Ansprache anlässlich der Verabschiedung von Herrn Domkapitular Prälat Ernst Kalb als Dezernent für Schulen und Hochschulen und zur Einführung von Frau Ordinariatsdirektorin Dr. Gertrud Pollak

Datum:
Montag, 17. Januar 2000

Ich freue mich, dass ich so viele Damen und Herren begrüßen kann, wenn wir nun Herrn Domkapitular Prälat Ernst Kalb, der am 11. Januar seinen 70. Geburtstag gefeiert hat, mit Dank verabschieden und seine Nachfolgerin, Frau Ordinariatsdirektorin Dr. Gertrud Pollak, in das Amt einführen. Ich darf dies sicher als einen Ausdruck Ihrer Wertschätzung ansehen. Erlauben Sie mir, dass ich eine Würdigung versuche.

Kirche und Bildung haben von Anfang an eng miteinander zu tun. Es ist schon längst bekannt, dass das Christentum von Beginn an ein Verständnis des Glaubens ausgebildet hat, das eine durch die Vernunft geschehende Erhellbarkeit einschloss und darum auch in besonderer Weise fähig wurde für die Weitergabe des Glaubens über die Grenzen der Sprache und der Kultur, aber auch der Rassen und Klassen hinweg. Die Übersetzung der Bibel in verschiedene Sprachräume, die Formulierung eines Glaubensbekenntnisses und die spätere Schaffung von Katechismen sind ein Beleg dafür. Zugleich wurde die Kirche in der Spätantike, als der Staat und manche Bildungseinrichtungen zerfielen, zum grundlegenden Kultur- und Überlieferungsträger für das frühe Mittelalter und überhaupt die Folgezeit. Daran hat auch der Wandel des Welt- und Menschenbildes zwischen Antike und Christentum nichts grundlegend geändert. Nicht zuletzt die Klöster, vor allem die benediktinische Tradition, später aber auch die Domschulen haben hier bahnbrechend gewirkt. Wenn die Kirche missionierte, hat sie mit der Glaubensverkündigung immer auch Bildungs- und Gesundheitsmaßnahmen gefördert, und dies bevor es eine ausdrückliche Entwicklungspolitik gab.

Wir stehen heute in einer Diskussion um den Bildungsbegriff und die Bildungsmaßstäbe. Die Bildung konfessioneller Kirchen, der Humanismus und die Aufklärung haben schließlich zu einem pluralistischen Verständnis von Bildung geführt. Im Zuge dieser Entwicklung sind die Inhalte stärker zurückgetreten, jedenfalls in Fragen der Weltanschauung und der Religion, aber auch der Philosophie. So ergeht heute immer wieder der Ruf nach einer Wertbezogenheit der Bildung. Dies ist nicht einfach gleichzusetzen mit bloßem Vielwissen oder bloßer Schulbildung. Oft entstehen hier falsche Antithesen: Bildung versus Ausbildung, Leistung. Echte Bildung hat jedoch durchaus mit Forderung und Förderung von Leistung zu tun. Aber es ist zweifellos auch gewiss, dass man Bildung nicht auf die Vermittlung von Wissen und funktionalen Fähigkeiten allein beschränken darf. Sonst käme die Erneuerung der Bildung in den Verdacht, als würde sie nur aus unmittelbaren Nützlichkeitserwägungen heraus ins Gespräch gebracht. Bildung ist mehr, aber gerade hier fangen in unserer Gesellschaft die Fragen an. Bundespräsident Prof. Roman Herzog hat eine vermittelnde Formulierung angeboten, wenn er als Bildungsziel bestimmt, dass junge Menschen sich auf "ein Leben in Freiheit und Selbstbestimmung" vorbereiten lernen sollen, wobei er die Anstrengung und Verantwortung solcher Freiheit unterstreicht. Bildung enthält in der Tat ein unverzichtbares personales Element. Der einzelne bringt durch seine Teilhabe am Gespräch der Gesellschaft und durch seine persönliche Prägung seine Beziehungen zur Welt in Ordnung. Personalität, Bewusstseinserhellung und soziale Verantwortung gehören zusammen. Bildung hat jedenfalls auch mit Werten und Zielen zu tun, die keiner weiteren Zwecksetzung unterliegen, in diesem Sinne unbedingt sind. Bildung kommt heute gewiss an gesellschaftlichen Bedürfnissen nicht vorbei, aber sie verliert sich selbst, wenn sie gegenüber den gesellschaftlichen Tendenzen nicht unabhängig bleibt. Deshalb muss jede Erziehung zur Bildung auch Distanz und Freiheit zu allem, was ist, schaffen.

In der pluralistischen Gesellschaft darf gerade die Suche nach Werten nicht verblassen zu nichtssagenden Allgemeinplätzen. Die pluralistische Gesellschaft gibt die Freiheit, dass jeder entschlossen seinen Standort einnimmt. Dies setzt Offenheit für andere, Dialogbereitschaft und Toleranz voraus. Der Pluralismus lebt nur dann, wenn es eine solche Entscheidung zu eigenen Überzeugungen gibt und es zum Austausch zwischen ihnen kommt. Wenn Bildung wertbezogen ist, dann muss sie auch eine solche konkrete Verankerung im gesamten Wertegefüge einer Gesellschaft haben. Dies hat notwendigerweise mit einem Standort zu tun, der Festigkeit und Offenheit miteinander verbindet. Bildung führt in diesem Sinne zu einer Toleranz, die nicht gleichgültig macht, sondern Treue zu sich selbst und Fähigkeit zum Gespräch sowie zum Austausch und Einsatzbereitschaft für das Gemeinwohl verbindet.

Das Bistum Mainz hat in vieler Hinsicht an der Tradition der Vermittlung von Bildung auf vielen Ebenen Anteil. Dies reicht von Musik und Dichtung bis zu den heutigen Einrichtungen, die sich von der Akademie bis zu den Privatschulen, von der Erwachsenenbildung bis zu den Familienbildungsstätten erstreckt. In besonderer Weise ist die Geschichte des Bistums Mainz mit der Verteidigung der Elternrechte im Blick auf die Schule verbunden. Gerade Bischof von Ketteler hat in der Auseinandersetzung mit dem damaligen Liberalismus schon auf der Frankfurter Nationalversammlung 1848 die Offenheit des Bildungswesens verlangt. Er hat immer wieder das Ernstnehmen des Elternwillens bei der freien Schulwahl für die Kinder hervorgehoben. Diese Feststellung gilt grundsätzlich für alle Schulen in freier Trägerschaft.

Dies ist der Hintergrund, warum das Bistum Mainz die Situation genützt hat und Schulen in freier Trägerschaft auf allen Ebenen geschaffen hat.

Sie, lieber Herr Domkapitular Prälat Kalb, sind dabei in die Schule Ihres Vorgängers, Domdekan Dr. Hermann Berg, gegangen, der nicht zuletzt auch durch seine politische Klugheit und Kompetenz in Hessen und Rheinland-Pfalz die Voraussetzungen für diese Entwicklung geschaffen hat. Sie sind seit 1964, also vor mehr als 35 Jahren, sein Assistent in der Schulabteilung des Bischöflichen Ordinariates geworden und haben in dieser Zeit an seiner Seite nicht nur viel gelernt, sondern auch bei der Beanspruchung von Hermann Berg in anderen Bereichen manche Weichenstellungen vorbereitet und Verhandlungen mitgestaltet. Über 20 Jahre haben Sie so bereits Mitverantwortung getragen, auch wenn sie nach außen loyal zurückgetreten sind, so dass Sie 1986 nach einer 22 Jahre alten Erfahrung den Bereich "Schulen und Hochschulen" voll verantwortlich im Bistum übernommen haben.

In diesen Jahrzehnten haben Sie vielfach an der grundlegenden Gestaltung des katholischen Bildungswesens nicht nur in unserem Bistum mitgewirkt. Sie kamen in die Diskussion um den schulischen Religionsunterricht hinein, als Sie begannen. Sie haben sich bis zum heutigen Tag immer wieder um die verschiedenen Konzepte und Methoden gekümmert. Man hat die wesentlichen Stichworte fast schon vergessen: Texterklärender Religionsunterricht, Münchner Methode, Kerygmatischer Religionsunterricht, Bibelunterricht, Problemorientierter Religionsunterricht. Sie haben alle wesentlichen Diskussionen genau verfolgt, nicht zuletzt die Legitimationsproblematik des schulischen Religionsunterrichtes, die jahrelange Diskussion um die Anliegen der Curriculum-Forschung für den Religionsunterricht, aber auch die Bedeutung des Korrelationsprinzips, nicht zuletzt für die Zuordnung von Erfahrung und Offenbarung. Ihnen lag besonders aber auch an der Fort- und Weiterbildung der Religionslehrer. Sie haben nicht nur die Arbeitsgemeinschaften gefördert, die Fortbildungsmöglichkeiten auf Landesebene (ILF, PZ), die Arbeitsstellen für Religionspädagogik im Bistum ausgebaut (heute sind es zwölf) ,die gut genützt werden; Sie haben auch eine schulbezogene Elternarbeit unterstützt. Immer wieder haben Sie auch die Notwendigkeit der Unterstützung für die örtlich schulbezogene Elternarbeit durch die Pfarrgemeinderäte hervorgehoben. Stets haben Sie Sorge getragen für zuverlässige Informationen und deshalb auch das Organ "Religionsunterricht heute" geschaffen. Fast 75 Hefte zeugen von dieser Arbeit.

Es waren Jahre, in denen zum Teil die bisherigen Formen von Schulen in freier Trägerschaft erneuert werden mussten. Eine Reihe von Ordensgemeinschaften, die seit langer Tradition der Schule verpflichtet waren, konnten durch den Personalmangel nicht mehr allen Ansprüchen Genüge tun. Wir haben im Bistum keine anerkannte Schule schließen müssen, sondern es ist gelungen, sie in ganz verschiedenen neuen Formen, meist in Zusammenarbeit mit den Ordensgemeinschaften, durch Schaffung von Stiftungen usw. zu retten. Sie haben tüchtige Direktorinnen und Direktoren, aber auch Lehrerinnen und Lehrer aller Disziplinen für diese Schulen gefunden. Immer wieder ist es Ihnen gelungen, auch bei knapper werdenden Mitteln z.B. den Kirchensteuerrat von der Notwendigkeit der Förderung der Schulen zu überzeugen. Dabei möchte ich besonders betonen, dass es Ihnen nie nur um die Schulen in freier Trägerschaft ging, sondern dass Sie bei aller Sorge, z.B. für den Ausbau der Martinusschulen in der Stadt Mainz, viel Sinn für die allgemeine Schulpolitik, für die Zusammenarbeit mit allen Schulen und für gute Religionslehrer an allen Schulen aufbrachten. Deshalb waren Sie auch für die Ministerien, die Bezirksregierungen bzw. Staatlichen Schulämter, die in den beiden Bundesländern Hessen und Rheinland-Pfalz die Verantwortung für Bildung und Schule hatten, ein angesehener, kundiger und sachlicher Gesprächspartner, der zugleich die Zielsetzungen und Anliegen der Kirche gut zu begründen und zu verteidigen wusste. Deshalb haben Ihnen auch die Bischöfe volles Vertrauen geschenkt.

Das Spektrum dieser Tätigkeit ist sehr weit und erstreckt sich von den Grundschulen über die Gymnasien, Fachschulen, Fachoberschulen, die Fachakademie und ähnlichen Einrichtungen über die Fachhochschule bis zur Ausbildung der Theologiestudenten an der Universität. Ich brauche dies nicht im einzelnen auszuführen.

Ihr Eintreten für Schulen und Hochschulen, ja für die Belange der Bildung überhaupt war so dem Umstand zu verdanken, dass Sie ganz und gar ein Mann der Schule waren. Dies ist ein besonderer Gewinn für uns gewesen, weil Sie stets auf die Eigengesetzlichkeit pädagogischer und schulischer Fragen und Probleme achteten. Damit haben Sie auch für die Gesamtpastoral der Kirche etwas Entscheidendes zum Ausdruck gebracht. Kirche darf sich nicht nur auf die Pfarrgemeinde beschränken, sondern muss an vielen Orten präsent werden, wo Menschen Gemeinschaft praktizieren, besonders wo es um Gestaltungsfragen des individuellen und gesellschaftlichen Lebens geht. Die Schule ist ein solcher Ort, und zwar ein eminenter.

Herr Domkapitular Kalb ist zuerst ganz und gar ein Mann der Schule, nicht minder aber auch ganz und gar ein Mann der Kirche. Er hat schon sehr früh bemerkt, dass das Leben des Glaubens elementar in Familie und Gemeinde verwurzelt sein muss. Dabei ging es Herrn Domkapitular Kalb nicht nur um eine Verbesserung der Beziehungen zwischen den Religionslehrern und den ihnen zugeordneten Gemeinden. Dies war ihm freilich stets ein wichtiges Anliegen. Es kann nur gelingen, ein überlebensfähiges Glaubensverständnis zu vermitteln, wenn alle "Lernorte des Glaubens" (Familie, Kindergarten, Schule, Jugendarbeit, Gemeinde usw.) zusammen Einsicht und Erfahrung im Umgang mit dem Glauben stärken. Für Herrn Domkapitular Kalb haben dabei - wie schon gesagt - die Familie und die Beheimatung in der Gemeinde eine wichtige Rolle gespielt. Deshalb gehörte es schon früh zum Programm der Mainzer Schulabteilung, mit dem schulischen Religionsunterricht die Katechese der Gemeinde zu stärken. Es liegt auf derselben Linie, dass Herr Domkapitular Kalb in anderer Weise die Lebensräume des Glaubens zu unterstützen suchte. Der Glaube darf nicht nur gelehrt, sondern er muss auch gelebt werden. Dies ist der Grund, warum das Dezernat Schulen und Hochschulen die Schülerseelsorge, die diesem Anliegen der Glaubenserfahrung dient, sehr früh gefördert hat. Dies geschah auch immer in enger Zusammenarbeit mit dem Bischöflichen Jugendamt.

Dies weist in verschiedener Hinsicht auf den Priester und Seelsorger Ernst Kalb. Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1955 machte er seine pastoralen Erfahrungen vor allem in Lampertheim (St. Andreas) und in Alzey (1956-1959). Schließlich wurde er von 1959 für fünf Jahre Religionslehrer in Lampertheim. Herr Domkapitular Kalb hat hier besonders viele Erfahrungen in den Berufsschulen, vor allem der Kreisberufsschule Bergstraße, gemacht. Deshalb hat er in seiner späteren Verantwortung immer wieder den Religionsunterricht an den Berufsschulen ins Auge gefasst. Wenn ich mich recht erinnere, geht ein sehr großer Teil der jungen Menschen, auch wenn sie Abitur gemacht haben, aber z.B. eine Lehre absolvieren, durch die Berufsschulen, die hier eine besondere Chance der Synthese von Leben und Glauben haben.

Der Aufenthalt in Lampertheim ist aber auch noch aus einem anderen Grunde sehr wichtig. Dies ist die Gestalt des Glaubenszeugen Pater Alfred Delp SJ, der aus Lampertheim stammt. Die Auseinandersetzung mit der modernen Welt und zugleich die Synthese von Glaube und Kultur bei Pater Delp haben die Aufmerksamkeit von Ernst Kalb erregt. Dabei ist dem Schulmann und Religionspädagogen vor allem auch die von Alfred Delp immer wieder behandelte Frage nahegelegen, wie denn unter den verschärften neuzeitlichen Bedingungen Glaubensvermittlung - nicht zuletzt auch in der Öffentlichkeit - möglich sei. Wenn ich recht sehe, hat Domkapitular Kalb - sieht man einmal von den Fachveröffentlichungen ab - keiner Gestalt so viel literarische Aufmerksamkeit geschenkt wie Alfred Delp.

Schließlich ist auch das Wirken von Ernst Kalb nicht zu denken ohne die seelsorglich-menschliche Dimension, ohne seinen konkreten Stil. Obgleich das Dezernat viele strukturelle Überlegungen und ein politisches Gespür verlangt, stand für Ernst Kalb immer der einzelne Mensch im Mittelpunkt, der Lehrer und speziell auch der Religionslehrer. Der Einzelne fand stets ein offenes Ohr für seine Fragen und Nöte. Mit großer Sorgfalt hat er immer wieder versucht, dem Einzelnen gerecht zu werden und für ihn Lösungswege zu finden, ohne gegenüber anderen ungerecht zu werden. Domkapitular Ernst Kalb hat als echter Pädagoge immer wieder auch den einzelnen Menschen, gerade jungen Lehrerinnen und Lehrern, einen Spielraum zugestanden, in dem sie wachsen und reifen konnten. Er hat jeden immer wieder bestärkt in dem, was er zu leisten imstande war. Ohne die menschlichen Grenzen zu verkennen, hat er darum sehr viele Lehrerinnen und Lehrer ermutigt und ihnen dadurch auch Freude an ihrer Aufgabe vermittelt. Bei der Verleihung der kirchlichen Unterrichtserlaubnis (missio canonica) konnte ich beobachten, wie sehr er immer wieder sich den einzelnen Menschen zuwenden konnte. Dabei hat er auch nie das familiäre Umfeld wie auch die Schwierigkeiten eines bestimmten Einsatzortes außer Auge gelassen.

Deshalb war Herr Domkapitular Kalb auch für viele einzelne Menschen, Ordensangehörige und Mitglieder geistlicher Gemeinschaften, ein erprobter und angesehener geistlicher Begleiter und Ratgeber. Mit vielen Menschen, die er, z.B. in Lampertheim, kennenlernte, verbindet ihn noch heute ein feiner menschlicher Kontakt. Interesse für den Einzelnen und eine hohe Diskretion zeichneten ihn ebenso aus, wie er eine besondere Sensibilität für kranke Menschen hatte.

In diesem Sinne war Herr Domkapitular Kalb auch für die Dezernentenkonferenz ein Segen. Er hatte eine große personalpolitische Erfahrung eingebracht. Die Größe der administrativen Aufgabe darf man bei dem hohen Personalstand nicht vergessen. Nicht zuletzt möchte ich aber hervorheben, dass Domkapitular Kalb ungeachtet dieser Zuwendungsfähigkeit zum Einzelnen auch ein sehr guter Theologe war und ist, der die objektiven Faktoren von Lehre und Disziplin nicht nur zuverlässig beherrscht, sondern der auch unverkrampft eine große Loyalität zu unserer Kirche hat. Das Studium vor allem in Innsbruck, besonders bei J. A. Jungmann und bei Karl und Hugo Rahner, hat seine Früchte getragen.

Ich möchte Ihnen daher, sehr verehrter Herr Domkapitular Kalb, im Namen des Bistums Mainz, ganz gewiss auch meines verehrten Vorgängers und besonders persönlich, Ihnen ein sehr herzliches Vergelt´s Gott sagen für Ihren hohen Einsatz. Auch wenn wir Sie nun von den vielen Pflichten entlasten wollen, so bitten wir doch um Ihren guten Rat. Ich wünsche Ihnen gesegnete Jahre und endlich die Muße, das zu tun, worauf Sie bis jetzt oft verzichten mussten.

Seit dem 15. Januar 2000 ist Frau Ordinariatsdirektorin Dr. Gertrud Pollak die Nachfolgerin von Herrn Domkapitular Kalb. Dies ist wirklich ein Generationenwechsel. Als Herr Domkapitular Kalb zum Priester geweiht wurde, war Frau Dr. Pollak gerade in Geislingen an der Steige geboren. In der Nähe von Geislingen ist sie aufgewachsen und hat nach dem Besuch der Grundschule 1973 Abitur am Gymnasium in Geislingen gemacht. Da sie im naturwissenschaftlichen Zug lernte, hat sie in Stuttgart ein ganzes Jahr das Große Latinum, das Graecum und das Hebraicum nachgeholt. Von 1974 bis 1979 hat sie schließlich an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg Germanistik und Katholische Theologie studiert. In den Jahren 1978 und 1979 hat sie in diesen beiden Hauptfächern das Staatsexamen abgelegt. Ab dem Jahresende 1979 hat Frau Pollak ihre umfangreiche theologische Dissertation "Der Aufbruch der Säkularinstitute und ihr theologischer Ort" angefangen. Im Jahr 1986 wurde sie in der Freiburger Fakultät angenommen und erschien auch im Patris-Verlag. Unterstützt wurde sie durch ein Promotionsstudium des Cusanuswerkes. In der letzten Phase war Frau Dr. Pollak als Bildungsreferentin mit Schwerpunkt Öffentlichkeitsarbeit für ein internationales Projekt der Schönstatt-Bewegung angestellt und hat dabei viele internationale, weltkirchliche Erfahrungen machen können. Schließlich hat sie im Herbst 1986 in ihrer Heimatdiözese, nämlich Rottenburg-Stuttgart, die Ausbildung als Pastoralreferentin begonnen und schließlich im Jahr 1989 diese mit der Ablegung der zweiten Dienstprüfung abgeschlossen. In einer Stuttgarter Gemeinde sammelte sie in Schule und Gemeinde viele Erfahrungen.

Aufgrund ihrer Persönlichkeit, der qualifizierten Ausbildung in Theorie und Praxis und ihrer theologisch-spirituellen Kompetenz haben wir sie im Jahr 1989 in der Nachfolge von Frau Cilli Hentschel zur Direktorin des Bischöflichen Seminars für Gemeindepastoral und Religionspädagogik am Römerwall ernannt, heute "Fachakademie zur Ausbildung von Gemeindereferentinnen und Gemeindereferenten". Dort hat sie nicht nur das Haus überzeugend und weithin hoch anerkannt nach innen und außen geführt und vertreten, sondern auch über zehn Jahre lang erfolgreich das Fach Dogmatik gelehrt. In dieser Hinsicht hat sie - in der Fachakademie studieren Frauen und Männer aus 6 Diözesen - das Bistum gut kennengelernt. Sie hat in vielen Gremien fruchtbar mitgearbeitet. Einer größeren Öffentlichkeit ist sie auch dadurch bekannt geworden, dass sie für unseren Jubiläumskatholikentag 1998 in Mainz federführend die Verantwortung für die Vorbereitung und Durchführung des vielbesuchten Geistlichen Zentrums übernahm.

Schließlich hat Frau Dr. Pollak im Lauf dieser zehn Jahre als Vorsitzende der Konferenz der Leiterinnen und Leiter von Seminaren zur Ausbildung von Gemeindereferentinnen/referenten in den deutschsprachigen Diözesen im vergangenen Jahr eine Programmschrift zur "Integrativen Ausbildung" von Gemeindereferentinnen und -referenten herausgegeben, die so etwas wie eine zusammenfassende, fruchtbare Ernte vieler Bemühungen um ein neues Profil dieses Berufes darstellt. Die über 40 Seiten umfassende Konzeption hat diesen für die Kirche wichtigen Beruf auf ein zwar im Kern schon bewährtes, aber nun doch stärker reflektiertes Fundament gestellt. Dies zeigt auch eine besondere Eigenschaft von Frau Dr. Pollak, nämlich die Kraft und das Vermögen zur theoretischen und theologischen Reflexion und zugleich die Wahrung von Tuchfühlung und Bodennähe. Auch wenn sie nicht Alleinverfasserin dieses Heftes ist, so kann man sie hier recht gut kennenlernen.

Auch andere haben die Qualität von Frau Dr. Pollak kennengelernt. So war es kein Wunder, dass zwei große Nachbardiözesen sie im Bereich des Schuldezernates und des Seelsorgeamtes in eine verantwortliche Leitungsposition berufen wollten. Aus Liebe zur Fachakademie und den Fragen der Entwicklung des Berufs der Gemeindereferentin/des Gemeindereferenten wollte sie ihre Tätigkeit in Mainz nicht verlassen und auch zu einem gewissen Abschluss bringen. Ich habe ihr bei dieser Gelegenheit auch versprochen, dass sie in absehbarer Zeit auch im Bistum Mainz eine neue, verantwortungsvolle Aufgabe übernehmen könne.

Jetzt ist es soweit. Ich freue mich, dass wir Sie, Frau Ordinariatsdirektorin Dr. Gertrud Pollak, als neue Dezernentin für Schulen und Hochschulen vorstellen können. Ich freue mich auch, dass wir damit auch in unserer Dezernentenkonferenz, dem höchsten und wichtigsten Gremium zur Beratung des Bischofs in der Leitung der Diözese, eine Frau haben. Sie haben an meiner Darstellung ihrer Qualifikation und Kompetenz gemerkt, dass es ganz und gar keine "Quotenfrau" ist. Eine solche Position hätte sie mit Sicherheit auch ausgeschlagen. Um so unabhängiger und überzeugender ist ihre Wahl. Ich freue mich jedoch, dass wir mit dieser Berufung zugleich objektiv und glaubwürdig belegen können, dass es uns mit der Übertragung von Führungsrollen in der Kirche an Frauen ernst ist und dass wir auf diesem Weg wieder einen guten Schritt vorwärtsgekommen sind.

Ich möchte gerne die Gelegenheit ergreifen und allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Dezernates Schulen und Hochschulen für ihren Einsatz und für die gute Zusammenarbeit mit Herrn Domkapitular Prälat Ernst Kalb danken. Dies ist ein gutes Fundament für die Zukunft. Gottes Segen!

Sie alle, meine sehr verehrten Damen und Herren, bitte ich um das Vertrauen für Frau Dr. Gertrud Pollak und um eine gute, segensreiche Zusammenarbeit mit ihr im Interesse der jungen Menschen.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz