Das Lob des Schöpfers und die Geschwisterlichkeit zwischen dem Menschen und der übrigen Schöpfung haben Sie über die Feier Ihrer Diakonenweihe geschrieben. Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Immerhin war Franz von Assisi ein Bruder im Dienst als Diakon. In ihm haben Sie ein starkes Vorbild.
„Mache unser ganzes Leben zu einem Loblied deiner Herrlichkeit“ – An diese Bitte aus einer Oration des Stundenbuchs musste ich denken, als ich in der Einladung zur heutigen Diakonenweihe den „Sonnengesang“ des heiligen Franziskus abgedruckt sah. Das Lob des Schöpfers und die Geschwisterlichkeit zwischen dem Menschen und der übrigen Schöpfung haben Sie über die Feier Ihrer Diakonenweihe geschrieben. Es lohnt sich, darüber nachzudenken. Immerhin war Franz von Assisi ein Bruder im Dienst als Diakon. In ihm haben Sie ein starkes Vorbild.
„Seid Ihr bereit, aus dem Geist der Innerlichkeit zu leben, Männer des Gebets zu werden?“ So lautet eine der Bereitschaftsfragen vor der eigentlichen Weihehandlung. Und ich nehme die Ehefrauen und Familien mit in den Blick: Eigentlich sollen sie dieses Versprechen innerlich mittragen, Menschen des Gebets zu werden. Das beinhaltet wohl mehr als die Annahme der Verpflichtung zum regelmäßigen Stundengebet. Auch Paulus fordert einmal dazu auf, ohne Unterlass zu beten (1 Thess 5,17). Das ist etwas anderes, als Gott Texte vorzutragen. Es geht um eine Haltung des Gebets, die das ganze Leben begleitet und motiviert, ja, das Leben selbst zum Loblied auf Gottes Herrlichkeit werden lässt. Das ist ein großes Wort. Aber gerade beim heiligen Franz von Assisi kann man ablesen, was das bedeuten kann. Bei ihm ist es die Liebe zur Schöpfung und zum Schöpfer, die ihn ganz durchdringt. Es ist die immer wiederkehrende Betrachtung des gekreuzigten Christus, in dessen Wunden sich die ganze Liebe und – kühn gesagt – die Verletzlichkeit Gottes ausdrückt. Franziskus selbst wird auf La Verna die Wundmale empfangen, wie berichtet wird, und damit auch äußerlich die Leiden und die Liebe Christi mittragen. Menschen des Gebets zu werden, könnte also auch dies bedeuten: Christus als letzten Maßstab anzunehmen, ihn zu betrachten, wie er zu leben, im Grunde genommen ein „anderer“ Christus zu werden – mit allen Schwächen und Begrenzungen, nicht als religiöser Leistungsdruck, sondern als dankbare Annahme seiner Liebe und seiner Hinwendung zu und Menschen. Als Franziskus den „Sonnengesang“ singt und die Wunder der Schöpfung bestaunt, liegt er selbst schwer erkrankt, erblindet auf dem Sterbebett. Für ihn sind die Erfahrung der Schönheit Gottes und seiner Schöpfung und die Erfahrung des Leidens kein Gegensatz. Selbst der Tod ist „Schwester“ Tod. Ein Mensch des Gebets weiß sich immer und überall in Gottes Händen, auch an den dunklen Tagen seines Lebens. Gebet ist keine fromme Übung, sondern eine Haltung. Diese Haltung drückt sich im Dienst des Diakons sicher auch dadurch aus, dass er sich den Menschen nahe weiß, die durch ein dunkles Tal gehen und jemanden brauchen, der ihnen die Augen neu öffnet für Gott und seine schöpferische Kraft für einen Neuanfang; die einen Menschen brauchen, der nicht wegläuft, sondern dabei bleibt. Seelsorge nennen wir das. Ein Seelsorger oder eine Seelsorgerin kann wohl nur der Mensch sein, der Gott etwas zutraut, der den anderen Menschen als Bruder oder Schwester sehen lernt, der ein Auge hat für die Wunder des Lebens, die uns die Schönheit Gottes aufschließen.
Diese Haltung des Gebets dient dem anderen, dient der Welt, in der wir leben, so führt es die oben genannte Bereitschaftsfrage fort. Franziskus versteht sein ganzes Leben nicht als eine religiöse Selbstverwirklichung. Es passt zu ihm, dass er in Greccio die erste lebendige Weihnachtskrippe gestaltet. Als er diese nachstellte, war ihm besonders wichtig, den Glauben zu bekennen, dass Gott konkret erfahrbar in diese Welt kommt. Dazu legte er ein echtes Kind in die Krippe, er besorgte echte Tiere, Schafe, Ochs und Esel. Es war gewollt, dass es dort laut ist, dass dort Leben herrscht, dass die Tiere und die Menschen sich lautstark zu Wort melden. Und die Tiere sollten auch den entsprechenden Stallgeruch mitbringen. Es ging darum, zu erleben, was damals wirklich geschehen ist. Und die Menschen, die am Gottesdienst teilnahmen, waren nicht unbeteiligte Zuschauer, sondern sie waren plötzlich Zeitgenossen von Maria und Josef, den Hirten, den Tieren. Sie waren Akteure des Geschehens von Bethlehem. Sie konnten das Ereignis nicht aus der Distanz betrachten. Papst Franziskus hat das starke Wort geprägt, dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger den „Stallgeruch“ der Schafe annehmen müssten. Franz von Assisi zeigt, dass der kirchliche Dienst nicht abgehoben von der Wirklichkeit der Menschen gelebt werden kann. Und er sieht keinen Gegensatz zwischen der Annahme des Stallgeruchs der Schafe und der Annahme des „Wohlgeruchs Christi“ (2 Kor 2,15), von dem Paulus einmal spricht. Christus nimmt das Menschsein an, so bitte auch seine Jüngerinnen und Jünger. So wird deutlich, dass die Haltung des Gebets nicht nur reine Innerlichkeit ist, sondern Hinwendung zum Menschen, zur Welt, zur Schöpfung, Verantwortung, gelebte Geschwisterlichkeit.
Und in „Evangelii Gaudium“ (Nr. 197) führt er einen Gedanken weiter: „Im Herzen Gottes gibt es einen so bevorzugten Platz für die Armen, dass er selbst ‚arm wurde‘ (2 Kor 8,9). (…) Als er mit der Verkündigung des Gottesreichs begann, folgten ihm Scharen von Entrechteten, und so zeigte sich, was er selbst gesagt hatte: ‚Der Geist des Herrn ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe‘ (Lk 4,18). Denen, die unter der Last von Leid und Armut lebten, versicherte er, dass Gott sie im Zentrum seines Herzens trug: ‚Selig, ihr Armen, denn euch gehört das Reich Gottes‘ (Lk 6,20); mit ihnen identifizierte er sich: ‚Ich war hungrig, und ihr habt mir zu essen gegeben‘ und lehrte, dass die Barmherzigkeit ihnen gegenüber der Schlüssel zum Himmel ist (vgl. Mt 25,35f).“
„Seid ihr bereit, den Armen und Kranken beizustehen und den Heimatlosen und Notleidenden zu helfen?“ – heißt eine weitere Frage an Sie heute. Sie legen kein Armutsgelübde ab, aber aus der Haltung des Gebets, der Liebe zur Schöpfung, zum Menschen leitet sich notwendig ab, eine tatkräftige Zuwendung zu leben, die man im Sinne des Evangeliums als „Geist der Armut“ bezeichnen könnte. Dieser Geist zeigt sich darin, sich nicht über das Haben zu definieren, und den anderen Menschen eben auch nicht. „Selig sind, die ihr Herz noch zu verschenken haben“ sagt Bischof Franz Kamphaus in einer Predigt. Der Geist der Armut bewahrt davor, die Schöpfung auszubeuten oder den anderen Menschen als „Mittel zum Zweck“ zu sehen. Es gibt wohl keinen besseren Zeugen als Franz von Assisi, um die Wirkungen dieser Armutshaltung zu sehen. Als er seinem Vater die Kleidung vor die Füße wirft, beginnt er ein neues Leben aus diesem Geist heraus und bekennt sich zu Gott, dem Vater und Schöpfer, von dem er alles erwartet. Den Geist der Armut zu leben heißt dann auch, seine eigenen Grenzen anzunehmen und sich selbst als Geschöpf mit diesen Grenzen lieben zu lernen. Vor Gott darf ich so schwach und arm sein, und dies wird mich vor jeder Überheblichkeit anderen gegenüber schützen.
Liebe Weihekandidaten, liebe Ehefrauen der Weihekandidaten, liebe Familien! Schauen Sie ab und zu einmal in die heute gestellten Fragen. Es lohnt sich, das heutige Versprechen immer wieder zu erneuern. Und beten Sie mit Franziskus ein Lob des Schöpfers und der Schöpfung, damit Sie immer mehr zu Menschen des Gebets, der Geschwisterlichkeit und der Zuwendung werden.