Dass Kirchenfürsten weltliche Herrschaft ausübten, war im frühneuzeitlichen Europa gang und gäbe. Nirgends aber gingen geistliche und weltliche Herrschaft eine engere Verbindung ein als im päpstlichen Kirchenstaat und in den geistlichen Fürstentümern des Heiligen Römischen Reiches, wo der Papst bzw. die Fürstbischöfe neben der höchsten geistlichen Autorität auch die weltliche Souveränität bzw. Landesherrschaft in ihrer Person vereinigten. Paolo Prodi hat diesen Sachverhalt für das Papsttum vor einigen Jahrzehnten mit dem einprägsamen Bild eines Körpers mit zwei Seelen („un corpo e due anime“) zum Ausdruck gebracht.
Die Tagung findet vom 8. bis 10. Oktober 2025 im Tagungshaus „Erbacher Hof“ in Mainz statt und wird vom Institut für Mainzer Kirchengeschichte mitorganisiert.
Informationen zur Tagung erhalten Sie unter kirchengeschichte@bistum-mainz.de
Inhalt
Die spezifische Konstellation der Personalunion von geistlicher und weltlicher Herrschaft hat von jeher die Aufmerksamkeit der historischen und kirchengeschichtlichen wie auch der rechtsgeschichtlichen, kunstgeschichtlichen und musikwissenschaftlichen Forschung auf sich gezogen, um nur einige der interessierten Disziplinen zu nennen. Dabei fällt jedoch auf, dass Papsttum und Reichskirche zwei weitgehend voneinander getrennte Forschungsfelder geblieben sind, zwischen denen es nur einen geringen Austausch gab und gibt, und das, obwohl die Forschungen zu beiden Gegenständen sich vielfach denselben oder ähnlichen Themen widmen bzw. vergleichbare Fragestellungen verfolgen.
Vor diesem Hintergrund verfolgt die Mainzer Tagung das Ziel, Spezialistinnen und Spezialistinnen für das frühneuzeitliche Papsttum und die Reichskirche zusammenzubringen, einen wissenschaftlichen Austausch zwischen ihnen anzustoßen und so die Forschungen zu beiden Gegenständen voranzutreiben.
Unter anderem folgende (nicht hermetisch voneinander zu trennende) Themenfelder bieten sich für eine derartige vergleichende Betrachtung an:
1. Herrscherwechsel
Der Blick auf den Herrscherwechsel ermöglicht grundlegende Einsichten in die Konstituierung von Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Mehr noch als für die Erbmonarchien gilt dies für die geistlichen Wahlmonarchien, bei denen die Untersuchung so-wohl der technisch-instrumentellen als auch der symbolisch-expressiven Dimension der Wahlverfahren wertvolle Ergebnisse erwarten lassen. Wie kam die konkrete Entscheidung für einen Kandidaten zustande? Welchen Einfluss nahmen weltliche Mächte auf die Wahl? Welche Rolle spielten das Kardinalskollegium bzw. das Domkapitel während der Sedisvakanz über die Papst- bzw. Bischofswahl hinaus? Welche Botschaften vermittelte das Trauer-, Wahl- und Herrschaftsantrittszeremoniell? In welchem Verhältnis standen Elemente der Kontinuität und des Bruchs bei den Wahlen zueinander bzw. welche Konstellationen veranlassten die Wahlkollegien sich für das eine oder das andere zu entscheiden.
2. Die personale Dimension geistlich-weltlicher Herrschaft
Fragt man nach den personalen Grundlagen päpstlicher oder fürstbischöflicher Herrschaft, so ist als wesentlicher, prägender Faktor zu berücksichtigen, dass Papst und Fürstbischöfe ihre Herrschaft nicht auf dem Weg der dynastischen Erbfolge erlangten und weitergaben, sondern durch Wahl. Dennoch spielten dynastische Aspekte und die Mechanismen der Adelsgesellschaft auch in den Kirchenstaaten eine bestimmende Rolle. Daher ist zunächst der Blick auf die Zusammensetzung des Kardinalskollegiums und der Domkapitel zu richten, die nicht nur als Wahlkörperschaften eine Schlüsselrolle besaßen, sondern deren Reihen Päpste und Fürstbischöfe auch ent-stammten. Große Aufmerksamkeit dürfen zudem die Familien und Klienten der Amtsträger beanspruchen. Vor allem für die Päpste des 17. Jahrhunderts ist in diesem Zusammenhang die Schlüsselposition der jeweiligen Kardinalnepoten betont worden. Ein Äquivalent für diesen Manager der päpstlichen Mikropolitik gab es in der Reichskirche nicht. Wohl aber pflegten auch die deutschen Fürstbischöfe wichtige Stellen mit Familienmitgliedern und Klienten zu besetzen. Gemeinsam war Päpsten und Fürstbischöfen die Sorge dafür, dass ihre Familien ökonomisches, soziales, kulturelles und symbolisches Kapital akkumulieren konnten, das ihnen einen Aufstieg auch über die eigene Amtszeit hinaus sicherte.
3. Weltliche Politik und Verwaltung in Kirchen-Staaten
In diesem Themenfeld ist zunächst von Interesse, inwiefern über die Person des Papstes bzw. Fürstbischofs hinaus geistliche und weltliche Verwaltung miteinander verflochten waren. So übten nicht nur auf der höchsten, sondern auch auf anderen Ebenen Geistliche weltliche Herrschaft aus, z.B. als Legaten im Stato Pontificio oder als Amtmänner in geistlichen Fürstentümern. Zudem gilt es bestimmte Politikfelder in den Blick zu nehmen, in denen Zielkonflikte zwischen den Ansprüchen an einen geistlichen Oberhirten und den Anforderungen an einen weltlichen Fürsten nahelagen oder geradezu vorprogrammiert waren, wie in den Bereichen Militär/Sicherheitspolitik, Sozial- und Wirtschaftspolitik, Bildung und Erziehung, aber auch im Umgang mit Andersgläubigen (Protestanten, Juden). Neben der materiellen Politik in den genannten Bereichen ist auch von Interesse, wie diese Politik symbolisch und publizistisch vermittelt wurde. Dies gilt insbesondere für das 18. Jahrhundert, als die aufgeklärte Kritik an den Kirchen-Staaten eine Herausforderung dar-stellte, mit der Papsttum und Reichskirche sehr unterschiedlich umgingen. Eine spezifisch katholische Aufklärung, wie sie die Forschung in mehreren deutschen Fürstbistümern identifiziert hat, gab es an der römischen Kurie nicht.
Kooperationspartner: , dem Arbeitsbereich Neuere Geschichte am Historischen Seminar der Johannes Gutenberg-Universität Mainz sowie dem Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte/Religiöse Volkskunde an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-Universität Mainz