„Bilder" aus Rom - Zur Berufung neuer Kardinäle

Kolumne von Kardinal Lehmann in der Kirchenzeitung "Glaube und Leben"

Datum:
Sonntag, 2. März 2014

Kolumne von Kardinal Lehmann in der Kirchenzeitung "Glaube und Leben"

Papst Franziskus hat am 22. Februar, dem Fest Kathedra Petri, insgesamt 19 Bischöfe zu Kardinälen erhoben. Es sind 16 aktive Hirten aus zwölf Nationen und drei verdienstvolle, über 80 Jahre alte emeritierte Erzbischöfe. Darunter waren Erzbischof Capovilla, langjähriger Sekretär des seligen Papstes Johannes XXIII. - er konnte freilich nicht persönlich anwesend sein - und Erzbischof Poli, der Nachfolger von Papst Franziskus in Buenos Aires. Für Deutschland und uns Mainzer war aber die Berufung von Erzbischof Gerhard L. Müller aus Finthen, Präfekt der Glaubenskongregation in Rom seit dem Jahr 2012, eine besondere Freude.

Eine solche Feier hinterlässt vor allem „Eindrücke". So will ich einige „Bilder" in Erinnerung bringen, die mir nicht nur in Rom aufgefallen sind, sondern mir auch im Gedächtnis bleiben werden.

1. Der Papst im Aufzug:
Wenn früher die Päpste z. B. zu Synodensitzungen kamen, wurde vorher das Terrain, auch für Kardinäle und Bischöfe, abgesperrt. Der Aufzug in die höheren Stockwerke wurde längere Zeit nur für den Papst reserviert. Jetzt kommt Papst Franziskus neben den Kardinälen aus aller Welt, die mit ihm zwei Tage beraten, zu Fuß. Unser Aufzug ist ziemlich voll, aber da geht er nochmal rasch auf: Der Papst - er ist ganz allein - streckt den Kopf herein und fragt, ob er noch mitfahren könne. Wir machen Platz. Er sieht sofort, dass wir Kardinäle eine ganz internationale Truppe sind und zählt die einzelnen Nationen auf. Es ist so einfach und normal wie nur denkbar. Was für ein Wandel!

2. Erlebnis von Kirche aus der ganzen Welt:
Wenn man sich die 16 neuen aktiven Mitglieder unter den Kardinälen anschaut, sieht man, dass der Papst bei der Auswahl seine eigene Handschrift hinterlassen hat. Es sind Leute aus Staaten und Städten, wo es bisher keinen Kardinal gab, z. B. Haiti und Perugia. Der nunmehr zweite Kardinal von den Philippinen, Erzbischof Orlando B. Quevedo OMI, sagt mir, dass er als Angehöriger des Oblatenordens Mainz gut kenne und er danke den Deutschen für die große Hilfe bei der jüngsten Erdbeben-Katastrophe. Der Erzbischof von Ouagadougou (Burkina Faso) - eine eindrucksvolle Erscheinung - erwähnt dankbar die Stiftung von Papst Johannes Paul II. für die Sahelzone, Frucht des ersten Deutschlandbesuches des polnischen Papstes im Jahr 1980. Für neun Länder ist es eine Hilfe gegen die wachsende Austrocknung und Dürre sowie für besseres Saatgut. Fünf der 19 neuen Kardinäle sind übrigens Ordensangehörige.

3. Der emeritierte Papst Benedikt XVI.:
Am 20.02. konnte ich ihn zum ersten Mal nach seinem Rücktritt für 50 Minuten in dem kleinen Kloster mitten in den Hügeln der vatikanischen Gärten besuchen. Es war ein frohes und dankbares Wiedersehen. Wir kennen uns seit 1962. Aber darüber hinaus war seine Anwesenheit bei der Kardinalserhebung in der Basilika St. Peter am 22.02. besonders eindrucksvoll: Er wollte dabei sein, aber er bestand darauf, neben der ersten Reihe der anwesenden Kardinäle einfach auf einem ganz gewöhnlichen Stuhl wie alle anderen, auch ohne nähere Beschriftung, zu sitzen. Als Papst Franziskus durch den Dom zog und die anwesenden Bischöfe ihren Pileolus (Scheitelkäppchen) vom Kopf nahmen, nahm auch er sein weißes Papst-Käppchen herunter und grüßte durch eine Verneigung seinen Nachfolger.

4. Begegnung mit Gustavo Gutiérrez:
Er ist der wohl bekannteste aus Peru stammende Vertreter der sogenannten Befreiungstheologie, in deren Mitte die „Option für die Armen" steht. Er hat mit seinem internationalen Bestseller „Theologie der Befreiung" (1971, deutsch 1973, 10. Auflage 1992) dieser theologischen Richtung den Namen gegeben. In dem eben zur Kardinalserhebung veröffentlichten neuen italienischen Buch von Gerhard Kardinal Müller „Povera per i poveri" (Arme Kirche für die Armen) hat er einen großen Beitrag von 100 Seiten mitgeliefert und gezeigt, wie diese theologisch-pastorale Bewegung, nicht zuletzt durch die Papstwahl, von Lateinamerika die ganze Weltkirche erreicht hat.

Als wir uns nach der großen Feier im Petersdom sehen, erkennen wir uns nach Jahrzehnten sofort wieder. Er weiß, dass ich 1976 ein Dokument der Internationalen Theologischen Kommission (CTI) zur Befreiungstheologie von Rom aus mitverantwortet habe. Nach bald vier Jahrzehnten sagt Gustavo Gutiérrez: „Es ist heute noch ein sehr gutes Dokument, das damals leider nicht zu einer tieferen Diskussion zwischen europäischer und lateinamerikanischer Theologie geführt hat." Für mich war dieses Wort des 85-jährigen Freundes von Kardinal Müller eines der schönsten Komplimente, die ich je empfangen habe.

Dies sind nur einige „Bilder" von einem freudigen Fest der Kirche der ganzen Welt.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

Diese Gastkolumne lesen Sie auch in der aktuellen Ausgabe der Mainzer Kirchenzeitung "Glaube und Leben" vom 2. März 2014.

 

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von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

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