Ansprache zur Einweihung des „Hauses der deutschen Caritas“

am 29. Juni 2005, 18.00 Uhr, in Berlin

Datum:
Mittwoch, 29. Juni 2005

am 29. Juni 2005, 18.00 Uhr, in Berlin

Die Caritas im Sinne der Nächstenliebe für Nahe und Ferne aus christlichem Geist ist eine fundamentale Lebensäußerung des einzelnen Christen, der Gemeinden und der Kirche überhaupt. Der Deutsche Caritasverband repräsentiert einen wesentlichen Teil dieser Lebensäußerung in Form seiner Dienste und Einrichtungen sowie seines anwaltschaftlichen Eintretens für Hilfebedürftige. Diese Anwaltsfunktion des DCV vollzieht sich wiederum auf sehr unterschiedliche Weise und reicht vom Eintreten für die Belange benachteiligter, Not leidender und kranker Menschen in den konkreten Situationen des Alltages, bis zur Gestaltung des Lebens der Pfarrgemeinde sowie in politischen Zusammenhängen auf kommunaler, Landes- und in der Bundesebene. Dies ist die Stelle, an der eine wirkungsvolle Vertretung des DCV im Kontakt mit dem Parlament, den Parteien und weiteren Interessensvertretungen von besonderer Bedeutung ist.

Der Ausbau des Berliner Büros des Deutschen Caritasverbandes, der mit der Einweihung des „Hauses der deutschen Caritas“ am heutigen Tag zu einer wichtigen Zwischenetappe gekommen ist, ist aus Sicht der deutschen Bischöfe sehr zu begrüßen. Er verbessert die Möglichkeiten des DCV, die Anliegen der Caritas im Sinne der Nächstenliebe für Nahe und Ferne aus christlichem Geist in die Prozesse der politischen sowie gesellschaftlichen Meinungsbildung und Entscheidungsfindung einzubringen. Die sukzessive Verstärkung der personellen Kapazitäten des DCV am Standort Berlin auf 15 Arbeitskräfte ist in Zeiten allgemeiner finanzieller Begrenzungen ein deutliches Signal dafür, dass die Caritas ihrem sozialpolitischen Engagement eine hohe Priorität beimißt. Insbesondere ermöglicht die stärkere Präsenz in Berlin den Ausbau von persönlichen Kontakten zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus den Ministerien, den Parteizentralen und Vereinigungen der Zivilgesellschaft, damit die Anliegen und Positionierungen der Caritas auch jenseits der offiziellen Stellungnahmen vermittelt werden können.

Zentral sind für den Deutschen Caritasverband sicherlich die Fragen im Zusammenhang mit der Sozialpolitik. Themen wie die Entwicklung des Sozialstaats, der Arbeitsmarkt, die Gesundheit, die Alterssicherung, die Auswirkungen der demographischen Veränderungen oder die Umsetzung der Arbeitsmarktreformen unter dem Stichwort Hartz IV betreffen unmittelbar die Lebenslagen und -chancen der Menschen.

Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich die Initiative des DCV gemeinsam mit den anderen Wohlfahrtsverbänden und der Bundesregierung zu einer Evaluierung der Auswirkungen der Arbeitsmarktreformen auf den Teil der Bevölkerung im unteren Einkommensdrittel, die unter dem Stichwort „Sozialmonitoring“ erfolgt. Angesichts möglicher Neuwahlen zum Deutschen Bundestag ist vielleicht noch nachvollziehbar, dass dieser Prozess von Seiten der Bundesregierung derzeit vorerst nicht weiter geführt wird. Im Herbst muss dieser Prozess des Sozialmonitorings allerdings wieder aufgegriffen werden! Sein Anliegen, mögliche Korrekturen an den Arbeitsmarktreformen vor dem Hintergrund nicht beabsichtigter Auswirkungen auf Menschen im unteren Einkommensdrittel zu analysieren und anzumahnen, ist wichtig und sollte unabhängig von der politischen Couleur einer Bundesregierung weiter verfolgt werden. In diesem Zusammenhang müsste übrigens auch deutlich werden, dass ein funktionierender Sozialstaat zwar in erster Linie die Schutzbedürfnisse der Menschen in Armut und Notlagen berücksichtigen sollte, als solcher aber die Akzeptanz und damit auch die Solidarität der gesamten Gesellschaft braucht und nur als gesamtgesellschaftliche Aufgabe konzipiert werden kann. So müssen auch Eigenverantwortung und Solidarität wieder stärker zueinander finden.

Die Kraft der Caritas in der Ausübung ihrer anwaltschaftlichen Funktion für Benachteiligte, Notleidende und Hilfsbedürftige korrespondiert mit dem Bewusstsein ihrer Verwurzelung in der katholischen Kirche. Caritas ist und bleibt eine Grundfunktion der katholischen Kirche, die ihrerseits nur in der vollen Ausübung ihrer drei Grundfunktionen Verkündigung, Gottesdienst und Diakonie, ganz Kirche ist. Caritas ist der Bereich der Kirche, der die Botschaft vom Reich Gottes in die Gesellschaft trägt, verdeutlicht und profiliert. Die vielen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas wirken an der Umsetzung dieses missionarischen Auftrages der Kirche mit. Wir Bischöfe wissen um die hohe Qualität der Dienste der Caritas und die christliche Motivation der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ich nutze deshalb diese Gelegenheit, Ihnen stellvertretend für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Caritas für Ihren unermüdlichen Einsatz sehr herzlich zu danken.

Dem Berliner Büro, dem „Haus der deutschen Caritas“ wünsche ich viel Erfolg in der Wahrnehmung ihrer anwaltschaftlichen Funktion für die Anliegen der Caritas der Kirche und und vor allem Gottes reichen Segen. Ich bin sicher, die Stimme der katholischen Kirche wird durch ihr Mittun zukünftig noch deutlicher zu hören sein im politischen Berlin.

 

© Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz