Die Vermittlung des Evangeliums durch Erziehung

Der Auftrag katholischer Schulen in Ordenstradition

Datum:
Montag, 7. November 2005

Der Auftrag katholischer Schulen in Ordenstradition

Vortrag auf der 50. Jahrestagung der Vereinigung katholischer Schulen in Ordenstradition – Ordensdirektorenvereinigung (ODIV) am 7. November 2005 in Würzburg-Himmelspforten

Festtage und Jubiläen sind Zeiten, in denen wir Rückschau halten, Gelungenes und weniger Gelungenes in den Blick nehmen, in denen wir Bilanz ziehen und Perspektiven für die Zukunft entwickeln. Das 50-jährige Jubiläum der ODIV lädt uns so zum Nachdenken über den Auftrag der Ordensschulen ein. Dieses Nachdenken wird heute vor allem bei der Konzilserklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis ansetzen müssen, die vor 40 Jahren feierlich verkündet wurde. Die Konzilserklärung ist so etwas wie das Grundgesetz der Katholischen Schule. Zu erinnern wäre in diesem Zusammenhang auch an den Abschluss der Gemeinsamen Synode vor 30 Jahren, die mit ihren Beschlüssen zum Religionsunterricht und zur kirchlichen Verantwortung im Bildungsbereich Impulse des Konzils aufgegriffen und für das erzieherische Handeln der Kirche in Deutschland konkretisiert hat. Doch fragen wir uns zunächst, welche Leitideen das konziliare Geschehen maßgeblich beeinflussten.

I.

Im Mittelpunkt des konziliaren Geschehens standen die innerkirchliche Erneuerung, die ökumenische Annäherung und das gewandelte Weltverhältnis. Die 16 Dokumente lassen sich auf diese Bereiche verteilen: Grundvollzüge im Leben der Kirche, neue Beziehungen zu den übrigen christlichen Kirchen sowie zu den Weltreligionen und erneuerte Sendung in die Welt hinein. Dabei standen vor allem folgende Themen im Vordergrund: Würde der menschlichen Berufung, Rang der menschlichen Person und ihrer personalen Rechte, Ehe und Familie, Kultur und Fortschritt, soziale und ökonomische Fragen der Völkergemeinschaft, Frieden in der Welt.

Was war aber nun maßgebend geworden, um auf diesen drei Feldern sach- und zeitgerechte Aussagen zu machen, die auch eine gewisse innere Einheit aufweisen? Es sind wohl zwei Leitideen, die einen beherrschenden Einfluss hatten: Dienst und Dialog . Dienst ist nicht bloß eine Beschreibung der letzten Zielsetzung des kirchlichen Amtes, sondern ist zuvor eine Grundkategorie im Verständnis des Handelns der Kirche in der Welt. Die Kirche ist nicht um ihrer selbst willen da, sondern besinnt sich auf ihre ureigene Aufgabe, „Instrument“ des Heils für die ganze Welt zu sein. Dieser Dienst kann nur Früchte bringen, wenn ein unheilvoller Gegensatz zwischen dem Amt und den Laien überwunden wird, selbstverständlich ohne den jeweils eigenen Auftrag preiszugeben.

Das zweite Stichwort heißt Dialog. Dialog ist niemals als harmlose Weltverbrüderung und naives Sichanpassen an die Welt gedacht. Dialog ist auch kein unverbindliches Gerede. Im Unterschied zum Wort „Gespräch“ dient der Dialog dem gemeinsamen Finden und Anerkennen der Wahrheit und ? dies ist nun das Wichtigste ? benutzt zu diesem Zweck auch institutionalisierte Verfahrensweisen. Ein Dialog ist also entschieden zielgerichtet und auf einen herzustellenden Konsens bezogen. Der Dialog strebt nach einer Einigung, die einem zuvor bestehenden Missverständnis oder einem Streit ein Ende macht, mindestens sucht er eine Verständigung, die aufgetretene Gegensätze ausgleicht. Dabei können auch problematisch gewordene Geltungsansprüche zum Thema gemacht und auf ihre Berechtigung hin untersucht werden. Diese durch Argumentation gekennzeichnete Form der Kommunikation wird im neueren philosophischen Denken auch „Diskurs“ genannt. „Dialog“ ist etwas weiter gefasst, hat aber eine ähnliche Struktur. Er zielt auf eine Einigung in einer strittigen Sache, wobei es nicht zuletzt um die solide Haltbarkeit eines erreichten Konsensus geht, damit der Streit nicht bei nächster Gelegenheit wieder ausbricht. Andere Formen des Gesprächs haben eine lockere Fügung, sind direkt auf die Sache bezogen, wobei sich die angestrebte Einigung mehr auf verborgene Weise vollziehen kann. Der Dialog verläuft, wenn er sich selbst recht versteht, nach den Prinzipien des Findens der Wahrheit und der Wahrung der Freiheit. Im gemeinsamen Dialog hat jeder Teilnehmer gleiche Chancen. Das Gespräch gelingt nur durch die Antizipation, „dass beide Parteien auf der Ebene grundsätzlicher Gleichberechtigung und Freiheit in voller Offenheit miteinander zu sprechen bereit sind. Das erfordert nicht nur, dass derjenige, der es eingeht, diese Voraussetzungen bei sich selber realisiert, sondern das hängt auch davon ab, ob der Partner auf ein unter diesen Voraussetzungen geführtes Gespräch einzugehen bereit ist. Das Eingehen des Gesprächs ist also immer ein Wagnis und erfordert von den Beteiligten Mut und Überwindung der natürlichen Selbstbezogenheit.“ Äußere Überlegenheit und der Zwang des Mächtigeren dürfen bei der Wahrheitsfindung des Dialogs keine Rolle spielen. Wer sich auf einen Dialog einlässt, muss ferner ein gewisses symmetrisches Verhältnis von Hören und Sprechen zu wahren wissen und auf jede Form von „Gewaltanwendung“ außer der Kraft der Argumente verzichten. Damit ein solcher Dialog überhaupt gelingen kann, muss eine hohe Solidarität vorausgesetzt werden. Ein wirklicher Dialog ist also recht anspruchsvoll, wird allzu leicht verletzt und gelingt darum gar nicht so oft, wie man vielleicht denkt.

II.

Dienst und Dialog als Vollzugsweisen des Kircheseins kreisen nicht um sich selbst. Sie verdoppeln nicht einfach das, was die Welt schon selber weiß. Sie bringen eine eigene Botschaft. Wir nennen heute mit einem biblisch?theologischen Grundbegriff den Inhalt und auch die Form der Vermittlung dieser Botschaft „Evangelium“. Das Evangelium ist „die Einladung zum Glauben an Gottes geschichtliche Nähe in Jesus Christus. Diese Einladung ergeht in der Botschaft der Bibel und hat als solche heilschaffende Kraft. Es ist eine Botschaft, die dem Menschen Heil und Glück, Ganzheit und Vollendung bringen kann. „Evangelium“ ist nicht die Chiffre für ideologische Wünsche und Forderungen einzelner, ja ganzer Gruppen oder des Zeitgeistes. Das Evangelium von der rettenden Nähe Gottes ergeht in Jesus Christus, dem „treuen Zeugen“ des Vaters. In ihm, dem Sohn, ist grundsätzlich alles gesagt, was Gott dem Menschen von sich selbst enthüllt und mitteilt. Es ist die Botschaft von einem Gott, der voll und ganz, nicht mehr überholbar und reuelos, in unsere Geschichte eingetreten, selbst geschichtlich geworden ist. Das Evangelium ist die wirkmächtige und befreiende Botschaft Gottes selbst, sodass es nicht in seiner Kraft entleert wird, wenn es in unsere endliche, sterbliche Wirklichkeit kommt. Darum ist es auch ein heilschaffendes Wort, das nicht nur in diesem Leben gilt, sondern das in Jesus Christus durch den Abgrund des Todes gegangen ist und durch den Sieg über den Tod in der Auferstehung für alle Situationen des Lebens und des Sterbens einen letzten Halt bietet. Diese Botschaft behält Gottes Kraft, auch wenn sie in unsere Schwachheit kommt und die Welt zu durchdringen sucht.

Dieses Evangelium ist zu allen Menschen gesagt. Es lebt zwar in der Kirche und hat hier so etwas wie eine angestammte Heimat . Hier wird es elementar gehört und bewahrt, verkündigt und ausgerichtet. Aber das wirkmächtige Wort des Heils soll an alle gehen. Die Einladung ist unbeschränkt. Eine andere Sache ist es, wer diese Einladung Gottes wirklich im Leben annimmt. Es liegt auf der Hand, dass die Kirche, auch wenn sie die angestammte Heimat des Evangeliums ist, sich mit diesem nicht einfach deckt. Das Evangelium ist selbst auch das Maß für die Kirche, der kritische Maßstab, an dem sie selbst gerichtet wird. So wird es bis zur Vollendung der Welt ein stetiger Prozess sein, dass die Kirche über sich hinausgeht und immer wieder allen Menschen diese Frohbotschaft verkündet. Kirche gibt es nur unter diesem Auftrag und in dieser Sendung, das Evangelium allen Menschen zu verkünden, es unter die Leute zu bringen. Man kann von der Kirche nicht reden, ohne sie als Botin und Zeugin des Evangeliums für alle Welt darzustellen; man kann aber auch vom heilschaffenden Wort Gottes nicht reden, ohne die Kirche als konkret verantwortliche Trägerin dieser Botschaft im Auge zu behalten. „Evangelium“ ist dabei ein Grundwort des Alten und des Neuen Testamentes. Es soll frohmachen und befreien, nicht Angst einjagen und knebeln. So ist deutlich geworden, in welch hohem Maß „Evangelium“ die wahre Gabe des christlichen Glaubens darstellt. So versteht sich nun auch der fundamentale Zusammenhang von „Evangelium“ und „(Neu)-Evangelisierung“ besser.

Das Evangelium ist also das, worum sich alles dreht. Letztlich ist es in der Person Jesu Christi begründet und bezeugt zugleich die von ihm der ganzen Welt mitgeteilte Botschaft. Dienst und Dialog sind die Weisen, wie das Evangelium in die Welt kommt. Das Evangelium hat also grundlegend etwas mit Dienst und Dialog zu tun: Es ist ganz und gar Dienst an dem, was als verloren gilt und gerettet werden soll; es ergeht besonders wirksam im Dialog mit der Welt. Der Dialog ist nicht die einzige Form, in der das Evangelium wirksam wird. Dies kann auch anders geschehen: durch eine Mahnung, ein Lied, die Klage, die Erzählung, ein Protest, einen Befehl ... Aber ganz gewiss ist der Dialog eine besonders ausgezeichnete Weise, wie das Evangelium seine Adressaten erreicht. Der Dialog wurzelt bereits im Geheimnis der Menschwerdung: Gott selbst tritt als das in die Geschichte gesandte Wort in die Welt ein. Wie Jesus Christus sich den Mächten dieser Welt aussetzte und gar auslieferte – das Wagnis des Dialogs annehmend –, ähnlich muss sich die Kirche der ihr entfremdeten Welt stellen und sich mit ihr in liebendem Streit auseinander setzen. Anders kann man die Mauern der Trennung und des Missverständnisses nicht durchstoßen. „Denn Gott hat die Welt so sehr geliebt, dass er seinen einzigen Sohn hingab ... Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richtet, sondern damit die Welt durch ihn gerettet wird“. Darauf zielte alles konziliare Geschehen: alle subtile Theologie, alle Institution, alle heilige Liturgie, alle mutige Mission.

III.

Ein an den Leitbegriffen von Dienst und Dialog orientiertes Verständnis von Evangelisierung umfasst natürlich auch das kirchliche Handeln im Bereich von Erziehung und Bildung. Die Bedeutung dieses kirchlichen Handlungsfeldes hatten die Bischöfe schon im Vorfeld des Konzils klar erkannt. Bereits in den vorbereitenden Voten des Konzils nahm das Thema der kirchlichen Schulen einen breiten Raum ein. In den Beratungen des ersten Schemas De scholis catholicis von 1962 zeigte sich dann aber, dass die große Mehrheit der Konzilsväter die traditionelle, stark apologetisch ausgerichtete Argumentation für ungeeignet hielt. Auch setzte sich immer stärker die Überzeugung durch, dass die Schulfrage nur vor dem Hintergrund eines umfassenden christlichen Erziehungsdenkens angemessen beantwortet werden konnte. Gleichzeitig mussten die Konzilsväter jedoch erkennen, dass weder die Kraft noch die Zeit ausreichten, ein differenziertes Erziehungskonzept auszuarbeiten. Die Erklärung über die christliche Erziehung Gravissimum educationis (GE) beschränkt sich daher bewusst auf einige „Richtlinien“ und verweist schon in der Präambel auf eine nachkonziliare Kommission, der die Ausarbeitung dieser Richtlinien anvertraut wird. In den folgenden Jahrzehnten hat dann die Kongregation für das katholische Bildungswesen in mehreren Erklärungen die Richtlinien der Konzilserklärung aufgegriffen und in einem Erziehungskonzept, dem „Projet éducatif“, ausformuliert und aktualisiert. Erziehung meint in der Konzilserklärung und den späteren Dokumenten, dem Sprachgebrauch in den romanischen und angelsächsischen Ländern folgend, was wir im Deutschen mit Erziehung und Bildung bezeichnen. Eine angemessene Würdigung der Erklärung wird zum einen ihren Charakter als Grundsatzerklärung beachten. Zum anderen darf man sie nicht isoliert betrachten, sondern muss die Bezüge zu den anderen Konzilstexten erkennen und bedenken. Hier sind natürlich vor allem die Pastoralkonstitution Gaudium et spes (GS), die zwar anderthalb Monate nach Gravissimum educationis feierlich verkündet, aber doch zeitlich parallel beraten wurde, und die Kirchenkonstitution Lumen gentium (LG) zu nennen.

Welches ist nun der zentrale Fokus, in dem die Konzilserklärung Bildung und Erziehung und damit auch den Auftrag der Katholischen Schule sieht? In der Präambel sprechen die Konzilsväter mit großer Wertschätzung von der wachsenden Bedeutung der Erziehung für den Menschen und den gesellschaftlichen Fortschritt und fahren wörtlich fort: „Denn die Menschen sind sich der eigenen Würde und Aufgabe voller bewusst und verlangen immer mehr nach einer aktiveren Teilnahme am gesellschaftlichen und besonders am wirtschaftlichen und politischen Leben.“ Zustimmend verweisen die Konzilsväter auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, die Erklärung der Rechte des Kindes von 1959 und auf das (europäische) Zusatzprotokoll zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von 1952. In allen drei Dokumenten sind das Recht jedes Kindes auf Erziehung und Bildung sowie das Elternrecht niedergelegt. In auch sprachlicher Anlehnung an die Menschenrechtserklärungen heißt es direkt im ersten Kapitel von Gravissimum educationis: „Alle Menschen, gleich welcher Herkunft, welchen Standes und Alters, haben kraft ihrer Personenwürde das unveräußerliche Recht auf Erziehung (…)“ (GE 1).

Diese Neuentdeckung der Würde des Menschen gehört natürlich zu den zentralen Themen des Zweiten Vatikanischen Konzils. In Gaudium et spes sprechen die Konzilsväter davon, dass „das Bewusstsein der erhabenen Würde (wächst), die der menschlichen Person zukommt, da sie die ganze Dingwelt überragt und Träger allgemeingültiger sowie unverletzlicher Rechte und Pflichten ist“ (GS 26). An anderer Stelle heißt es: „Der heutige Mensch ist unterwegs zur volleren Entwicklung seiner Persönlichkeit und zu einer immer tieferen Einsicht und Durchsetzung seiner Rechte.“ (GS 41) Das Konzil sieht in der Durchsetzung der Menschenrechte eines der wichtigen Zeichen der Zeit, die es im Lichte des Evangeliums deutet. Denn die Würde des Menschen findet ihre tiefste Begründung und ihren wirksamsten Schutz in der christlichen Botschaft. Das Konzil betont, dass in der „göttlichen Ordnung die richtige Autonomie der Schöpfung und besonders des Menschen nicht nur nicht aufgehoben, sondern vielmehr in ihre eigene Würde eingesetzt und in ihr befestigt (wird).“ (GS 41)

Wie neu dieses Denken von der Würde des Menschen her ist, zeigt ein Vergleich mit der Enzyklika Divini illius magistri von 1929, die bis zum Konzil als „Magna Charta“ der Katholischen Schule verstanden wurde und den Erziehungs- und Schulbereich in kirchlicher Verantwortung nachhaltig prägte. Die Enzyklika will zum einen den Vorrang der Familie vor dem Staat bei der Erziehung der Kinder verteidigen und zum anderen die Notwendigkeit der religiösen Erziehung unterstreichen. Entsprechend dieser doppelten Absicht werden in der Enzyklika die Rechte und Pflichten der Familie, des Staates und der Kirche entfaltet und ins Verhältnis zueinander gesetzt. Die pädagogischen Aufbrüche zu Beginn des 20. Jahrhunderts, insbesondere die verschiedenen Ansätze der Reformpädagogik, werden als defizitär kritisiert, weil ihnen eine Fundierung in einer theologischen Anthropologie fehle. Letztlich geht es in der Enzyklika von Papst Pius XI. um die Sicherung des kirchlichen Erziehungsauftrags vor allem im Schulbereich.

Ein solches auf Institutionen zentriertes Denken mag uns heute eher fremd erscheinen. Eine gerechte Bewertung der Enzyklika wird jedoch die kulturpolitischen Auseinandersetzungen der damaligen Zeit berücksichtigen müssen. In Italien und in der Sowjetunion beanspruchte der Staat ein Erziehungsmonopol, das die kommunistischen und faschistischen Parteien in anderen Ländern als vorbildlich anstrebten. In Frankreich hatte sich das Verhältnis zwischen Kirche und Republik zwar entspannt. Aber die Trennungsgesetze von 1905 hatten den Ausschluss der Kirche aus dem öffentlichen Schulwesen besiegelt. Auch in den Konkordatsverhandlungen mit anderen europäischen Staaten waren bildungs- und kulturpolitische Kontroversen oftmals die am schwersten zu lösenden Fragen. Dieser historische Kontext mag den apologetischen Grundduktus der Enzyklika zumindest teilweise verständlich machen.

In Gravissimum educationis wird nun der Erziehungs- und Bildungsauftrag der Kirche nicht mehr von den Rechten der Institution, sondern konsequent vom Recht des Kindes auf Erziehung und Bildung und vom Elternrecht her entfaltet , das ja auch die bereits erwähnten Menschenrechtserklärungen hervorheben. Aus dem Recht und der Pflicht der Eltern, ihre Kinder zu erziehen, leitet das Konzil das Recht auf freie Schulwahl ab (GE 6). Darunter verstehen die Konzilsväter mehr als die Zulassung nicht-staatlicher Schulen. „Die Staatsgewalt, deren Aufgabe es ist, die bürgerlichen Freiheiten zu schützen und zu verteidigen, muss zur Wahrung der ‚austeilenden Gerechtigkeit’ (iustitia distributiva) darauf sehen, dass die öffentlichen Mittel so ausgegeben werden, dass die Eltern für ihre Kinder die Schulen nach ihrem Gewissen wirklich frei wählen können.“ (GE 6) Die staatliche Finanzierung der freien Schulen dient der Verwirklichung des Elternrechts und der Gewissensfreiheit. Entschieden lehnt das Konzil jede Art von Schulmonopol ab, und zwar mit der Begründung, dass dies „den angeborenen Rechten der menschlichen Person widerstreitet und (…) dem in vielen Staaten heute herrschenden Pluralismus widerspricht“ (GE 6). In diesem Kontext ist dann auch das Recht der Kirche auf Gründung eigener Schulen zu verstehen (GE 8). Es kann hier nicht genauer gezeigt werden, wie das Kirchliche Gesetzbuch von 1983 (CIC) nicht nur ein eigenes Bildungsideal skizziert, sondern auch das Eltern- und Erziehungsrecht der Familie stärkt und Normen für Katholische Schulen aufstellt. Nach meiner Einschätzung sind diese Bestimmungen des neuen Kirchenrechts bisher zu wenig beachtet worden.

IV.

Der Wechsel der Perspektive, die Wende zu einem Denken, in dessen Mittelpunkt die menschliche Person steht, prägt das Verständnis sowohl von Erziehung und Bildung als auch der Katholischen Schule. Das Konzil fordert, dass „die Kinder und Jugendlichen in der harmonischen Entfaltung ihrer körperlichen, sittlichen und geistigen Anlagen so gefördert werden, dass sie allmählich ein tieferes Verantwortungsbewusstsein erwerben für ihr eigenes Leben und seine im steten Streben zu leistende Entfaltung und für das Wachsen in der wahren Freiheit, in der tapferen und beharrlichen Überwindung der widerstreitenden Kräfte.“ (GE 1) Ziel allen pädagogischen Handelns ist die ganzheitliche Bildung der Person. Ihre Entwicklung und Entfaltung steht im Zentrum der kirchlichen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen. Sie ist das Maß, an dem pädagogische Konzepte, Lehr- und Lernmethoden und Bildungsinstitutionen zu messen sind.

Diese personale Sicht von Erziehung und Bildung darf nicht individualistisch missverstanden werden. Zur Entfaltung der menschlichen Person gehören immer auch die Befähigung zur Teilnahme am gesellschaftlichen und kulturellen Leben und die Erziehung zu sozialer Verantwortung. Ausdrücklich fordern die Konzilsväter, dass die Kinder und Jugendlichen „für die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben so geformt werden, dass sie, versehen mit dem notwendigen und geeigneten Rüstzeug, sich in die verschiedenen Gruppen der menschlichen Gemeinschaft tätig einzugliedern vermögen, dem Gespräch mit anderen sich öffnen und bereitwillig für das Allgemeinwohl eintreten.“ (GE 1) Zu einer ganzheitlichen Bildung gehört selbstverständlich auch die im engeren Sinne christlich-religiöse Erziehung und Bildung (vgl. GE 2).

Es ist nun wichtig zu sehen, dass das ganzheitliche und personale Erziehungskonzept der Katholischen Schule nicht nur pädagogisch, sondern wesentlich auch christologisch begründet ist. In deutlicher Anlehnung an den viel zitierten Satz aus Gaudium et spes „Wer Christus, dem vollkommenen Menschen folgt, wird auch selbst mehr Mensch.“ (GS 41) heißt es im Dokument der Bildungskongregation über die Katholische Schule: „Die Katholische Schule unternimmt es (…) bewusst, den ganzen Menschen auszubilden, da in Christus, dem vollkommenen Menschen, alle menschlichen Werte ihre Verwirklichung finden und daher ihre harmonische Einheit.“ Hier zeigt sich einmal mehr, dass das katholische Erziehungskonzept nur im Zusammenhang mit den theologischen Grundaussagen des Zweiten Vatikanischen Konzils angemessen verstanden werden kann.

Das personale Denken prägt auch das Verständnis der Katholischen Schule. In Fortführung der Grundaussagen von Gravissimum educationis verstehen die nachkonziliaren Dokumente der Kongregation für das katholische Bildungswesen die Katholische Schule nicht primär als Institution, sondern als „Erziehungsgemeinschaft“ von Schülern, Lehrern, Eltern und allen, die am Schulleben beteiligt sind. Schule ist kein mehr oder minder zufälliges Zusammentreffen von unterschiedlichen Klassen, Fachkonferenzen, inner- oder außerschulischen Aktivitäten, die von der Schulleitung unter administrativen und funktionalen Gesichtspunkten organisiert werden. Die Verantwortung für das Gelingen von Schule liegt nicht allein bei der Schulleitung oder beim Schulträger. Alle am Schulleben Beteiligten sind jeweils zu ihrem Teil, aber doch gemeinsam für ihre Schule und für die Erziehung und Bildung der Schülerinnen und Schüler verantwortlich. Hier spielt die Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus eine große Rolle. Nichts ist der Erziehung der Schülerinnen und Schüler abträglicher als das Desinteresse von Eltern und Lehrern. Dieses soziale oder kommunitäre Verständnis von Schule hat dann sicher auch strukturelle Konsequenzen etwa im Bereich der Mitbestimmung.

Die Idee der Katholischen Schule als Erziehungsgemeinschaft ist nicht nur pädagogisch, sondern wesentlich ekklesiologisch begründet. Sie hat ihr theologisches Fundament im Selbstverständnis der Kirche als „Gemeinschaft des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung“ (LG 8). Den Communio-Charakter der Kirche hat das Zweite Vatikanische Konzil als kritisches Korrektiv zu einem einseitig institutionell-juristischen Kirchenverständnis hervorgehoben. Dabei betont das Konzil, dass die Communio der Gläubigen das Werk des Heiligen Geistes ist. So heißt es im Ökumenismus-Dekret Unitatis redintegratio: „Der Heilige Geist, der in den Gläubigen wohnt und die ganze Kirche leitet und regiert, schafft diese wunderbare Gemeinschaft der Gläubigen und verbindet sie in Christus so innig, dass er das Prinzip der Einheit der Kirche ist. Er selbst wirkt die Verschiedenenheit der Gaben und Dienste.“ (UR 2) Von diesem Selbstverständnis der Kirche als geistgewirkte Gemeinschaft des Glauben, der Liebe und der Hoffnung her ist auch die Erziehungsgemeinschaft der Katholischen Schule zu verstehen.

V.

Nun wird auch der Auftrag der Katholischen Schule zur Evangelisierung verständlicher. Ich kann hier an das anknüpfen, was zu Beginn dieser Überlegungen zu Dienst und Dialog als Leitideen des konziliaren Geschehens ausgeführt wurde. Dienst und Dialog als wesentliche Formen der Evangelisierung sind von einem personalen Denken nicht zu trennen. Sie sind ihrem Wesen nach personale Vollzüge. Auch wenn wir vom Dienst der Kirche oder vom Dialog von Kirche und Gesellschaft sprechen, so werden Dienst und Dialog doch im Handeln konkreter Menschen verwirklicht. Institutionelle Ordnungen und Regelungen sollen dafür sorgen, dass menschliches Handeln sich nicht in punktuellen Aktionen erschöpft, sondern kontinuierlich und dauerhaft wird. Deshalb bedürfen Dienst und Dialog dann auch der institutionellen Absicherung. Das gilt für die Kirche ebenso wie für die Schule.

In welchem Sinne kann man nun von der Katholischen Schule als einem Ort der Evangelisierung sprechen? Hier könnte man vieles nennen, was heute und in den nächsten Referaten und Diskussionen sicher auch geschehen wird. Ich möchte mich auf zwei Kernelemente des katholischen Erziehungskonzepts konzentrieren: auf die Synthese von Glaube, Kultur und Leben und auf die Erziehungsgemeinschaft.

Mit der Synthese von Glaube und Kultur bzw. von Glaube und Leben greifen die nachkonziliaren Dokumente zur Katholischen Schule einen Grundgedanken der europäischen Bildungstradition auf. Mit Bildung meinen wir ja nicht nur die Aneignung von Wissen und Fähigkeiten, von Qualifikationen und Kompetenzen. Bildung ist vor allem Persönlichkeitsbildung in der Begegnung und Auseinandersetzung mit den verschiedenen Bereichen unserer Kultur und Gesellschaft, mit Wissenschaft, Kunst, Religion oder Politik. Bildung legt den Akzent auf die persönlichkeitsprägende und persönlichkeitsentwickelnde Wirkung dieser Begegnung und Auseinandersetzung. Die Aneignung von Wissen und Fähigkeiten soll mit der Ausbildung von menschlichen Haltungen und Einstellungen verbunden werden. Wissen muss bewertet werden, um handlungsrelevant zu sein. Dieser Zusammenhang von Wissen, Werten und Handeln ist für das Bildungsverständnis grundlegend. Ebenso erschöpft sich religiöse Erziehung, die Einführung in den Glauben, nicht in der Vermittlung von religiösem Wissen, auch wenn wir die kognitiven Aspekte religiöser Bildung nicht gering schätzen dürfen. Der Glaube soll vielmehr die Persönlichkeit der Schülerinnen und Schüler prägen. Das kann nur gelingen, wenn die Glaubensinhalte in Bezug zu Fragen und Erfahrungen der Schülerinnen und Schüler gesetzt werden, und wenn die Schülerinnen und Schüler lernen, den Glauben der Kirche in Bezug zum säkularen Wissen, zu den gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart und zu den anderen Konfessionen, Religionen oder Weltanschauungen, denen sie in ihrer Lebenswelt begegnen, zu setzen (vgl. hier das begrenzte Recht des Korrelationsprinzips).

Dem liegt ein Bildungsideal zugrunde, das tief in dem zu Beginn beschriebenen konziliaren Geschehen verankert ist, nämlich das Ideal eines in der Kirche beheimateten Christen, der Gott und der Welt dienen will und deshalb den Dialog mit den anderen sucht und führt. Das Konzil hat uns wieder neu bewusst gemacht, dass zum Katholisch-Sein eine grundlegende Offenheit gegenüber dem Wissen, den Erfahrungen und Überzeugungen der anderen und die Bereitschaft zum Dialog gehören. Die Offenheit und Dialogbereitschaft wurzelt im Heilsmysterium selbst, im Glauben an den Gott, der das Heil der ganzen Welt und aller Menschen will.

Die so verstandene Synthese von Glaube und Leben, von Glaube und Kultur, ist nicht etwas Fertiges und Endgültiges, das wir nur noch zu übernehmen bräuchten. Sie ist vielmehr eine lebenslange und sich biographisch und historisch immer wieder neu stellende Aufgabe. Wie lernt man, die eigenen Erfahrungen im Lichte des Glaubens zu deuten und die Herausforderung des Evangeliums im eigenen Leben anzunehmen? Wie lernt man, eine vom Glauben getragene Position zu den religiösen, ethischen und politischen Kontroversen in unserer Gesellschaft zu finden und argumentativ zu vertreten? Hierzu bedarf es sicher der Aneignung von Wissen und Fähigkeiten. Entscheidend aber ist die Begegnung mit Menschen, die sich in ihrem eigenen Leben um diese Vermittlung von Glauben und Leben, von Glauben und Kultur bemühen. Es ist nicht zuletzt das Lebenszeugnis von Menschen, das den Glauben glaubwürdig macht. Der christliche Glaube bedarf der Veranschaulichung an konkreten Biographien. Er ist nämlich keine ferne Utopie, sondern kann wie Geschichte und Gegenwart erweisen, entschieden und glaubwürdig gelebt werden. Die Hinführung zum christlichen Glauben braucht deshalb pädagogisch produktive Vorbilder, die uns nicht zuletzt in großen Christen, herausragenden Zeugen des Glaubens und den kanonisierten und (noch) nicht-kanonisierten Heiligen gegeben sind. Sie braucht aber auch die Begegnung mit überzeugten und überzeugenden Menschen in der unmittelbaren Umgebung. Hier denke ich natürlich zunächst an die Lehrerinnen und Lehrer. Aus den Erinnerungen an unsere eigene Schulzeit wissen wir, dass es oft die Persönlichkeit einer Lehrerin oder eines Lehrers war, die uns motivierte, uns näher und intensiver mit einem bestimmten Fach, einer bestimmten Problemstellung oder einem bestimmten Gegenstand zu befassen. Erfolgreiches Lernen in der Schule hängt wesentlich auch von der personalen Beziehung zwischen Lehrern und Schülern ab. Das gilt für die religiöse und moralische Erziehung in besonderem Maße. Denn hier spielen die affektiven und emotionalen Momente eine große Rolle. Hier liegt die Rolle des Zeugen , auch hier eine Kategorie von größter Bedeutung.

Unterrichten ist das Kerngeschäft der Schule. Aber Schule ist mehr als Unterricht. Sie ist ein Lebensraum, in dem Schülerinnen und Schüler viele Stunden am Tag über zehn oder zwölf Jahre hinweg ihr Leben verbringen. Sie ist ein Raum, in dem Kinder und Jugendliche Erfahrungen machen, die ihr weiteres Leben nachhaltig prägen. Dies sind oft Erfahrungen, die in keinem Lehrplan vorgesehen sind. Die Literatur der letzten zwei Jahrhunderte legt davon beredtes Zeugnis ab. Wir wissen nicht erst heute, wie wichtig Schule als Lebensraum ist, und sprechen bewusst von Schulkultur. Zur Kultur gehören immer auch gemeinsam geteilte Werte und wegweisende Geschichten, an denen sich Leben und Lernen und das Handeln der beteiligten Personen und Gruppen orientieren. Diese Werte prägen das alltägliche Miteinander, den Umgang mit Konflikten, mit Schuld und Versagen ebenso wie die Gestaltung des Schulgebäudes und der Klassenräume, die Strukturierung des Schultages und des Schuljahres. Hier zeigt sich, welcher Geist in einer Schule weht. Deshalb ist es der Auftrag der Katholischen Schule, um nochmals Gravissimum educationis zu zitieren, „einen Lebensraum zu schaffen, in dem der Geist der Freiheit und der Liebe des Evangeliums lebendig ist.“ (GE 8) Die Katholische Schule ist ein Ort der Glaubensvermittlung, wenn sie ein Ort gelebten Glaubens ist. Eine von Dienst und Dialog geprägte Schulkultur ist deshalb ein vorzügliches Medium der Evangelisierung.

Schulkultur und Erziehungsgemeinschaft gehören untrennbar zusammen. Erst durch die Orientierung an gemeinsamen Werten und Überzeugungen wird eine Gruppe von Menschen zu einer Gemeinschaft, und nur im Handeln der Einzelnen werden Werte und Überzeugungen lebendig. Das ist nicht nur eine soziologische, sondern auch eine theologische Einsicht. Das Evangelium bedarf der Gemeinschaft, die es bezeugt. Der Apostel Paulus drückt es im Zweiten Brief an die Gemeinde in Korinth sehr plastisch aus: „Unverkennbar seid ihr ein Brief Christi, ausgefertigt durch unseren Dienst, geschrieben nicht mit Tinte , sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf Tafeln aus Stein, sondern – wie auf Tafeln – in Herzen von Fleisch.“ (2 Kor 3,3) Die Erziehungsgemeinschaft einer Katholischen Schule soll ein solcher „Brief Christi“ sein. Als „Brief Christi“ kann und soll sie auch in die nähere und fernere Umgebung ausstrahlen und hineinwirken. Gerade in den neuen Bundesländern sind Katholische Schulen oft ein Kristallisationspunkt kirchlichen Lebens und werden als sichtbare Präsenz von Kirche in einem kirchenfernen Umfeld wahrgenommen und geschätzt.

VI.

Gibt es nun einen besonderen Auftrag der Ordensschulen im Gesamt der Katholischen Schulen? Diese Frage hätte vor einigen Jahrzehnten nur Unverständnis ausgelöst. Traditionell ist die Katholische Schule eine Ordensschule. Entsprechend beruhte die Vielfalt des katholischen Schulwesens auf den unterschiedlichen Spiritualitäten der Orden und Kongregationen. Noch 1987 wurden etwas mehr als 51 Prozent der Katholischen Schulen in Deutschland von Orden getragen. Heute sind es nur noch gut 27 Prozent. Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist der Rückgang der Ordensberufe und in der Folge die verminderte Wirtschaftskraft der Orden. Viele Ordensschulen wurden in den letzten zwei Jahrzehnten von den Diözesen übernommen und konnten so erhalten bleiben. Dies wird in Zukunft wegen der angespannten Lage der diözesanen Haushalte nur noch in Einzelfällen möglich sein – insbesondere in Bundesländern mit einer niedrigen Refinanzierungsquote und entsprechend hohem Eigenanteil der kirchlichen Schulträger.

In den letzten Jahrzehnten sind Ordensschulen vom Regelfall der Katholischen Schule eher in Richtung eines Ausnahmefalls geworden. Damit stellt sich für die Orden natürlich die Frage nach dem besonderen Profil ihrer Schulen. Die bisherigen Überlegungen geben vielleicht einen Hinweis auf eine Antwort. Wenn man sich differenzierter mit dem Konzept der Katholischen Schule als Erziehungsgemeinschaft befasst, wird man erkennen, dass die konkrete Erziehungsgemeinschaft meist alles andere als eine religiös homogene Gemeinschaft ist. Unter den Eltern, die ihre Kinder auf eine Katholische Schule schicken, finden sich praktizierende und kirchlich engagierte Katholikinnen und Katholiken, aber auch viele eher Distanzierte oder sogar der Kirche Entfremdete. Entsprechend vielfältig ist auch die Schülerschaft. Manche sind mit Glaube und Kirche vertraut und nehmen aktiv am Leben ihrer Gemeinde teil. Für andere – und ihre Zahl dürfte zunehmen – ist die Schule der erste und wichtigste Ort, an dem sie mit dem christlichen Glauben überhaupt in Kontakt kommen. Ein realistischer Blick wird schließlich wahrnehmen, dass Nähe und Distanz zu Glaube und Kirche auch bei den Lehrerinnen und Lehrern unterschiedlich ausgeprägt sind. Die Erziehungsgemeinschaft der Katholischen Schule braucht daher eine Art Kernteam, das in kontinuierlicher und verbindlicher Weise inspirierend und motivierend wirkt und dadurch auch die Schulkultur prägt. Ordensangehörige könnten ein solches Kernteam bilden. Sie haben sich bewusst für eine Lebensform der vorbehaltlosen Nachfolge Christi in einer verbindlichen Gemeinschaft entschieden, für ein Leben, in dem die Gottesbeziehung in Gebet, Meditation und Kontemplation einen großen Raum einnimmt, für ein Leben im Dienst an der Gemeinschaft und an Jesus Christus. Das Leben in einer Gemeinschaft mit einer verbindlichen Regel und einer geprägten Spiritualität befähigt Angehörige von Orden und Kongregationen dazu, inspirierend und motivierend im Lehrerkollegium, in der Schülerschaft und in der Begegnung mit Eltern zu wirken.

Über die Qualität einer Katholischen Schule entscheidet der Geist, der in ihr weht. Spiritualität ist ein Modewort, unter dem vieles verstanden wird. Christliche Spiritualität ist kein Schwärmertum, sie ist nicht unverbindlich oder gar weltflüchtig. Christliche Spiritualität orientiert sich immer am Evangelium und an Jesus Christus. Denn der Heilige Geist ist der Geist Jesu Christi. Der Heilige Geist will diese Welt verändern, sie Gott gemäßer und damit menschlicher machen. Christliche Spiritualität muss deshalb im täglichen Handeln, in der Gestaltung von Raum und Zeit, des persönlichen und gemeinschaftlichen Lebens konkret werden. Gewiss geht der Geist Jesu nicht in den Strukturen und Ordnungen dieser Welt auf, er geht aber auch nicht über sie hinweg. Er will sie vielmehr verwandeln. Von dieser weltverwandelnden Kraft des Geistes legen die Ordensgemeinschaften in ihren unterschiedlichen Handlungsfeldern ein eindrucksvolles Zeugnis ab. Gerade von den Orden sind wichtige pädagogische Impulse ausgegangen. Ich bin sicher, dass die inspirierende Kraft der Orden auch in Zukunft in den Katholischen Schulen und darüber hinaus wirken wird.

(c) Karl Kardinal Lehmann

Es gilt das gesprochene Wort

Im Original sind eine Reihe von Fußboten und Anmerkungen enthalten.

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz