Auch nach einer Niederlage kann man zufrieden sein

Gedanken am Ende der Fußballweltmeisterschaft

Datum:
Sonntag, 9. Juli 2006

Gedanken am Ende der Fußballweltmeisterschaft

„Wort des Bischofs“ im SWR am 9. Juli 2006

Viele Menschen, die in den letzten Wochen begeisterte Anhänger des Fußballspieles und besonders auch der jungen deutschen Mannschaft wurden, sind in diesen Tagen, da die deutsche Mannschaft im Halbfinale gescheitert ist, enttäuscht. Manche Träne ist geflossen. Der Verlust des Spiels in den letzten zwei Minuten war gewiss eine bittere Pille.

Der Glaube kann so etwas nicht ungeschehen machen, aber er kann uns helfen, die ganze Wirklichkeit zu sehen und so auch mit Niederlagen fertig zu werden. Wenn am heutigen Tag die grandiosen Spiele mit dem Finale abgeschlossen werden, gibt es viel Anlass zum Dank. Unser Land hat sich in vieler Hinsicht von der besten Seite gezeigt. Viele Menschen aus der ganzen Welt haben sich bei uns wohl gefühlt. Die Organisatoren verdienen hohes Lob. Die gute Ausstattung unseres Landes mit den Verkehrssystemen und den Sportstätten hat den großen Ansturm vor allem so vieler Fans bewältigen helfen. Die Polizei und die Sicherheitsorgane haben offenbar die Situation gut im Griff gehabt. Hoffen wir, dass es auch an diesem letzten Tag so bleibt.

Die Spiele haben viele Menschen begeistert. Sie konnten sich über eindrucksvolle Leistungen freuen. Man war beeindruckt von der körperlichen Kraft, der Ausdauer auch bei Verlängerungen der Spielzeit, dem technischen Können und dem Zusammenhalt in vielen Mannschaften. Auch wenn die Spiele hart waren, so gab es bei allem zähen Ringen doch nur wenige hässliche Entgleisungen und Fouls. Man konnte sich auch am Teamgeist vieler Mannschaften freuen. Das Zusammenspiel ließ die ehrgeizigen Bestrebungen einzelner zurücktreten. Streckenweise war die Kooperation sehr gut abgestimmt und hat auch eindrucksvoll die Gemeinschaftsfähigkeit, die zu diesem Sport gehört, unterstrichen. Auch wenn man bei der einen oder anderen Entscheidung der Schiedsrichter den Kopf schüttelte, so waren sie insgesamt in hohem Maße um Objektivität und Unparteilichkeit bemüht. Auch dies ist eine wichtige Erkenntnis für das Leben der Menschen untereinander, wo es immer wieder um die Wahrung der Disziplin und die Grenzen im Sichdurchsetzen geht. Dies sind durchaus positive Elemente, die den guten Einfluss des Sports auf Humanität und Ethik im Zusammenleben der Menschen belegen können.

Es war auch ein eindrucksvolles Spiel der Völker. Auch wenn am Schluss die vier Europäer unter sich waren, gab es doch Mannschaften aus kleineren Ländern und der Dritten Welt, die im Vergleich zu den großen Fußballnationen echte Fortschritte zeigten. Auch wenn sie nicht in die letzte Phase der Entscheidung gelangt sind, haben sie manche Anerkennung gefunden. Sie sind auch im Sport ernst zu nehmen. Vielleicht werden uns dadurch auch die Augen geöffnet für die Not vieler Menschen, besonders in Afrika. So ist durch die bunte Vielfalt der Völker und auch durch ihr individuelles Spiel ein guter Blick auf die ganze Menschheit gelungen. Man wird auch den meisten Fans bescheinigen können, dass ihr leidenschaftliches Eintreten für die eigene Mannschaft und damit auch die eigene Nation durchaus Respekt gegenüber anderen aufwies.

Freilich mussten gerade wir Deutschen auch lernen, mit einer Niederlage umzugehen. Der Sport zielt zwar auf den Sieg, aber dieser ist nicht der einzige Wert, sondern er steht immer in Konkurrenz mit anderen Werten. Dazu gehört vor allem ein fairer Umgang miteinander. Hier konnte man schöne Szenen erleben, wie Gegner sich die Hände reichen und einander helfen, nach einer Rempelei wieder vom Boden aufzustehen. Dies ist in unserer Welt keineswegs selbstverständlich.

Schließlich mussten wir auch lernen, dass der Sport ein Spiel bleibt. Man kann den Sieg nicht erzwingen, auch wenn man sich noch so sehr anstrengt. Es gibt bei noch so viel Training und Strategie Zufälle und Missgeschicke, Irrtümer und Schwächen. Sie gehören zu unserem Menschsein und zu unseren Grenzen. Jedes Spiel hat auch ein stückweit seine Laune. Wir kriegen es nicht in den Griff. Es narrt uns, wenn wir zu viele Absichten mit ihm verbinden. Und auch dies ist ein Stück unseres Lebens, wo wahrhaftig nicht immer alles glatt geht.

Und ich glaube, dass unser Land, auch wenn wir nicht Weltmeister geworden sind, einen ganz besonders großen Gewinn erzielt hat: Wir sind gute Gastgeber gewesen.

So ist die Bilanz, wenn man geduldig hinsieht, sehr viel positiver, als dies nach der Niederlage zuerst scheinen konnte. Wir haben Grund zum Danken.

© Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz