glocken. Inzwischen hat sich
der Raum weiter gefüllt, so dass gut zehn Personen anwesend sind. Auch die Lieder zu Beginn und am Schluss kommen von der CD. Es sind gängige Stücke, wie etwa „Geh aus mein Herz“. Der Gottesdienst entspricht dem ü blichen Wort Gottesdienst. Allerdings sind die Gebete Tagesgebet und Fürbitte sehr kurz gehalten, meist drei einfache Sätze. Dies gilt auch für Psalm und Lesung. Auch wenn das Glaubensbekenntnis lang ist und kompliziert erscheint, muss es vorkommen. Vi ele erkennen es wieder und sprechen mit. Ebenso ist es beim Vater Unser. Bei diesen Texten wie auch bei den Liedern entsteht ein besonderes Gefühl der Zusammengehörigkeit.
Den Mittelteil des Gottesdienstes bildet eine kurze Geschichte, manchmal verbunden m it einem Symbol.
Aufkommende Unruhe einzelner Teilnehmenden wird von der Betreuerin aufgefangen oder ich gebe mit einer kurzen Pause Raum, um zur Ruhe zu kommen. Manchmal gibt es ganz impulsive Äußerungen, die ich aufnehme und die den Gottesdienst beleben. Generell geht es nicht um einen starren Ablauf. Ganz wichtig ist der Blickkontakt, der Augen Blick , um bei den Menschen zu sein. So wird der Gottesdienst nicht nur für die BewohnerInnen, sondern erst recht mit ihnen gefeiert. Dazu trägt sogar die Küche als Ort bei. In gewisser Weise erinnert es mich an die ersten Hausgemeinden.
Nach dem als sehr wichtig empfundenen Segen folgt manchmal ein kurzes Orgelstück zum Ausklang. Nach einer knappen halben Stunde endet der Gottesdienst. Während ich meine Sachen wie der zusammenpacke, wird noch das ein oder andere Wort gewechselt, ein Scherz gemacht, ein kleineres Gespräch geführt und auf das nächste Mal hingewiesen.

Michael Lohenner, Pfr.

 

Pfarrer Michael Lohenner und Claudia Flath (kath. Gemeindereferentin) sind Kolleg:innen in der Arbeit mit dementiell erkrankten Menschen an der Bergstraße.