Berthold von Henneberg (1441–1504)

Graf von Henneberg-Römhild

1484–1504 72. Kurfürst-Erzbischof von Mainz

 

Berthold von Henneberg-Römhild wurde im Jahre 1441 als siebtes von zwölf Kindern des Grafen Georg von Henneberg-Römhild und der Gräfin Johanna (Joanetta) von Nassau-Weilburg-Saarbrücken auf Burg Hartenberg geboren. Diese Stammburg der in spätsalischer Zeit aufgestiegenen Grafen von Henneberg liegt südlich Meiningen im ostfränkisch-thüringischen Raum. Erster nachweisbarer Mainzer Domherr des Geschlechts war 1289 Berthold, von 1274 bis zu seiner Absetzung wegen unkanonischer Wahl 1281 Bischof von Würzburg und 1307–13 Weihbischof von Mainz. Wohl erst mit Johann, 1472–1513 Abt von Fulda, gelangte um 1462 erneut ein Henneberg ins Mainzer Domstift. Ihm folgte 1464 Berthold.

Der wegen seiner leicht singenden Stimme „Nachtigall‟ geheißene Henneberg begann 1455 mit seinem Bruder Heinrich das Studium in Erfurt. Im gleichen Jahr oder schon 1451 erhielt er eine Dompfründe in Straßburg und 1455, 1462 oder 1472 auch eine solche in Bamberg. Seit 1458 war er im Kölner Domstift bepfründet. Hier wurde er 1460 Domherr und später Thesaurius. 1458 erhielt er eine Reservation für das Mainzer Domkapitel. 1464 wurde der inzwischen zum Priester geweihte Henneberg auf einer Priesterpfründe Mitglied, doch erst seit September 1472 zu den Kapitelsitzungen „graciose‟ zugelassen. 1466 beurlaubte ihn das Domkapitel bis Ostern 1467 für einen Aufenthalt in Rom, wo er seit 1461 Mitglied der Anima-Bruderschaft war. 1475 wählte ihn das Domkapitel zum Dekan. Vom 3. November des Jahres an war er wegen der damit verbundenen Aufgaben der Leitung und Geschäftsführung streng zur Residenz verpflichtet, damit zugleich aber in einer einflussreichen und einträglichen Position. Im gleichen Jahr wurde sein Bruder Philipp von Henneberg Bischof von Bamberg. Henneberg stand in einem guten Verhältnis zu Erzbischof Adolf von Nassau, der ihn mehrfach mit diplomatischen Missionen betraute, so 1467 an den Kaiserhof in Wien und nach Lübeck. 1475 war Henneberg in Adolfs Auftrag am kaiserlichen Kammergericht tätig.

Umso größer waren die Spannungen zwischen ihm und dem 1475 erneut zum Erzbischof gewählten Diether von Isenburg. Die Differenzen nahmen solche Ausmaße an, dass Henneberg im Juni 1478 Mainz verließ und nach Rom ging. Provisionen 1478 auf die Pfarrpfründe Teuerstadt im Bistum Bamberg und die Stiftspfründe St. Gangolf in Bamberg boten ihm weitere materielle Sicherheit. 1480 erhielt er die Ernennung zum päpstlichen Notar, 1480 Reservationen für die Domstifte Augsburg und Eichstätt und 1482 die Freistellung von allen Gerichten unterhalb der römischen Kurie.

Nach Mainz kehrte Henneberg erst nach dem Tod Isenburgs (7. Mai 1482) zurück. Zu seinen ersten Amtshandlungen gehörte die Teilnahme an einem Tag zur Beilegung von Streitigkeiten zwischen dem mainzischen Amöneburg und dem hessischen Kirchheim. Als am 1. Mai 1484 Administrator Adalbert zu Sachsen starb, galt Henneberg trotz der Gegnerschaft des Kurfürsten Philipp von der Pfalz, mit dem er sich politisch überworfen hatte, als aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge. Am 20. Mai 1484 wählte ihn das Domkapitel zum Erzbischof. Die römische Konfirmation und die Gewährung des Palliums erfolgten am 20. September 1484, die Bischofsweihe am 13. März 1485 im Dom zu Mainz durch den Wormser Bischof Johann von Dalberg. Bald nach diesen Feierlichkeiten erließ Henneberg Reformverordnungen für den Klerus, die Klöster und das Volk. 1487 und 1499 berief er Provinzialsynoden nach Mainz. 1485 und 1486 verbot er, deutsche Übersetzungen lateinischer Werke ohne vorherige Zensur zu drucken. Der Zensurbehörde gehörten vier Mainzer Universitätsprofessoren an: der Theologe Johann Bertram, der Jurist Alexander Dietrich, der Mediziner Dietrich Gresemund und der Philosoph Andreas Eler. Für ein wesentliches Hindernis einer Kirchenreform in Deutschland hielt Henneberg den römischen Fiskalismus und die kuriale Ämtervergabe. Abhilfe erhoffte er von einem neuen Reichskonkordat. Nachhaltig unterstützte er die Reformbemühungen der Windesheimer und der Bursfelder Kongregation bzw. deren Union mit der Melker und der Kastler Reform. Die Benediktinerabtei Bleidenstadt ließ er 1498 durch päpstliche Verfügung in ein Kollegiatstift umwandeln. Den Geistlichen schrieb er 1496 vor, ihre Predigten an den kirchlichen Zeiten auszurichten. Auch begünstigte er das Bruderschaftswesen.

Dennoch lagen die eigentlichen Leistungen Hennebergs nicht auf dem Gebiet der Kirchenreform und, trotz unbestreitbarer Erfolge bei der territorialen und wirtschaftlichen Stabilisierung des Erzstifts, auch nicht auf dem der Landespolitik. Sein eigentliches Feld war die Reichspolitik, auf dem er wie kein anderer Reichsfürst für die Neuordnung des Verhältnisses von Kaiser, Ständen und Reich kämpfte mit dem Ziel, zur Rettung und Gesundung des Reiches den Ständen bei der Reichsleitung ein Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht zu erwirken.

Das Ringen um die von Kaiser Friedrich III. abgelehnte Reichsreform begann 1486 mit dem Frankfurter Wahltag. Anlässlich der Königswahl Maximilians I. ließ sich Henneberg in seinen Rechten als Erzkanzler bestätigen; bestätigt wurde auch der erzbischöfliche Status der Stadt Mainz. Auch Henneberg legte ein Reichsreformprogramm vor. Erste konkrete Schritte ließen sich jedoch erst ab dem Frankfurter Reichstag 1489 verwirklichen. Im gleichen Jahr trat Henneberg dem Schwäbischen Bund bei, zu dessen Tagungen er in der Folgezeit ebenso regelmäßig reiste wie zu den Reichstagen. Der Tod Kaiser Friedrichs III. 1493 und der Beginn der Alleinherrschaft Maximilians I. ermöglichten es dem Erzkanzler, die Reichsreform konsequent zu beginnen. Mit Zustimmung des Domkapitels übernahm er 1494 die persönliche Leitung der Reichskanzlei. Das nötigte ihn zu langen Abwesenheiten vom Erzstift. Am 3. Oktober 1494 setzte er eine neue Kanzleiordnung durch.

Rivalitäten und Kompetenzstreitigkeiten mit dem kaiserlichen Hof waren die Folge, zumal Maximilian immer offenkundiger ein monarchisches Herrschaftssystem anstrebte. Begünstigt durch verschiedene Konstellationen, gelang es dennoch unter der energischen Führung Hennebergs, 1495 wesentliche verfassungsrechtliche Veränderungen zur inneren Sicherung und Reform des Reiches durchzusetzen, nämlich den Ewigen Landfrieden mit dem ersten völligen Fehdeverbot und eine Reichskammergerichtsordnung. Die von Henneberg und anderen Reichsfürsten angestrebte Bildung eines ständischen Reichsrats verhinderte Maximilian. Als Kompromiss kam eine „Handhabung des Friedens und Rechts‟ zustande, die sich in der Folgezeit wegen der bleibenden Rivalitäten jedoch nicht bewährte. Die Differenzen zwischen Maximilian und dem Erzkanzler mehrten sich und steigerten sich zur Feindschaft.

In der von Henneberg betriebenen Reichsreform, die auf einen ständischen Zentralismus zielte, sah Maximilian eine gefährliche Beeinträchtigung seiner Souveränität. Um die Position des Erzkanzlers zu schwächen, wertete er daher 1497 Hofrat und Hofkanzlei zu Lasten der Reichskanzlei auf. Die von Henneberg betriebene Antwort darauf bestand 1500 in der Errichtung des „Reichsregiments‟, das den Kaiser politisch ausschaltete. Diese auf dem Reichstag von Augsburg beschlossene Maßnahme bildete den Höhepunkt des Verfassungskampfes. Militärische Erfolge setzten den König 1502 in die Lage, das Reichsregiment aufzulösen und Henneberg zu entmachten. Er entzog ihm die Leitung der Reichskanzlei und forderte von ihm das Reichssiegel zurück. Maximilian dachte 1503 sogar daran, ihn als Erzbischof absetzen zu lassen. Hennebergs Reichsreformprogramm scheiterte nicht zuletzt deshalb, weil ihm die Unterstützung der Reichsfürsten fehlte, die partikularistischen Territorialinteressen den Vorzug gaben. Dennoch kann Henneberg, der außer in Worms 1499 auf allen Reichstagen persönlich anwesend war, als „Vater der Reichsreform‟ gelten. Auf die Entwicklung der Reichsverfassung hat er wesentlichen Einfluss genommen. Der vom Geist des Nikolaus von Kues geprägte Erzbischof starb am 21. Dezember 1504 in Mainz. Er wurde im Dom beigesetzt. Sein Grabdenkmal schuf der von Riemenschneider beeinflusste Mainzer Hofbildhauer Hans Backoffen.

Friedhelm Jürgensmeier

 

Text aus: Gatz, Erwin (Hrsg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Teil: 1448 bis 1648, unter Mitw. von Clemens Brodkorb, Berlin: Duncker und Humblot 1996, S. 283–285. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.