Uriel von Gemmingen (1468–1514)

1508–1514 74. Kurfürst-Erzbischof von Mainz

 

Uriel von Gemmingen-Michelfeld wurde zwischen dem 19. Juni und 27. Juli 1468 zu Michelfeld oder Germersheim geboren. Das urkundlich seit dem Ende des 13. Jahrhunderts bezeugte ritterliche Ministerialengeschlecht der Gemmingen, genannt nach dem Stammsitz nahe Eppingen im Kraichgau, war früh mehrfach verzweigt. Gründer der Linie Lichtenfeld war Hans, genannt der Kecke. Er stand als Vogt zu Germersheim in kurpfälzischen Diensten und heiratete 1455 Brigida von Neuenstein. Ihr 1458 geborener Sohn Georg, später eine geschätzte Persönlichkeit im Humanistenkreis um Jakob Wimpfeling und in Korrespondenz mit Johannes Trithemius, war 1494–98 Domdekan von Worms und starb 1511 als Dompropst von Speyer. Der 1464 geborene Orendel folgte dem 1487 verstorbenen Vater als Vogt von Germersheim, heiratete in erster Ehe Katharina, die Schwester des Franz von Sickingen, und starb 1520 als kurmainzischer Rat und Vizedom von Mainz. Erpho, 1469 geboren, folgte seinem Bruder Georg 1498 als Domdekan von Worms und 1511 als Dompropst von Speyer. Er gehörte 1508 zur römischen Delegation seines Bruders Uriel und starb 1523 in Speyer.

1483 wurde Gemmingen für das Mainzer Domstift aufgeschworen und begann in Mainz mit dem Studium. Anfang März 1483 trat er als Domizellar die Annalresidenz an. Nach deren Abschluss gewährte ihm das Kapitel 1484 Urlaub und stellte ihn für ein vierjähriges Studium in Paris frei. 1488 wurde die Beurlaubung für zwei Jahre verlängert. Gemmingen wurde in Padua zum Dr. iur. utr. promoviert. Inzwischen hatte er auch Eingang in das Domstift zu Worms gefunden, wo er später Kustos wurde. Auch wurde er Kanoniker in den Mainzer Kollegiatstiften Mariengreden und St. Alban. Aufgrund päpstlicher Provision wurde er 1505 Mainzer Domdekan. Er resignierte diese Pfründe 1508. 1501 war er als Assessor am Reichskammergericht tätig. 1502 betraute ihn Erzbischof Berthold von Henneberg mit verschiedenen Geschäften in Rom. Im Auftrag des Domkapitels war er Amtmann in Mombach.

Am 27. September 1508 wählte ihn das Mainzer Domkapitel zum Nachfolger des am 15. September 1508 verstorbenen Erzbischofs Jakob von Liebenstein, dessen Nachfolge er 1505 als Domdekan angetreten hatte. Die Wahl Gemmingens scheint von Kaiser Maximilian I. gefördert worden zu sein. Gemmingen unterzeichnete die 57 Punkte umfassende Wahlkapitulation und nahm vom 28. September 1508 bis zum 18. August 1509 die Huldigung von Stadt und Erzstift Mainz entgegen. Die Konfirmation durch Julius II. erfolgte am 21. Dezember 1508. Um die fälligen Servitien und Gebühren zahlen zu können, nahm Gemmingen am 3. November 1508 bei der Nürnberger Faktorei Wolf Hofmann des Hauses Fugger mit Zustimmung des Domkapitels 21.000 rheinische Gulden auf. Wegen der hohen Verschuldung des Erzstifts konnte eine teilweise Reduzierung der Abgaben erzielt werden. Am 24. Februar 1509 wurde Gemmingen im Mainzer Dom unter Assistenz der Weihbischöfe Thomas Ruscher von Mainz und Heinrich Schertlin von Speyer durch den Wormser Bischof Reinhard von Rüppur konsekriert. Auch nahm er das Pallium entgegen. Auf dem Reichstag zu Worms übertrug ihm Maximilian I. am 23. April 1509 das Erzstift und die Regalien, am 24. Oktober 1509 bestätigte er ihn in Verona als Erzkanzler des Reiches.

Reichspolitisch vermochte Gemmingen keine Akzente zu setzen. Er besuchte die Reichstage, schloss 1509 mit Herzog Ulrich von Württemberg ein Beistandsbündnis und verlängerte 1512 für zehn Jahre die Teilnahme am Schwäbischen Bund. Während des Reichstags von April bis Juni 1512 in Trier konsekrierte er Richard Greiffenclau von Vollrads und hatte die Ehre, den Heiligen Rock auszustellen.

Auf kirchlichem Gebiet zeigte Gemmingen Reformbemühen. Um 1509 erwirkte er in Rom das Verbot für Geistliche, mehr als eine Pfründe innezuhaben. Auf Drängen des Domkapitels und des Klerus nahm die Kurie den Erlass jedoch zurück. 1511 verfügte er eine Visitation des Klerus und der Klöster und erreichte, dass das Domkapitel 1513 eine „convocatio cleri‟ durchführte, auf der offenkundige Mängel gerügt und Reformbeschlüsse gefasst wurden. Gemmingen ordnete Examen für Kleriker an und verbot das Konkubinat. Im Streit zwischen Johannes Pfefferkorn und Johannes Reuchlin soll er Stellung für den Humanisten bezogen und diesen vor Schaden bewahrt haben. Territorialpolitisch war Gemmingen mit den Erfurter Wirren konfrontiert, die 1509 zur Revolte der unterprivilegierten Zünfte gegen den patrizischen Rat eskalierten. Territoriale Begierlichkeit von Sachsen und Kurmainzer landesherrliche Erweiterungsbestrebungen gaben dem Streit 1510 noch weitere Nahrung. Der von Gemmingen eingeschaltete Maximilian I. verfügte am 4. Juli 1511 die Acht über die Stadt. Zu einer vorläufigen Entspannung kam es ab 1513.

Am 9. Februar 1514 starb Gemmingen an den Folgen eines Schlaganfalls. Er wurde in der Memorie des Mainzer Domes beigesetzt. Im Auftrag von Erzbischof Albrecht von Brandenburg schuf ihm Hans Backoffen ein Grabdenkmal, das als neuer Typ Mainzer Plastik in Übergangsformen zur Renaissance zu den herausragenden künstlerischen Leistungen der Zeit zählt.

Friedhelm Jürgensmeier

 

Text aus: Gatz, Erwin (Hrsg.), Die Bischöfe des Heiligen Römischen Reiches. Teil: 1448 bis 1648, unter Mitw. von Clemens Brodkorb, Berlin: Duncker und Humblot 1996, S. 217–219. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.