Braucht die Kirche Weltjugendtage?

Gastkommentar des Bischofs für die Kirchenzeitung im August 2005

Datum:
Samstag, 27. August 2005

Gastkommentar des Bischofs für die Kirchenzeitung im August 2005

Natürlich braucht die Kirche Weltjugendtage nicht so, wie sie auf das Evangelium, die Sakramente und die Charismen, Dienste und Ämter in der Kirche verwiesen, gegründet und angewiesen ist. Aber Papst Johannes Paul II. hatte eine große und wache Sensibilität, als er mit seinem Spürsinn für die öffentliche Gestalt und Wirkweise der Kirche von heute Weltjugendtage einführte.

Kirche lebt von der sichtbaren Zusammenkunft der Christen, auch wenn wir wissen, dass der Glaube zuvor in den Herzen der Menschen verwurzelt sein muss. Dies fängt bei der kleinsten Gemeinschaft an („Denn wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich mitten unter ihnen“: Mt 18,20) und reicht über Pfarrei und Bistum bis zur Kirche in der ganzen Welt. Natürlich gibt es noch andere Gemeinschaftsformen, wie z.B. Ordensfamilien als eigene Lebensform, und etwa Bischofskonferenzen als Zwischenstufe.

Die ganze Kirche wird unter Vorsitz des Papstes vor allem in den Ökumenischen Konzilien und z.B. in den Weltbischofssynoden versammelt. Aber es hat auch einen guten Sinn, die katholischen Christen aus der ganzen Welt unter verschiedenen Gesichtspunkten zusammen zu führen, z.B. Laien, Priester, Ordensgemeinschaften usw. Dabei kann man auch an Altersstufen und Lebensalter denken. Die Jugend als Zukunft der Kirche hat dabei gewiss einen Vorrang.

Ohne die Jugend und ihren Einsatz gibt es in der Tat keine Kirche in der Zukunft. Sie muss, gewiss in Zusammenarbeit der Generationen, die Kirche aufbauen. Sie tut dies gewiss auch in dem Sinne, dass sie Baumeister der künftigen Zivilisation ist. Dafür ist es gerade in unserer zunehmend globalisierten Welt gut, sich zu kennen und um die eigene Stärke und Schwäche zu wissen. Einigkeit macht erst stark, wenn man zusammensteht und miteinander Zeugnis abgibt. Bei einer Weltkirche, die bei aller Verschiedenheit starke gemeinsame Bande hat, ist es von Nutzen, wenn diese weltumfassende Gemeinsamkeit weithin sichtbar und erkennbar zum Ausdruck kommt, eben in Weltjugendtagen.

In einer geistig und weltanschaulich regelrecht und bis zum Bersten gespaltenen Weltgesellschaft muss man sich als Kirche erst recht sammeln. Wir leben nicht nur in kleinen Nischen, sondern wollen auch in den gesellschaftlichen Situationen und Konflikten präsent und aktiv werden. Wir freuen uns dabei, wenn wir dies mit anderen Christen und eventuell auch jüngeren Vertretern anderer Religionen sein können. Wir wollen miteinander an den Freuden und Leiden der Menschen in der ganzen Welt teilnehmen.

Kirche lebt vom Austausch der Gaben. Wir können gewiss auch viel geben, angefangen von dem großen Glaubens- du Solidaritätszeugnis etwa der Sternsinger. Aber wir sind nicht nur wie in einer Einbahnstraße die Schenkenden, sondern wir erhalten auch viele Geschenke, wo wir es nicht vermuten: den wirklichen Reichtum anderer Menschen, die mitten in ihrer materiellen Not die Hoffnung und den Lebensmut nicht verlieren. Ich habe z.B. in Paris, Rom und Toronto bei den letzten Weltjugendtagen immer wieder über die Glaubensfreude so vieler junger Menschen aus wirtschaftlich sehr unterentwickelten, ja gerade den ärmsten Ländern gestaunt. Dadurch haben wir auch die Chance, die oft elende Situation anderer Länder näher zu verstehen und mehr auf tatkräftige Solidarität hin zu arbeiten, z.B. in der Verwirklichung der Millenniumsziele der Vereinten Nationen. Hier geht es ja um die Zukunft unserer gesamten Welt.

Wir ernten auf alle Fälle mehr, als wir säen können. Gerade darum brauchen wir Weltjugendtage.

Wie dies in den kommenden Tagen in den Bistümern, ja sogar Pfarrgemeinden, und für die ganze Welt in Köln und Umgebung geschieht, darüber ist auch in dieser Kirchenzeitung und auf andere Weise oft berichtet worden. Tausende von jungen Gästen aus aller Welt kommen auch in unser Bistum, und an die 400.000 junge Menschen erwarten uns in Köln, wohin ja auch Papst Benedikt XVI. reist, der damit zum ersten Mal als Nachfolger Petri sein Geburtsland besucht. Lassen wir uns den Weltjugendtag nicht von außen miesmachen. Er ist für uns alle mitten im heutigen Leben eine große Chance zur Erneuerung unseres Glaubens.

© Karl Kardinal Lehmann

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz