"...dann könnten sich mehr Türen öffnen, als wir im Moment denken"

Predigt von Kardinal Karl Lehmann in der Eucharistiefeier in Münster zur Frühjahrs-Vollversammlung (13.3.2014)

Datum:
Donnerstag, 13. März 2014

Predigt von Kardinal Karl Lehmann in der Eucharistiefeier in Münster zur Frühjahrs-Vollversammlung (13.3.2014)

Evangelium: Joh, 7,53-8,11

Bekanntlich wird kein Jesuswort im Neuen Testament so oft angeführt wie das Verbot Jesu, das die Scheidung der Ehe untersagt. Fünfmal wird es zitiert, gewiss immer in anderen Fassungen und Kontexten. Wir haben uns auch in dieser Vollversammlung, wie vorher schon die Versammlung der Kardinäle am 20./21. Februar 2014 in Rom, sehr mit der Deutung dieses grundlegenden Wortes Jesu für unsere Gegenwart beschäftigt. Darüber können wir hier nicht handeln. In diesen Tagen ist der gewichtige Vortragstext von Kardinal Walter Kasper in der Kardinalsversammlung in Rom in deutscher Sprache „Das Evangelium der Familie"(1) erschienen.

Merkwürdigerweise spielt in den Veröffentlichungen und Diskussionen zu dieser Sache der Text, den wir soeben im Evangelium (Joh 7,53-8,11) gehört haben, eine geringe Rolle. Dies hängt vielleicht auch damit zusammen, dass der Text im Johannes-Evangelium Jesu Wort über das Verbot der Ehescheidung nicht ausdrücklich erwähnt oder gar anführt. Auch sonst finden wir, sogar in der wissenschaftlichen Literatur, nicht so viele Hinweise auf die Erzählung „Jesus und die Ehebrecherin". Dies muss verschiedene Gründe haben, die wir in einer Predigt freilich nur kurz erwähnen dürfen.

Dieser Abschnitt (7,53-8,11) fehlt in den ältesten Handschriften, den Übersetzungen und auch zum Teil bei den Kirchenvätern.(2) Er taucht erst im frühen 5. Jahrhundert in den griechischen Handschriften auf. Doch ist das, was der Text sagt, auch schon viel früher, aber außerhalb dieser ältesten Handschriften bekannt. So wird ab dem 2. Jahrhundert, z. B. im „Evangelium nach den Hebräern", erzählt, dass eine Frau wegen vieler Sünden vor dem Herrn angeklagt worden sei (so Hinweise vor allem in der Kirchengeschichte des Eusebius). Es gibt auch manche andere Textstücke und Fragmente außerhalb der Bibel, wo man offensichtlich die Erzählung von der Ehebrecherin, wenn auch vielleicht in einem anderen Rahmen, kennt, z. B. in einem syrischen Text des 3. Jahrhunderts (Didaskalia). Seltsam ist auch, dass dieser Text in manchen biblischen Handschriften nicht im Johannes-Evangelium gefunden wird, sondern bei Lukas, der von der „großen Sünderin" (vgl. Lk 7,36-50) spricht, die ja zu unserer Geschichte eine gewisse Verwandtschaft aufweist. Es gibt dafür auch kürzere und etwas veränderte Fassungen, aber offensichtlich kannte man die Erzählung schon relativ früh. So spricht man von einem nicht-johanneischen Einschub. Manche gehen auch so weit, dass sie glauben, diese Geschichte gehöre eigentlich ihrer ganzen Ausrichtung nach nicht in das Johannes-Evangelium, es atme einen „unjohanneischen" Geist. Hieronymus hat die Geschichte in die lateinische Bibel-Übersetzung (Vulgata) aufgenommen und dadurch die Rezeption begünstigt, die im Übrigen im lateinischen Bereich schon früher erfolgte.

Eine eigentümliche Konsequenz ist, dass manche Kommentatoren diesen Text bei der Deutung des Evangeliums übergehen, so etwa R. Bultmann mit einer knappen Anmerkung in seinem berühmten Johannes-Kommentar(3) , aber auch stillschweigend bei dem katholischen Exegeten L. Schenke(4) . Andere berücksichtigen den Text nur in einem Anhang bzw. einem „Nachtrag", vor allem in der englischsprachigen Welt. Leider verfährt auch der Heidelberger evangelische Exeget Hartmut Thyen in seinem großen Kommentar zum Johannes-Evangelium aus dem Jahr 2005 so, dass er an einer ganz anderen Stelle außerhalb dieses großen, fast 800-seitigen Kommentars unsere Erzählung bespricht(5) .

Natürlich gibt es bis zum heutigen Tag auch die gegenteilige Stellungnahme. Nach einem berühmten Wort von W. Heitmüller handelt es sich hier um eine „verlorene Perle alter Überlieferung". Von ihr schreibt R. Schnackenburg in seinem großen Johannes-Kommentar(6), dass die Erzählung es verdiene, „dass man sich liebevoll mit ihr beschäftigt". Inzwischen hat sich manches geändert. Der Text hat eine größere Aufmerksamkeit erfahren. Daran hat die feministische Exegese einen Anteil, aber besonders auch die verstärkt interessierende Frage nach Recht und Versöhnung in der Kirche. Für die katholische Kirche steht spätestens seit dem Konzil von Trient (DS 1504) fest, dass diese Perikope fest zum Bestand des Johannes-Evangeliums und des Neuen Testaments gehört. Im Lesezyklus der Sonntagsevangelien hat sie einen festen Platz, nämlich am fünften Sonntag der Österlichen Bußzeit im Lesejahr C.(7)

Es gibt aber wohl noch einen anderen Grund, warum diese Erzählung auf eine gewisse Zurückhaltung stößt. Immer wieder war man in der Kirche der Überzeugung, dass es schwere Sünden wie Ehebruch und Mord gibt, die man nicht vergeben könne. Getaufte, die solche Todsünden begingen, könnten keine Nachsicht erfahren. Manche Theologen, auch wenn dies eher bei wenigen Rigoristen geschieht, haben dann auch darüber nicht gehandelt und wohl auch weniger gepredigt. Engherzige Gläubige fürchteten, ihren Frauen könnte Straffreiheit für das Sündigen gegeben werden, wie schon Augustinus berichtet. Umso notwendiger ist es, dass wir heute diesem Text seinen Ort und sein Recht zurückgeben, ganz besonders im Zusammenhang der Diskussion über Gläubige in schwierigen Ehesituationen. Gewiss hilft die Erzählung auch beim Kampf gegen einen kirchlichen Rigorismus. Manchmal ist sie auch gegen das Judentum mit seiner Offenheit hinsichtlich der Scheidung - wenigstens in manchen judenfeindlichen Strömungen - verwendet worden.

Es gibt viele Fragen an den Text. Wir stellen heute oft auch Fragen, die den Text und seine Verfasser gar nicht interessierten. Dann bekommen wir in der Regel auch keine Antwort. Jedenfalls gab es wohl schon früh eine Erzählung mit den Hauptelementen von Joh 8, die jedoch in mehreren Versionen im Umlauf war. Deswegen sollten wir das Gewicht, das die Erzählung in der Kirche und in einer großen Wirkungsgeschichte hatte, nicht unterschätzen. Ob die Erzählung auf eine Begebenheit im Leben und Wirken des irdischen Jesus zurückgeht, kann offen bleiben. Wir können es nicht mehr feststellen. Der Text lässt jedenfalls den Geist Jesu gut erkennen. Insofern muss den prinzipiellen Skeptikern widersprochen werden, die mir zu sicher sind, der Text könne auch im Kern kein historisches Jesusgut sein. Es ist auch durchaus möglich, dass die Erzählung, die sich sprachlich vom Johannes-Evangelium abhebt, einmal zur Tradition der ersten drei Evangelien gehörte oder ihr jedenfalls nahestand.

Der Text ist bei aller Subtilität und Hintergründigkeit relativ einfach. Es ist m.E. auch literarisch eine meisterhafte Erzählung. Mag auch der unmittelbare Anschluss bei 7,53 mit der Erzählung nicht so viel zu tun haben - man spricht von einem „Gelenk-Text" -, so gehört die ganze Geschichte doch in die Auseinandersetzung mit der Gruppe der „Schriftgelehrten und Pharisäer". Jesus lehrt im Tempel. Das Volk umgibt ihn und hört ihm zu. Die Gegner glauben, ihn endlich fassen und festnageln zu können. Sie fangen keine Diskussion an, sondern sie bringen Jesus eine Frau, die auf frischer Tat beim Ehebruch ertappt wurde. Der Fall scheint eindeutig zu sein, denn das Gesetz sagt: „Wenn jemand sich mit der Frau seines Nächsten vergeht, dann sollen der Ehebrecher und die Ehebrecherin mit dem Tod bestraft werden." (Lev 20,10; Dtn 22,2) Was soll Jesus anderes übrig bleiben, als dass er sich der Praxis seiner Gegner anschließt und mit ihnen die sofortige Steinigung der Frau fordert (später wird dies durch die Erdrosselung ersetzt)? Alles geschieht in der größten Öffentlichkeit. Jetzt können sie Jesus, und nur dies ist ihr Ziel, auf die Probe stellen
(vgl. Mk 12,13.15). Wenn Jesus ihr Vorgehen billigt, dann stimmt er auch sonst ihrem Gesetzesverständnis zu. Dann hat er kein Recht, eine eigene Lehre zu vertreten. Er ist dann vor allem Volk als falscher Lehrer entlarvt. Wenn er ihr Verhalten nicht billigt, missachtet er ein eindeutiges Gesetz und wird vor dem ganzen Volk als Gesetzesbrecher bloßgestellt. Wie wird sich Jesus aus dieser ausweglos erscheinenden Situation retten?

Jesus löst die Verlegenheit durch ein denkwürdiges Verhalten. Er bückt sich und schreibt auf den Boden. Er beachtet die Gegner gar nicht. Er gibt ihnen keine Antwort. Er ist ganz hingegeben diesem Spiel mit dem Finger auf dem Boden. Die Gegner sind voll Selbstsicherheit, die Frau ist von Angst erfüllt, das Volk wartet voller Spannung. Immer wieder hat man gerätselt, was Jesus auf den Boden geschrieben hat. Schreibt er ihre Sünden auf? Formuliert er sein Urteil? Dies sind jedoch alles Spekulationen. Oder soll es die Ruhe und Sicherheit Jesu zeigen, soll es die Gegner reizen oder ist es eine sogenannte prophetische „Zeichenhandlung", die auf eine wichtige Stelle beim Propheten Jeremia hinweist, wo es heißt: „(...) die von dir abfallen, deren Namen werden auf die Erde geschrieben; denn verlassen haben sie den Grundquell lebendigen Wassers, den Herrn."
(Jer 17,13)? Will Jesus damit sagen, dass auch seine Gegner Gott untreu geworden sind, es verdienen, dass sie in den Staub geschrieben und ausgelöscht werden? Umso mehr verlangen sie hartnäckig von Jesus eine Antwort. Schließlich erhebt sich Jesus und sagt zu ihnen: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie." (Joh 8,7) Wiederum schreibt er auf die Erde. Darauf folgt eine unerwartete Wende im Gespräch: „Als sie seine Antwort gehört hatten, ging einer nach dem anderen fort, zuerst die Ältesten."
(Joh 8,9) Damit sind wohl die Lebenserfahrensten gemeint. Man denkt an den hl. Paulus und seine Aussagen im Römerbrief: „Alle stehen sie unter der Herrschaft der Sünde" (Röm 3,9), oder: „Darum bist du unentschuldbar - wer du auch bist, Mensch -, wenn du richtest!"
(Röm 2,1) Und in der Bergpredigt erklärt Jesus: „Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet." (Mt 7,1; Lk 6,27) Bald heißt es im Johannes-Evangelium: „Ihr urteilt, wie Menschen urteilen; ich urteile über keinen." (Joh 8,15; vgl. auch Joh 8,46)

Die Gegner haben nur das Gesetz und die Schuld der Frau gesehen. Sie waren selbstsicher und selbstgerecht. Jesus erinnert sie an ihre eigenen Verfehlungen. Niemand kann einfach als „Schuldloser" auftreten. Alle sind auf die Geduld und Barmherzigkeit Gottes angewiesen. Wie können sie da die sofortige Hinrichtung der Frau verlangen? Sie wollten die Frau als bloßen Fall behandeln; wenn es heißt, dass sie in der Mitte steht (Joh 8,3), dann wie ein stummes Demonstrationsobjekt, an dem ein Exempel statuiert werden soll. Sie haben vergessen, ihre eigene Situation vor Gott einzubeziehen. Jesus lässt ihnen Zeit und schreibt weiter. Es ehrt schließlich die Gegner, dass sie sich das Wort Jesu zu Herzen nehmen. Keiner behauptet, ohne Schuld zu sein. Keiner wirft den ersten Stein, zu dem Jesus sie aufforderte. Alle gehen weg. Sie gehen weg aus Scham oder weil sie von ihrem Gewissen überführt worden sind. Man denkt an die Rigoristen aller Zeiten in der Kirche: Könnten sie nicht von der Sinnesänderung der „Schriftgelehrten und Pharisäer" lernen? Wenn sie sogar umkehren! Alle sind Sünder wie die Frau, alle haben Vergebung nötig.

Am Ende bleiben Jesus und die Frau allein zurück. Von der Volksmenge ist nicht mehr die Rede. Nun steht aber die Frau ganz anders - wiederum wird ja gesagt, dass sie „in der Mitte" steht (Joh 8,3.9) - da als vorher: nicht mehr als Demonstrationsobjekt, sondern in ihrer eigenen Würde. Das Wort „Mitte" hat jetzt einen anderen Klang. In wunderbarer Weise sagt dies der hl. Augustinus: „Relicti sunt duo, misera et misericordia", „zurückgeblieben sind zwei, die Erbarmenswürdige und die Barmherzigkeit"(8) . „Im Elend der eigenen Verlorenheit vom barmherzigen Gott angeschaut zu werden, das bedeutet, sich selbst auch wieder neu achten zu dürfen!"(9)

Die Gegner sind alle weggelaufen. Jesus respektiert sie in ihrem stillen Schuldeingeständnis. Er schaut ihnen nicht nach, er sagt kein böses Wort gegen sie. Zum allerersten Mal spricht er selbst die Frau an. „Er forscht nicht nach ihrer Tat und deren Umständen und fragt nicht, wie sie sich zu entschuldigen gedenke, sondern lässt die Vergangenheit Vergangenheit sein."(10) Er fragt sie nach ihren Richtern: „Wo sind sie? Hat dich keiner angeklagt/verurteilt?"(Joh 8,10) Keiner wagt es, über der Sünderin den Stab zu brechen. Jesus spricht auch nicht von der Schuld der Frau. Er weist uns hin auf die Schuldverfallenheit aller Menschen. Alle wissen sich schuldig - so oder so! Die Frau kommt zum ersten und einzigen Mal zu Wort und gibt Jesus auf die Frage, ob einer sie verurteilt habe, die Antwort: „Keiner, Herr."(Joh 8,11)

Nun darf man aber nicht übersehen, wie Jesus sich genauer verhält. Es ist für ihn trotz der großen Zurückhaltung keine Frage, dass die Frau gesündigt hat und dass sie schuldig geworden ist. Er hebt das Gesetz nicht einfach aus den Angeln. Man macht also Jesus einen falschen Vorwurf, wenn man ihm eine übertrieben milde Haltung und eine heimliche Missachtung des Gesetzes vorwirft. Vielmehr blickt er in die Tiefe des menschlichen Herzens und erlässt einen grandiosen Freispruch, mit dem die Geschichte endet: „Auch ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr!" (Joh 8,11) „Bedingungslos ergeht der Freispruch, versehen mit der ganzen Autorität dessen, der die Barmherzigkeit Gottes verkörpert. Jesus fordert von der Frau nicht zuerst Reue, Buße und Umkehrbereitschaft, sein Freispruch erfolgt voraussetzungslos, aus lauter Gnade; Jesus vergibt und stellt damit die Würde der Frau vor Gott wieder her... Erst aus der Vergebung erwächst die Kraft zum Neuanfang. Die Vergebung, welche die Vergangenheit Vergangenheit sein lässt, stiftet Zukunft (...) Kein leichthin daher gesagtes Wort der Vergebung, sondern ein solches, das den Menschen verändern will... Auch kein Wort, das die Schuld des Menschen - hier den Ehebruch - bagatellisiert, aber ein Wort, das nicht will, dass der Mensch in seiner Verschuldung niedergebeugt wird und den seelischen Tod stirbt. Ein Wort der Vergebung, das wahrhaft helfen will!"(11)

Dies ist ein Wort, das auch heute in unseren Diskussionen um die geschiedenen Wiederverheirateten seinen Platz hat. Die Treue zu Jesus hat gerade auch im Umgang mit den Sündern und Sünderinnen ihre große Bedeutung. Es ist ein echter Geist der Vergebung und Versöhnung. Dieses Recht will eine Umkehr zum Leben. Gott fordert die Frau freilich nachdrücklich auf, von diesem Handeln abzulassen, das sie vor ihre Richter und nahe dem Tod gebracht hat. Alle können daraus lernen: Das neue Leben kann nur auf Vergebung beruhen. Nur die göttliche Vergebung kann solches Leben schenken.

Wenn wir Christen uns dies neu von Jesus sagen lassen, dann wird vieles möglich, was wir gewöhnlich für gänzlich unwahrscheinlich halten. Dies gilt nicht nur für die sündig gewordene Frau. Es gilt besonders auch für die Beichte, die eigentlich eine solche Vergebung statt Verurteilung sein soll und den Menschen vor der Verurteilung durch Gott, aber auch vor dem sozialen Tod retten soll, wie er zu jeder Verurteilung gehört. Der radikale Neuanfang im Rahmen eines Wunders oder als Sündenvergebung durch Gott selbst ist viel wichtiger als jede noch so gut gemeinte Moralpredigt. Freilich darf der Mensch nicht mehr in alte Gewohnheiten zurückfallen. Jesu Botschaft ist ein Ruf in die Umkehr. Es gibt keinen Grund, Jesu Freispruch zu verdächtigen und vielleicht sogar als eine Verführung zum Laxismus anzusehen. Es ist eine Ermächtigung zu einem neuen Leben. Jesus hat ein unglaubliches Vertrauen in den Menschen: Er sagt „Ich verurteile dich nicht", „bevor er davon weiß, dass die Frau nicht mehr sündigen wird."(12) Er ist wahrhaftig Gottes Sohn.

Wir haben diese Besinnung im Horizont der gegenwärtigen und schon länger andauernden Diskussion über den Ort der geschiedenen Wiederverheirateten in der Kirche durchgeführt. Gewiss ist mancher enttäuscht, weil die Erzählung in Joh 8 das Thema nicht konkreter anspricht. Wir hungern alle nach „Lösungen"! Vielleicht spielt auch deshalb unsere Perikope in der aktuellen Diskussionslage eine geringe Rolle.

Aber ich bin überzeugt, dass sie uns insgesamt etwas ganz Entscheidendes und Zentrales sagt, wie wir uns nämlich immer wieder das, was Schuld und Vergebung des Menschen von Gott her ist und heißt, ursprünglich vergegenwärtigen müssen. Wenn wir dies pastoral, spirituell und theologisch mehr einüben, dann könnten sich mehr Türen öffnen, als wir im Moment denken. Amen.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Es gilt das gesprochene Wort

Fußnoten:

(1) Freiburg i. Br. (Verlag Herder).

(2) Vgl. dazu U. Becker, Jesus und die Ehebrecherin, Berlin 1963; U. Borse, Die Entscheidung des Propheten. Kompositorische Erweiterung und redaktionelle Streichung von Joh 7,50(.53)-8,11, Stuttgart 1984.

(3) Das Evangelium des Johannes, 17. Aufl., Göttingen 1962, 236,

(4) Anm. 2.Johannes-Kommentar, Düsseldorf 1998.

(5) Vgl. die Festschrift für Klaus Berger zum 60. Geburtstag: Religionsgeschichte des Neuen Testaments, hrsg. von A. von Dobbeler u.a., Tübingen 2000, 433-446.

(6) Band II, Freiburg 1971, 224.

(7) Besonders ergiebig sind darum vielleicht auch die katholischen Johannes-Kommentare von R. Schnackenburg, J. Beutler, R. E. Brown und M. Theobald, evangelischerseits kann man auf Kl. Wengst und U. Wilckens verweisen.

(8) In Joh. Ev. Tract. XXXIII,5.

(9) M. Theobald, Das Evangelium nach Johannes I, Regensburg 2009, 560.

(10) Ebd.

(11) Theobald, 560f.

(12) K. Rahner, Das große Kirchenjahr, Freiburg i. Br. 1987, 206.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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