Die Ehrenpromotion für Professor Dr. Ulrich Ruh ist in mancher Hinsicht einzig - und eigenartig. Einmal hat er sich bereits einen Doktortitel mit der höchsten Note und großer Anerkennung selbst verdient. Zum anderen ist er auch von der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg am 11.03. dieses Jahres zum Honorarprofessor ernannt worden. Warum also nochmals eine - wie es scheint - fast überflüssige Ehrung? Ich möchte darauf in dieser Laudatio eine Antwort versuchen, will sie aber thesenhaft auch schon an den Anfang stellen: Ulrich Ruh hat ein sehr hohes Verdienst in der sachgemäßen Vermittlung theologischer Probleme und Diskussionen an eine weitere Öffentlichkeit außerhalb von Theologie und auch Kirche, und zwar auf eine höchst wissenschaftliche und überaus verständnisvolle Weise; die Einheit von Theologie und Kommunikation zeichnet Ulrich Ruh in besonderer Weise aus.
Wir, Ulrich Ruh und ich, kennen uns über 40 Jahre lang. Ich kann vor allem die wissenschaftliche Seite des Studenten und Assistenten Ulrich Ruh aus nächster Nähe beurteilen. Der Student der Germanistik und Theologie Ulrich Ruh ist am 02.10.1950 in Elzach geboren und hat seine Heimat im mittleren Schwarzwald bis heute nie verleugnet. Es ist nicht nur die Familie, es ist auch die besondere Fastnacht in Elzach, besonders aber auch seit Jahrzehnten das sonntägliche Orgelspiel, denen er treu geblieben ist. Er hat an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg (1969/70) und der Eberhard-Karls-Universität Tübingen (1971/72) studiert.
Näher kenne ich Ulrich Ruh genauer seit 1972. Er ist mir besonders aufgefallen, als er im Jahr 1973 seine Zulassungsarbeit zum Staatsexamen anfertigte. Er hat kein modisches Thema ausgewählt, sondern, wie es auch dem Studium Germanistik und Theologie entsprach, eine schwierige Textarbeit unternommen. Schon der Titel „Haereticorum Apostolus" reizt zur Aufmerksamkeit. Es ging um das oft verhandelte, aber auch weithin unbeantwortete Thema der Rezeption des Hl. Paulus in der frühen Gnosis. Auf der einen Seite hat man Paulus als Gewährsmann der heterodoxen Gnosis in Anspruch genommen. Darum habe auf der anderen Seite die orthodoxe Theologie ihm lange zögernd gegenübergestanden. Ulrich Ruh hat diese Arbeit mit einer ungewöhnlichen Geduld und mit einem überdurchschnittlichen Scharfsinn bestritten und sich gründlich und selbstständig in die relativ verworrene Forschungslage eingearbeitet. Im Gutachten dazu habe ich abschließend am 05.11.1973 geschrieben: „Die Zulassungsarbeit von Herrn Ruh zeugt von einer überdurchschnittlichen wissenschaftlichen Begabung und erfüllt in außerordentlicher Weise die Anforderungen an eine solche Abhandlung."
Ich habe Ulrich Ruh darum nach der Prüfung für das Lehramt am Gymnasium deswegen auch eingeladen, in der Wissenschaft zu bleiben und konnte ihm auch an der mit meiner Berufung nach Freiburg neu errichteten Abteilung für ökumenische Theologie eine Assistentenstelle anbieten, die er zum 01.07.1974 annahm und bis zum Jahr 1979 innehatte. Er baute diese Ökumenische Abteilung auf und aus und vollendete in dieser Zeit seine umfangreiche theologische Dissertation zum Thema „Säkularisierung als Interpretationskategorie. Zur Bedeutung des christlichen Erbes in der modernen Geistesgeschichte", im Druck erschienen als Band 119 der Freiburger Theologischen Studien im Verlag Herder, Freiburg i. Br. 1979, mit einem Umfang von 478 Seiten.
Der inflationären Häufigkeit des Sprachgebrauchs von Säkularisierung stand eine schillernde, vieldeutige und auf weite Strecken noch unaufgeklärte Bedeutungsvariation dieses Begriffes gegenüber. Ulrich Ruh untersuchte über die weitgehend begriffsgeschichtlichen Studien von H. Lübbe (1965) und H. Zabel (Münster 1968) hinaus einige wichtige Brückenköpfe in der Begriffs- und Problemgeschichte. So spielen H. Blumenberg, E. Troeltsch, K. Löwith, E. Hirsch, W. Ehlert, P. Wust und überraschend auch C. Schmitt eine wichtige Rolle. Auch werden die bis damals weitgehend unbeachtet gebliebenen literaturwissenschaftlichen Beiträge genauer erörtert. Die Dissertation stellt dadurch bis heute eine große Bereicherung der bisherigen Forschung zur Geschichte und Systematik des Säkularisierungsbegriffs dar. Bis heute kann man darum bei der Analyse und Bewertung der Tragfähigkeit des Säkularisierungsbegriffs an Ulrich Ruh nicht vorbeigehen. Der Text zeichnet sich auch durch eine hohe sprachliche Prägnanz aus, die in diesen komplexen Problemen auch eine verhältnismäßig knappe Darstellung erlaubt. Am Ende meines damaligen umfangreichen Gutachtens von 17 Seiten (03.07.1979) habe ich im Einklang mit meinem inzwischen leider verstorbenen Fachkollegen Professor Dr. Helmut Riedlinger für diese vorzügliche Leistung die höchste Note vorgeschlagen. Die Theologische Fakultät in Freiburg hat sich dieser Bewertung angeschlossen und die Dissertation mit „summa cum laude" angenommen.
Als Ulrich Ruh diese Studie neben der Staatsprüfung in beiden Fächern (Germanistik und Theologie) und den Assistenten-Aufgaben beendet hatte, habe ich ihm das Anstreben einer Habilitation in der Systematischen Theologie vorgeschlagen. Er hatte dazu in jeder Hinsicht das Zeug. Gleichzeitig ergab sich für ihn die Chance, Redakteur der renommierten Monatsschrift Herder-Korrespondenz zu werden, damals unter Leitung von Dr. David Andreas Seeber. Ich hatte angesichts der Begabung von Ulrich Ruh ihm nachhaltig die akademische Laufbahn empfohlen, aber ich habe bald verloren. Ulrich Ruh wählte den Einstieg in die Mitarbeit bei der Herder-Korrespondenz. Er fing 1979 als Redakteur an und übernahm im Jahr 1991 die Chefredaktion, die er bis zu einer Pensionierung 2014 verantwortete.
Über diese Tätigkeit habe ich unter dem Titel „Weltweite Information und unbestechliche Analyse" schon einmal, nämlich zur Verabschiedung von Dr. Ulrich Ruh als Chefredakteur, vor einem Jahr eine Laudatio gehalten, die auch in der Herder-Korrespondenz erschienen ist („Genie der Neugierde": HK 68, 2014, 497-500, vgl. auch schon früher zur HK meinen dortigen Beitrag 30,1976, 485-488). Der Plan dazu ging ja in die Zeit des Zweiten Weltkrieges und noch früher zurück. Eine neue Zeitschrift sollte mithelfen, in der Zeit vielfältiger Zerrissenheit für die Lage der Kirche und ihre Situation auch in Deutschland in dieser Zeit durch Information und Kommunikation wieder Anschluss besonders an die internationale katholische Welt zu gewinnen. Dabei ging es immer auch um ein „universales Mitteilungsblatt", um ein Wiederhineinfinden in die weltweite katholische Kultur. Franz Greiner schrieb 1961 dazu: „Wir wissen nicht, was in dieser Zeit (während des Krieges und der Nazi-Zeit) um uns herum an geistigen Bewegungen aufgebrochen ist und welche Entwicklungen eingeschlagen wurden. Wir müssen das aber wissen, wenn wir die Schäden von Krieg und Nazi-Zeit überwinden und uns international wieder integrieren wollen." Die besonders geglückte Konzilsberichterstattung (1962-1965) brachte bis zum September 1966 einen Höhepunkt des Erfolgs mit fast 15.000 verkauften Heften. Es gab auch - leider für kurze Zeit - eine englische Ausgabe. So konnte Franz Greiner fortfahren: „Was sie (HK) aktuell interessant macht, ist die Nachricht, was ihr bleibenden Wert verleiht, ist das Dokument." Von Anfang an herrschte auch ein hohes ökumenisches Interesse vor, ohne die Verwurzelung in der katholischen Welt zu vermindern. Insgesamt sind diese Jahrgänge geradezu ein Archiv der zeitgenössischen Geschichte der Kirche.
Der junge Ulrich Ruh fühlte sich offensichtlich durch diese Erfolgsgeschichte der Herder -Korrespondenz angezogen. Er brachte dafür auch viele gute Voraussetzungen mit. Dies wurde schon in seiner Assistentenzeit deutlich. Er fiel mir immer mehr auf durch die von ihm verantworteten Proseminare, durch die Studienberatung und viele andere Unterstützungen. Er hat alle diese Aufgaben spontan und bereitwillig angenommen, sie rasch und gründlich erledigt. Dabei traten einige Eigenschaften besonders hervor, die gleichsam Vorboten für die Vorliebe zur Kommunikation als Berufsziel waren. Ulrich Ruh erledigte seine Aufgaben mit großer Schnelligkeit und Zuverlässigkeit. Er besaß außerdem ein hohes Einfühlungsvermögen in neue Fragestellungen und ein sehr scharfsinniges Urteilsvermögen. Zu seiner Einstellung beim Verlag Herder schrieb ich an den damaligen Verleger, Dr. Hermann Herder: „Herr Ruh zählt zweifellos zu den ganz wenigen Spitzenbegabungen, die ich im Laufe meiner akademischen Lehrtätigkeit kennenlernen konnte". Einige Zeit habe ich deswegen bedauert, dass Ulrich Ruh nicht die akademische Laufbahn bestritten hat, dann aber bald gesehen, dass die Arbeit für die HK und Ulrich Ruhs Begabung sehr gut zueinander passen. Gewiss, dies war in dieser Einheit von Wissenschaft und Kommunikation wenigstens damals etwas Neues, aber ich fand dies auch bei anderen Studierenden, begabten Frauen und Männer, dass sie trotz bester Voraussetzungen und Aussichten nicht in die akademische Welt gehen, dagegen durchaus in Kontakt bleiben wollten mit der Universität, aber eben auch, mit einer erneuerten Theologie die weiten Räume des gegenwärtigen kirchlichen und auch profanen Lebens betreten wollten. Dies war eine neue Form der Präsenz, gerade auch der Theologie, in unserer Welt. Diese Vermittlung war ganz im Sinne der Pastoralkonstitution des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche in der Welt von heute „Gaudium et spes".
Ulrich Ruh hat fast 35 Jahre lang als Chefredakteur diesen Auftrag ausgeübt. Bei allem Wandel hat er in dieser Zeit das ursprüngliche Profil der HK fortentwickelt und zugleich bewahrt. Ich sehe diese vor allem in folgenden Perspektiven.
• Ulrich Ruh hat die europaweite und weltweite Perspektive der HK auf die katholische Kirche hin beibehalten und gesteigert. Ich kenne kein Organ im deutschen Sprachgebiet, das so regelmäßig, ausgewogen und einfühlsam über die Kirche in anderen Ländern berichtet hätte. Ich denke nicht nur an die großen Länder Italien, Frankreich, Spanien oder Polen, sondern eben auch an Kroatien, Ungarn oder Portugal. Ulrich Ruh hat dies in seiner Zeit als Chefredakteur sogar noch gesteigert. Ermöglicht wurde dies auch durch seine reichen Kontakte zu Kollegen anderer Länder, was natürlich durch seine sprachliche Kompetenz in ganz besonderer Weise leichter erreicht werden konnte. Die Tendenz zeigt sich auch darin, dass man nicht nur mehr über die Situation in anderen Ländern geschrieben hat, sondern auch Beiträge von Autoren aus diesen Ländern direkt übersetzt hat. Dies hat die europäische und weltweite Dimension der katholischen Kirche immer wieder neu in das Blickfeld gebracht.
• Dies gilt ganz besonders auch für die weltweite Perspektive. In diesem Sinne hat die HK nach dem Konzil der Kirche und ihren Mitgliedern geholfen, wirklich in der Weltkirche zu leben und sich für viele Entwicklungen anderer Kontinente zu öffnen. Deshalb gab es immer auch eine gute Berichterstattung, z.B. über außereuropäische Bischofskonferenzen, die Tätigkeit der Bischöflichen Werke oder die Bischofssynoden. Dies geschah mit Takt bei der Gratwanderung zwischen einem möglichst vorurteilsfreien Dialog und einer unzulässigen Einmischung. Jedenfalls hat die HK außerordentlich dazu geholfen, den immer noch vorherrschenden kirchlichen Provinzialismus aufzubrechen. Dass dies im Blick auf die Kirchen - manchmal besonders in Europa und auch innerhalb der Europäischen Union - schwierig war, ändert nichts an dem hohen Verdienst, über den eigenen Kirchturm hinauszusehen und hinauszudenken. Ein wohlwollendes, aber auch kritisches Augenmerk richtete sich stets auch auf die Europäische Union.
• Ich habe schon erwähnt, dass die Ökumene bereits an der Wiege der HK eine ganz wichtige Rolle spielte. Ulrich Ruh hat in beständiger Weise dieses Profil durchgehalten. Es ist gewiss immer schwieriger geworden, das große Netz an zwischenkirchlichen Vereinbarungen, Gesprächen und Kontakten zu verfolgen. Selbst für Fachleute ist dies manchmal recht mühsam geworden. Dies gilt für alle Ebenen, die orthodoxen Kirchen, die in der HK immer schon eine eigene Rücksicht erfahren haben, die vielfältigen reformatorischen Gemeinschaften, aber auch die ökumenischen Beziehungen der katholischen Kirche selbst. Dabei wurden Spannungen und Sperren nicht verschwiegen.
• Im Lauf der letzten Jahrzehnte ist auch das Gespräch mit den nichtchristlichen Religionen immer wichtiger geworden, nicht zuletzt durch die intensive Globalisierung und die weltweite Mobilität. Aber es blieb bei der HK nicht bei relativ oberflächlichen Beschreibungen religiöser Phänomene, sondern die konkreten Äußerungen von Religion wurden immer wieder auf ihre Hintergründe hin befragt, so besonders auch im Blick auf den Islam. Die Ambivalenzen des neuen Interesses für Religion bis in die Politik hinein wurden aufmerksam verfolgt. Dabei geschah dies immer auch aus einer selbstbewussten katholischen Überzeugung heraus, die die eigene Herkunft und Praxis nicht billig herabsetzt oder gar verkauft.
• Die Herder Korrespondenz hat in diesen Jahrzehnten aber auch die Entwicklung der modernen Gesellschaften kritisch und solidarisch verfolgt. Sie hat sich mit den üblichen Schlagworten „Konsumismus", „Hedonismus", mit Kennzeichnungen wie „säkularisiert", „postmodern" usw. nicht begnügt. Die Bewältigung eines erneuten Modernisierungsschubs mit den vielfältigen Folgen für die Alltagswelt und z.B. die sozialen Sicherungssysteme wurden nüchtern zur Kenntnis genommen und analysiert. Tendenzen zur Zerstreuung und Flucht aus der Wirklichkeit wurden nicht geleugnet. Man wollte aber auch nicht verzichten auf eine stärkere Betonung von positiven Veränderungen, wie z.B. das Wachsen des ökologischen Bewusstseins, die Förderung des Gemeinsinns, „Option für die Armen". „Die Kirchen versuchen, ihren Beitrag zur allgemeinen Orientierung zu leisten, stehen sich dabei aber gelegentlich selber im Weg oder werden in ihrer Kompetenz von außen angezweifelt." (U. Ruh, HK 1996, 434)
• Diese Informationsflut ist aber in der Herder Korrespondenz nicht einfach bloß zur Kenntnis genommen und ausgebreitet worden. Die Masse der Informationen wird vermutlich auch künftig sogar noch wachsen. „Aber gerade deshalb müssen Informationen selektiert, aufbereitet, miteinander verknüpft und in größere Zusammenhänge gestellt werden." (U. Ruh, ebd., 435) Deshalb gehören auch Information und Analyse eng zusammen. Beide sind unentbehrlich und helfen ganz besonders zu einem zeit- und sachgerechten Umgang des Christen von heute mit einer immer mehr plural werdenden Welt. Diese Einheit von Information und Analyse ist ein Markenzeichen der Herder Korrespondenz und unterscheidet sie von anderen Zeitschriften, die wiederum ihre eigenen Ziele haben.
• Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte, besonders nach dem Konzil, ist auch dadurch geprägt, dass die eine Kirche immer wieder in Gefahr geriet, sich in Gruppen und Grüppchen aufzulösen, in Lager zu verfallen, den Dialog untereinander zu verlieren bzw. geringzuachten, jedenfalls sich in sich selbst einzuigeln und oft einfach auch einer Nabelschau zu verfallen. Ulrich Ruh ist ein viel zu nüchterner Beobachter der Zeit und überzeugter Katholik, um nicht bloß diese Entwicklung zu registrieren, sondern ihr auch entgegenzutreten. Fast klingt mir dies wie das journalistische Credo von Ulrich Ruh, wenn er sagt: „Im Gegenzug dazu ist es wichtig, immer wieder an gemeinsame Grundlagen und Ziele zu erinnern, divergierende Positionen miteinander im Gespräch zu halten - nicht in der Haltung eines Oberschiedsrichters, der nach rechts und links Zensuren erteilt, sondern aus der Sorge um die Einheit der Kirche und um die Kraft ihres Zeugnisses unter für sie zweifellos schwierigen, aber ganz und gar nicht hoffnungslosen gesellschaftlichen und religiösen Verhältnissen." (U. Ruh, ebd.) So ist die Herder Korrespondez ein wirklich unabhängiges und zugleich katholisches Organ geworden und geblieben.
In diesem Sinne wollte die Herder-Korrespondenz unter Ulrich Ruh in ihrer Berichterstattung und Kommentierung unmissverständliche Verwurzelung im Katholischen mit ökumenischer Offenheit und Sensibilität für die religiös-weltanschauliche Gemengelage der Gegenwart verbinden. - „Loyalität zur Kirche schließt im Übrigen Kritik an kirchenamtlichen Verlautbarungen, Verhaltensweisen und Entscheidungen von Fall zu Fall nicht aus, sondern recht verstanden gerade ein. Natürlich ist dabei vorausgesetzt, dass solche Kritik nicht Ressentiments entspringt, sondern inhaltlich und methodisch begründet werden kann. Hier jeweils das rechte Maß und das treffende Wort zu finden ist zugegebenermaßen nicht leicht. Aber eine Kirche, die über sich immer nur Positives und Schönes hören möchte, und reale Probleme mit frommer Rhetorik verdrängt, tut sich und ihrem Auftrag letztlich keinen Gefallen." (Ebd.) Dies zeugt von einer tiefen Bereitschaft zum Dienst als Brückenbauer. Eine solche Loyalität brauchen wir
Ich glaube, dass Ulrich Ruh damit in einer vorbildlichen Weise beiden Seiten, die sich oft schwer miteinander tun, gerecht geblieben ist. Nämlich der Theologie als Wissenschaft und der Kommunikation in Kirche und Welt hinein. Deswegen - liebe Kollegen der Theologischen Fakultät in Erfurt und lieber Ulrich Ruh - ist es eine nur zu lobende Entscheidung, dass die theologische Fachwelt diesen Dienst in seiner Qualität wahrnimmt und durch diese Ehrung anerkennt. Einen herzlichen Dank der Theologischen Fakultät! Und Dir, lieber Ulrich Ruh, ist durch diese Ehrung und durch die Ernennung zum Honorarprofessor in Freiburg - fast könnte man sagen - listiger Weise doch etwas zugefallen, was Du zunächst nicht wolltest, den Eintritt in die akademische Berufswelt, aber nun doch am Ende Deines journalistischen Berufslebens den Dank erhalten hast für Deinen Einsatz zugunsten von Theologie und Kirche. Damit hast Du nicht nur an der Wissenschaft selbst teilgenommen, sondern bist jetzt wirklich auch ein fast vollwertiges Mitglied dieser akademischen Welt geworden. Du hast ja immer eine Nähe zu ihr behalten.
Ich habe vieles übergangen, wovon man auch sprechen könnte, ja vielleicht sollte. Dazu gehört auch eine Reihe von Büchern, die Ulrich Ruh herausgegeben und auch selbst geschrieben hat. Ich erinnere nur an seine ausführlichen Kommentierungen zum Weltkatechismus (1993), an die Beschäftigung mit dem Jesus-Buch von Papst Benedikt XVI. (2008), an einen wichtigen Grundzug im Portrait von Johannes Paul II., nämlich „Gewissen der Welt" zu sein (2002). Wer Ulrich Ruh kennt, weiß auch um seine enormen Sprachenkenntnisse. Wie viele Sprachen er lesen und sprechen kann, soll er uns selbst sagen. Denn einige sind vielleicht nach der Pensionierung noch dazu gekommen. Wenn ich mich recht erinnere, haben seine ehemaligen Freiburger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihm zum Abschied von der Herder Korrespondenz nämlich einen Arabisch-Kurs geschenkt. Wahrscheinlich ist er schon weit vorgedrungen. Aber wir danken ihm dafür, dass er uns auch im Blick auf die Päpste aus der jüngeren Zeit manche gute und verlässliche Übersetzung, dazu noch in einer erstaunlichen Schnelligkeit geschenkt hat.
Ich möchte am Ende nochmals auf die Theologische Fakultät in Erfurt zurückkommen. Dies ist mir im Zusammenhang mit dieser Feier ein Herzensanliegen. Ich denke dabei auch an die altehrwürdige Universität von Erfurt, deren Geschichte uns in mehreren Bänden Erich Kleineidam beschrieben hat (4 Teile, Neuauflage 1964-1992). Wir lernen die damit verbundene Epoche der Theologie, die man leider lange Zeit sehr pauschal mit Schlagworten wie „verderbte Scholasik" kennzeichnete, heute wieder authentischer wahr. In der DDR-Zeit haben nicht wenige tüchtige Kollegen diese einzige Katholisch-Theologische Hochschule in der DDR am Leben erhalten und Laien sowie Priestern durch entsprechende Veröffentlichungen die Verbindung nach dem Westen offengehalten und auch viele Bereiche im Ostblock daran teilnehmen lassen. Ich habe selber vieles im „Theologischen Jahrbuch" veröffentlichen können, habe viele Verbindungen zum Philosophisch-Theologischen Studium gehabt, ganz besonders zu den beiden Kollegen Heinz Schürmann und Wilhelm Ernst, die ich am besten in der Internationalen Theologischen Kommission über Jahre in Rom traf, aber auch z. B. mit Lothar Ullrich, um nur diese wenigen Toten dankbar zu erwähnen. Viele müsste ich noch anschließen. Sie alle haben großen Anteil an der Treue der Kirche in der DDR während dieser Zeit in der weltweiten katholischen Kirche, aber auch an der Kooperation in einer offenen Theologie vor, während und nach dem Konzil. Dankbar darf ich dabei an die Bischöfe Hugo Aufderbeck und Joachim Wanke erinnern. Gewiss wird dies Bischof Ulrich Neymeyr in einer anderen Zeit fortsetzen.
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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