Dankeswort beim Empfang

aus Anlass des 20-jährigen Bischofs- und 40-jährigen Priesterjubiläums im Erbacher Hof in Mainz am 5. Okt. 2003

Datum:
Sonntag, 5. Oktober 2003

aus Anlass des 20-jährigen Bischofs- und 40-jährigen Priesterjubiläums im Erbacher Hof in Mainz am 5. Okt. 2003

Ein Bischof ist zwar ein Mann der Kirche, aber er muss für die Sendung der Kirche in alle Welt auch viel auf fast allen wichtigen Feldern der Kirche präsent sein, um das Wort des Evangeliums überallhin zu sagen und in alle Winkel zu bringen. Ich danke Ihnen von Herzen, dass Sie in diesen 20 Jahren mir immer ein stets freundlicher Gesprächspartner gewesen sind: in Politik und Wirtschaft, in Kunst und Kultur, in den Medien und in der Wissenschaft, im Sport und auf allen Gebieten des heutigen gesellschaftlichen Lebens. Ich denke hier ab er auch an die Räte im Bistum, wo ich immer wieder Frauen und Männern begegnet bin, die nicht nur gesprächsbereit waren für meine Anliegen, sondern mich vielfach und nach Kräften unterstützten. Dies war mir immer eine große Ermutigung. Ich denke besonders an unsere Aktion „Netzwerk Leben".

Ich möchte gerne ein Wort der heutigen Lesung aufgreifen, nämlich aus dem Zweiten Brief des hl. Paulus an Timotheus. Der Text passt zum Jubiläum, denn es geht um den Sinn der Handauflegung bei den Einsetzungen in ein Amt der Kirche bzw. bei den Weihen. Hier ist vor allem von einer Gabe die Rede, die durch die Auflegung der Hände vermittelt wird. In diesem Zusammenhang wird gesagt, Gott habe uns nicht – ich umschreibe etwas – den Geist der Furcht und Feigheit, der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit (vgl. 1,7).

Dies ist eine wichtige Erkenntnis für unser Zeugnis in der Welt. Der Geist der Furcht und Feigheit, der Verzagtheit kann uns leicht überfallen, wenn wir manchen Rückgang im religiösen Leben und manchen Schwund in der Kirche und ihrer Wirksamkeit in der Gesellschaft sehen. Gerade dies ist aber unerlaubt. Der zweite Timotheus-Brief ruft uns in dreifacher Hinscht Mut zu:

Geist der Kraft: Wir haben viel Müdigkeit und Resignation in Gesellschaft und Kirche. Natürlich gibt es viele enttäuschende Erfahrungen, die ich nicht einfach übergehen möchte. Wir dürfen uns jedoch nicht mit dem Rücken an die Wand stellen lassen. Das Evangelium drängt uns zu einem kraftvollen Einsatz und zu einem offensiven Stil des Zeugnisses. Wir müssen vielmehr auf die Menschen zugehen und zu den Hecken und Zäunen gehen. Dies braucht den Mut zum Aufbruch, eine missionarische Grundhaltung und Offenheit sowie das kraftvolle Zeugnis des Wortes und der glaubwürdigen Tat des Lebens. Dafür ist eine tiefe Verwurzelung im Glauben der Kirche notwendig, um nicht durch Offenheit und Dialogbereitschaft das eigene Schwergewicht zu verlieren und entwurzelt zu werden.

Geist der Liebe: Dieser Geist der Kraft braucht eine besondere Form der Zuwendung. Diese Kraft darf nicht gewalttätig sein und nur den eigenen Interessen nachlaufen. Der wahre missionarische Geist braucht Uneigennützigkeit. Dies bedeutet zuerst eine Anerkennung des Anderen, gerade auch in seinem Anderssein, ja vielleicht in seiner Fremdheit. Erst recht gilt dies für den Anderen, wenn er schwach und bedürftig ist. „Liebe" heißt auch, dass man auf der Suche nach dem Wohl des Anderen die kleinsten Spuren der Hoffnung entdeckt und, unscheinbare Keime des Wachsens beachtet. Dies hat elementar etwas mit Seelsorge und Hirtendienst zu tun. „Das geknickte Rohr zerbricht er nicht, und den glimmenden Docht löscht er nicht aus." (Jes 42,3)

Geist der Besonnenheit: Zum recht verstandenen Geist der Kraft und der Einsatzbereitschaft gehört Wagemut, aber auch Nüchternheit. Diese ist nicht identisch mit einer resignativen Stimmung gegenüber den Fakten. Sie hilft aber auch, dass der notwendige Aufbruch sich nicht unbeständigen Visionen und Utopien ausliefert und dabei abstürtzt. Die Besonnenheit verliert nicht den Elan und Schwung inspirierender Ideen, aber sie hat auch die Kraft aktiver Geduld, die die Hoffnung mit kleinen konsequenten Schritten abarbeitet. Besonnenheit heißt auch, dass man nicht modischen Trends aufsitzt, sondern ihnen gegenüber wachsam bleibt. In diesem Sinne ist die Besonnenheit auch ein Stück Selbstbeherrschung – eine wichtige Voraussetzung für Augenmaß und Geistesgegenwart.

So sieht das Neue Testament die Gaben des Geistes, die in der Weihe verliehen werden. Sie sind natürlich kein Mechanismus, der automatisch wirken könnte. Es ist Gabe und Aufgabe. Der Bischof – aber nicht nur er – steht „zwischen" beidem. Ich danke Ihnen für die Ermutigung, die ich dabei immer wieder bekomme. Gottes Segen!

 

(C) Karl Kardinal Lehmann

 

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz