„Beichtgeheimnis ist unbedingt zu wahren"

Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz fordert Klarstellungen im Gesetzentwurf

Datum:
Dienstag, 28. Oktober 1997

Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz fordert Klarstellungen im Gesetzentwurf

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Dr. Karl Lehmann, Mainz, hat sich in einem Beitrag für die Bistumszeitung „Glaube und Leben" (2. November, Nr. 44) zu dem überparteilichen Gesetzentwurf „Rechtfertigung von akustischen und visuellen Wohnungsausspähungen" und seiner Bedeutung für das Beichtgeheimnis geäußert.

 

Der Beitrag folgt im Wortlaut:

BEICHTGEHEIMNIS UND DEMOKRATIE

 

In den letzten Wochen ging es in unserem Land um einen überparteilichen Gesetzesentwurf „Rechtfertigung von akustischen und visuellen Wohnungsausspähungen". Politiker und Fachleute sind seit langem der Überzeugung, daß solche Mittel zum Zweck der Strafverfolgung im Interesse einer wirksamen Bekämpfung besonders der Organisierten Kriminalität notwendig sind. Offenbar sind vor allem internationale Verbrecherbanden nur mit Hilfe dieser technischen Mittel wirksam zu beobachten und zu verfolgen.

 

Immerhin enthält dieser Gesetzentwurf eine Änderung des Grundgesetzes, für das die Unverletzlichkeit der Wohnung ein fundamentales Recht ist. Freilich gab es auch bisher schon Einschränkungen dieses Rechtes, die allerdings sehr genau formuliert sind (Art. 13). Immer geht es dabei um die Abwendung einer Gefahr, sei es im Blick auf das Leben einzelner oder eine Bedrohung für Gesellschaft und Staat. Dabei handelt es sich um das Anbringen von Abhöreinrichtungen („Großer Lauschangriff") oder bildliche Aufnahmen von Vorgängen in der Wohnung, aber auch um die Aufzeichnung von Gesprächen mit Hilfe besonderer technischer Vorrichtungen und unter bestimmten Voraussetzungen („Kleiner Lauschangriff").

 

In diesem Zusammenhang ist auch die Frage des Beichtgeheimnisses angesprochen worden. Es hat sich dabei gezeigt, daß an diesem Punkt die Gesetzesentwürfe verschieden ausgelegt werden können und nicht eindeutig sind. Diskretion über Dinge, die einer dem anderen anvertraut hat, gehört zu den Grundlagen menschlicher Gemeinschaft. Darüber hinaus gibt es für manche Berufe eine besondere Verschwiegenheit, wie z.B. bei Ärzten und Anwälten. Auch für Geistliche gibt es ein solches Amtsgeheimnis. Sie haben, wenn es um die Ausübung der Seelsorge geht, darum auch ein Zeugnisverweigerungsrecht vor Gericht. Das Beichtgeheimnis geht in seiner Bedeutung noch darüber hinaus. Denn hier offenbart sich ein Mensch angesichts eines amtlich bestellten Zeugen vor Gott. Kein noch so hohes Gut kann von der Verbindlichkeit des Beichtgeheimnisses befreien. Nicht wenige Beichtväter haben hier, manchmal unter Hingabe ihres Lebens, den Diktatoren aller Richtungen Widerstand geleistet. Auch in der Kirche dauerte es länger, bis sich dies eindeutig zum Schutz der Persönlichkeit und auch des Vertrauens durchgesetzt hat. In diesem Sinne hat der unbedingte Schutz jeder Person durch die strikte Beachtung des Beichtgeheimnisses zweifellos auch eine Rolle gespielt beim Entstehen unserer modernen Persönlichkeitsrechte. Darum geht es auch hier um einen Kernbereich der Kirche, wo staatliche Eingriffe nicht erlaubt sind. Mindestens für den Bereich des Beichtgespräches darf keine akustische Überwachung angeordnet werden.

 

Ich bin überzeugt, daß keine politische Kraft unseres Landes in diesem Zusammenhang wirklich eine Verminderung dieses Schutzes anstrebt. Gerade darum sind aber in den Gesetzentwürfen entsprechende Klarstellungen dringend notwendig. Es geht hier um einen ganz fundamentalen Schutz nicht nur der Kirche und der Seelsorger, sondern zuerst der Menschen überhaupt. Wenn sie ihr Innerstes vor Gott und den Menschen bloßlegen und bekennen, hat keine andere Macht der Welt dabei etwas verloren. Um so unverständlicher ist es, daß nach jüngsten Presseberichten eine anglikanische Synode in Australien das Beichtgeheimnis eingeschränkt hat. Auch hier wäre ökumenische Rücksicht und ein gemeinsames Vorgehen am Platz.

 

Bonn, 28.10.1997

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz