Wir haben soeben vom Präsidenten des Päpstlichen Rates für den Interreligiösen Dialog, Eminenz Jean-Louis Tauran, gehört, wie vor allem im Gefolge des Zweiten Vatikanischen Konzils die christlich-islamische Begegnung wichtiger wurde (vgl. die „Erklärung zu den nichtchristlichen Religionen", Nostra aetate, Art. 3). Andere Länder, die noch lange eine Verantwortung für Kolonien vor allem in Afrika hatten, haben hier schon früh viele Erfahrungen gesammelt. Nur vor diesem Hintergrund konnte das Konzil die mutigen Aussagen machen. Wir in Deutschland haben die Notwendigkeit dieses Gesprächs vor allem durch die Einwanderungswelle muslimischer Arbeitnehmer und Asylbewerber erfahren. Aber auch hier dauerte es in Westeuropa eine Weile, bis die muslimische Präsenz voll erfasst wurde.
Anfänglich haben die Kirchen und die Christen sich der Situation der Muslime im sozialen Bereich angenommen und sich in vielen Sozialeinrichtungen engagiert. Sie haben dabei oft die Rolle des Advokaten übernommen, um die Interessen der muslimischen Emigranten zu verteidigen. Einzelne Bistümer, in denen es besonders viele muslimische Emigranten gab, wie z.B. in Köln, haben schon sehr früh dafür eine hohe Sensibilität ausgebildet. In diesem Zusammenhang muss man auch die Gründung von CIBEDO sehen, wie noch zu zeigen sein wird.
Lassen Sie mich in wenigen Stichworten die wichtigsten Etappen des Dialogs zwischen Kirche und Islam nennen, wobei ich mich vor allem auf die nationale Ebene beschränken muss. Von 1976-1986 gab es in der Deutschen Bischofskonferenz eine „Ständige Arbeitsgruppe für Kontakte zu den Weltreligionen" der Kommission „Weltkirche" unter dem Vorsitz des unvergessenen Essener Weihbischofs Julius Angerhausen. Sie arbeitete später als Unterkommission unter Erzbischof Dr. Dr. Johannes Dyba (Fulda).
Im Jahr 1998 wurde für das Gespräch mit den Weltreligionen eine förmliche Unterkommission eingerichtet, dessen heutiger Vorsitzender Herr Weihbischof Dr. Hans Jochen Jaschke (Hamburg) mit zwei bischöflichen Mitgliedern unter uns ist, nämlich die Herren Franz Vorrath und Prof. Dr. Karlheinz Diez. Diese sehr rege Unterkommission strebt viele Treffen und Begegnungen mit den muslimischen Dachverbänden an. So kam es z.B. besonders seit 2004 mit DITIB zu ausführlichen formellen Gesprächen und Tagungen. Im Augenblick geht es dabei um das Verständnis der Mission und des Missionsauftrags in unserer Kirche und in den Religionen überhaupt.
In diesem Zusammenhang möchte ich einige Begegnungen erwähnen, die in gewisser Weise Marksteine in diesem Dialog waren und ermutigend gewirkt haben: die Begegnung mit der Islamischen Weltliga in Berlin 2002, das Gespräch mit dem Mufti von Ägypten im Jahr 2003, die Treffen mit dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (vor allem ab 2002). Mit dem Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland ist trotz zweimaliger Einladung von unserer Seite bis jetzt keine Begegnung möglich gewesen. Intensivere Kontakte gibt es auch mit der Alevitischen Gemeinde in Deutschland (seit 2003). Das Projekt „Weißt du, wer ich bin?" (2004-2007) wurde mit einigen Verbänden und auch gemeinsam mit der Evangelischen Kirche in Deutschland unternommen und soll nun bis 2011 fortgesetzt werden.
In diesem Zusammenhang muss ich auch darauf hinweisen, dass ein großer Teil der Begegnungen auf der Ebene der Diözesen und auch großer Städte erfolgt. Es gibt hier eindrucksvolle einzelne Beispiele. Der Dialog und auch die Kenntnisse werden laufend vertieft. So mag es auch von Interesse sein zu erfahren, dass fast Zweidrittel der 27 Diözesen Deutschlands inzwischen einen Beauftragten oder eine Beauftragte für die Begegnung mit dem Islam haben, wobei man in Rechnung stellen muss, dass die mittel- und ostdeutschen Diözesen durch die viel geringere Zahl der Muslime hier notwendigerweise weniger engagiert sind.
Wir haben in unserer Bischofskonferenz eine Reihe von Veröffentlichungen geschaffen, die gute Grundlagen sind für diese Begegnungen. Im Rahmen dieses Festaktes möchte ich nur auf wenige Texte aufmerksam machen, immer unter Voraussetzung römischer und weltkirchlicher Dokumente, die auch für uns nützlich sind. Ich nenne vor allem die umfangreiche Arbeitshilfe „Christen und Muslime in Deutschland", die auf fast 280 Seiten einen wertvollen Einblick gibt in die Lebenswelt der Muslime und die Beziehungen zu ihnen. Dieser Text erschien seit 2003 (einschließlich einiger Vorgängerfassungen) in mehreren Auflagen, ist sehr geschätzt und weit verbreitet. Eine weitere Handreichung „Leitlinien für multireligiöse Feiern von Christen, Juden und Muslimen" gibt seit 2003 gottesdienstliche Anregungen und liegt in einer überarbeiteten und aktualisierten Fassung, verabschiedet im Juni 2008, unter dem neuen Titel „Leitlinien für das Gebet bei Treffen von Christen, Juden und Muslimen. Eine Handreichung der deutschen Bischöfe" (Arbeitshilfen 170) vor. Eine Orientierungshilfe haben wir auch in jüngster Zeit versucht mit der kleinen Schrift zum Moscheebau (September 2008). Die heftigen Auseinandersetzungen z.B. in Köln, Frankfurt und Berlin haben gezeigt, wie grundlegend wichtig hier solche Orientierungen sind.
In diesem Zusammenhang muss nun ausführlicher von CIBEDO die Rede sein als „Christlich-Islamische Begegnungs- und Dokumentationsstelle", vor 30 Jahren gegründet. Ich fasse mich dabei kürzer und darf auf einen umfangreichen Artikel „30 Jahre CIBEDO. Die Gründungsgeschichte", von P. Hans Vöking Afr.M., im neuesten Heft der CIBEDO-Beiträge hinweisen (Nr. 4, 2008, 4-9, vgl. auch meinen Festvortrag zum 20-jährigen Bestehen vom 27. März 1998). CIBEDO - ein Kunstwort mit Abkürzungen aus dem vollen Titel: Christlich-Islamische BEegnungs- und DOkumentationsstelle - ist eine Gründung der Weißen Väter, die 1868 zur Begegnung und zum Dialog mit den Muslimen, einschließlich der pastoralen und caritativen Aufgaben, in Algier gegründet worden sind. Da Nordafrika das erste Arbeitsfeld war, gehört der Dialog mit den Muslimen zur Grundaufgabe der Weißen Väter (heute Afrika-Missionare). Sie gründeten auch in den europäischen Kirchen viele Einrichtungen zum Dialog mit den Muslimen und über die Situation der Migranten. In diesem Zusammenhang muss auch die Errichtung des Päpstlichen Instituts für Arabische und Islam-Studien (PISAI), zuerst in den 30er Jahren in Tunis gegründet und seit 1956 nach Rom gezogen, genannt werden. Die Weißen Väter haben vor allem in Köln und München Einrichtungen geschaffen, die der Begegnung und dem Dialog mit den Muslimen dienten, wobei die ersten Bezeichnungen für diese Einrichtungen meist „Kontaktstellen für Nichtchristen" hießen.
Mit dem Anwerbestopp von 1973 wurde die Rotation der Arbeitsmigration unterbrochen. Die ausländischen Arbeitnehmer verlängerten ihren Aufenthalt und richteten sich fester in Deutschland ein. Bald kamen auch die Familien, also die Frauen und Kinder, nach. Damit kam auch die islamische Kultur und Lebenswelt stärker nach Deutschland. Dies bezog sich stark auf die Anwesenheit der Kinder in den Kindergärten und Schulen. Vor diesem Hintergrund kam die Deutsche Bischofskonferenz zu der Empfehlung, eine Einrichtung zu schaffen, die die Entwicklung der muslimischen Migration beobachtet und Orientierungen für den christlich-islamischen Dialog entwickelt. So kam es am 1. Oktober 1978nach einer Kontaktnahme mit den Weißen Vätern zur Gründung von CIBEDO. Die Verantwortung lag bei der deutschen Provinz der Weißen Väter. P. Hans Vöking war der Gründer und 20 Jahre lang der Leiter der Dokumentationsstelle. Im Gründungstext vom selben Tag heißt es: „Die Dokumentationsstelle CIBEDO hat das Ziel und die Aufgabe, Informationen und Dokumente zu sammeln, auszuwerten und Interessenten zugänglich zu machen. Ihre Aufgabe besteht weder in rein wissenschaftlicher Forschung noch in der Arbeit an der Basis; das erstere ist Sache der wissenschaftlichen Hochschulen, das letztere der ÖKNI-Gruppen und anderer Menschen, die guten Willens sind. CIBEDO soll vielmehr Bindeglied, Vermittler zwischen diesen Einrichtungen und Tätigkeitsbereichen sein." Dort wird auch die Arbeit näher beschrieben. Es heißt dort: „Als Zielgruppe spricht CIBEDO alle an, die mit Muslimen leben oder arbeiten, und zwar im privaten, öffentlichen und kirchlichen Bereich."
Selbstverständlich ist die Umsetzung dieser Grundsätze von 1978 immer wieder mit Rücksicht und in Auseinandersetzung mit der gewandelten gesellschaftlichen Situation und der Migration der Muslime erfolgt. Ich habe 1998 die damalige Aufgabenstellung in drei verschiedenen, aber doch zusammenhängenden Feldern beschrieben: Dokumentation, Öffentlichkeitsarbeit, Mitarbeit in kirchlichen und interreligiösen Gremien (vgl. H. Vöking, 30 Jahre CIBEDO, S. 8; dort findet sich auch der umfangreichere Text, auf den ich hier nur verweisen kann).
Dabei darf nicht vergessen werden, dass sich durch die enge Zusammenarbeit mit dem Rat der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) und mit der protestantischen Parallelinstitution „Konferenz Europäischer Kirchen" ein hohes Bewusstsein für die Pflege und Vertiefung des Dialogs in den christlichen Kirchen Europas entwickelte. Dies ist mit ein Grund, warum gerade auch P. Hans Vöking nach seinem Ausscheiden als Leiter von CIBEDO im Jahr 1998 u.a. noch intensiver Beziehungen unterhält zu jenen zentralen Institutionen der Europäischen Union in Brüssel, die sich mit Fragen der Migration und der Muslime in Europa beschäftigen.
In den ersten Jahren fand zwar CIBEDO schon ein gutes Echo, war aber doch eher in Fachkreisen bekannt. CIBEDO besitzt eine hervorragende Fachbibliothek, wohl die größte in Deutschland, mit - wenn ich recht orientiert bin - über 10.000 Fachbüchern und über 200 islamischen Zeitungen und Zeitschriften. CIBEDO ist jedoch nicht bei wichtigen Veröffentlichungen stehen geblieben, sondern die Referenten von CIBEDO haben sich in einem hohem Maß für Fortbildungsveranstaltungen zur Verfügung gestellt. Sozialarbeiter, die Leiterinnen von Kindergärten, die Verantwortlichen der Caritas, Religionslehrer und Mitarbeiter in der Pastoral fragten häufig bei CIBEDO nach Veranstaltungen mit der Unterstützung durch Referenten. In diesen 30 Jahren hat CIBEDO viel geholfen, um aufkeimende Konflikte zu vermeiden oder wenigstens einzudämmen, ja sie durch eine gezielte Prävention in Form genauer Informationen zu vermeiden und auch positiv zum besseren Verstehen des anderen beizutragen. Die Aus- und Fortbildung von Multiplikatoren erwies sich als richtig. CIBEDO hat sich in diesen Jahrzehnten als eine wichtige Kontaktstelle zwischen Vertretern der Kirchen, den Leitern von Moscheen und den Repräsentanten islamischer Vereine und Organisationen entwickelt. CIBEDO wurde lange Zeit auch intensiv von den Medien um Auskünfte gebeten, so z.B. im Kuweit-Konflikt.
Die wichtige Tätigkeit verlangte auch im Lauf der Zeit eine andere Struktur. Während die Unterkommission für den Dialog mit den nichtchristlichen Religionen und speziell zum Islam stärker die Grundlagen legte und die wichtigsten Gespräche führte, hat CIBEDO sich vor allem auf der Arbeitsebene des täglichen Dialogs bewährt. So wurde CIBEDO ganz von der Deutschen Bischofskonferenz als Arbeitsstelle übernommen. Der Ständige Rat hat diesen Neustrukturierungsprozess ab 1998 intensiviert. Die Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz stimmte am 2. März 2004 einer neuen Satzung zu. Die Weißen Väter sahen ihre ursprüngliche Aufgabe „tâche apostolique initiale" (Versuch und Anfang einer Neuorientierung als apostolische Aufgabe) als erfüllt an und übergaben diese Einrichtung.
Sie hat nun eine neue Nähe gefunden zur Philosophisch-Theologischen Hochschule der Gesellschaft Jesu in Sankt Georgen und dabei besonders zu dem seit 2001/2002 aufgenommenen Studienprogramm „Islam und christlich-muslimische Begegnung" mit Prof. P. Dr. Christian W. Troll SJ. Dies ist eine wichtige Brücke. Herr Dr. Peter Hünseler ist der Leiter von CIBEDO. Dankbar darf ich P. Hans Vöking und nicht zuletzt Frau Dr. Barbara Huber-Rudolph nennen, die schon seit vielen Jahren in CIBEDO tätig und ab 1998 Leiterin von CIBEDO war, jetzt Referentin für den christlich-islamischen Dialog im Bistum Mainz ist. Sie sind alle mit ihren derzeitigen Mitarbeitern Salvatore Di Noia und Timo Güzelmansur gute Kenner und wissenschaftlich bestens ausgewiesen.
In diesem Zusammenhang darf ich auch neben der wichtigen Zeitschrift „CIBEDO-Beiträge" ein Projekt erwähnen, das in diesen Monaten abgeschlossen werden kann, nämlich das Besorgen einer deutschen Fassung einer wichtigen Sammlung von Dokumenten zum Interreligiösen Dialog, besonders zum Islam, herausgegeben vom Päpstlichen Rat für den Interreligiösen Dialog. Ich darf heute schon auf dieses umfangreiche Werk, das bis in unsere Gegenwart fortgeführt ist, hinweisen und Herrn Kardinal Tauran für seine Zustimmung zu dieser Fassung danken.
Damit wird deutlich, wie weit die katholische Kirche in den vergangenen Jahrzehnten zum christlich-islamischen Dialog beigetragen hat und auch in Zukunft sich daran beteiligen wird. Ich danke allen, die in CIBEDO mitgearbeitet haben und die Einrichtung förderten. Dieses Jubiläum gibt uns Zuversicht und Mut.
Für uns ist, wie CIBEDO exemplarisch zeigt, die Begegnung und der Dialog mit dem Islam keine vorübergehende, schon gar nicht eine politisch-taktische oder modische Angelegenheit, sondern schon länger eine tiefere und beständige Sache.
(c) Karl Kardinal Lehmann
Es gilt das gesprochene Wort
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz