"Die Zukunft ist meine Freundin"

Einige Gedanken zur Vorstellung des Buches von Malu Dreyer mit Hajo Schumacher „Die Zukunft ist meine Freundin. Wie eine menschliche und ehrliche Politik gelingt“, 304 Seiten, Quadriga-Verlag, Köln 2015, in Berlin am 01.10.2015

Datum:
Donnerstag, 1. Oktober 2015

Einige Gedanken zur Vorstellung des Buches von Malu Dreyer mit Hajo Schumacher „Die Zukunft ist meine Freundin. Wie eine menschliche und ehrliche Politik gelingt“, 304 Seiten, Quadriga-Verlag, Köln 2015, in Berlin am 01.10.2015

Es ist gut, wenn Politikerinnen und Politiker Bücher schreiben. Dies ist eine Gelegenheit, das politische Tagwerk gegen alle rasche Vergesslichkeit auf seine Gediegenheit und Tauglichkeit kritisch zu reflektieren. Ich habe großen Respekt vor der Entschlossenheit einer solchen Rechenschaftsablage, zumal wenn sie wie bei Frau Ministerpräsidentin Malu Dreyer nicht nur dem Druck des Terminkalenders, sondern auch einer prekären gesundheitlichen Situation abgerungen werden muss. Respekt!

Das Buch, das zusammen mit Hajo Schumacher verfasst wurde, hat immerhin über 300 Seiten, so dass ich nur einige wenige Gedanken als Einleitung zu unserem Gespräch voranschicken kann.

Was hat mich beeindruckt? Ich finde es zunächst außerordentlich mutig, schonungslos die eigene Biografie, in diesem Fall auch eine Krankengeschichte, mit dem Thema der Maßstäbe für menschliche und ehrliche Politik zu verbinden. Malu Dreyer scheut sich nicht, die Welt und zumal die Bühne der Politik auch aus der Perspektive des Rollstuhls zu betrachten. So ist das Buch von einer großen Offenheit geprägt. In geschickter Weise werden die Lebensgeschichte der Autorin, ohne dass sie isoliert herausgestellt wird, mit dem politischen Programm und den Erfolgen sowie Misserfolgen dargestellt, ohne dass dies anbiedernd wirkt. Dennoch ist – das gehört aber wohl zu einer Politikerin und zu einem Politiker – die Nähe zu den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz im kommenden Frühjahr zu spüren.

Malu Dreyer erzählt, dass sie aus einer Familie stammt, in der der Vater ganz in der CDU zu Hause war. Sie ist erst mit 34 Jahren zur SPD gestoßen. Zehn Jahre war sie nach dem Posten als Bürgermeisterin in Bad Kreuznach Sozialdezernentin in Mainz im Kabinett von Kurt Beck als Ministerin für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demografie, bis sie im Januar 2013 seine Nachfolgerin als Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz in Mainz wurde.

Von Anfang an stand im Studium und in den beruflichen Anfängen, vor allem der Staatsanwältin, die Gerechtigkeit im Mittelpunkt. Dies ist bis heute eine Leidenschaft geblieben. Sie hat sich hauptsächlich für das Arbeitsrecht interessiert. Immer mehr kam auch der Einsatz für viele Formen der Solidarität mit ins Spiel. Dabei war es für sie immer wichtig, Arme nicht nur mitzuschleppen, sondern auch zu mehr zu befähigen. Deswegen spielte die verstärkte Sorge für Bildungschancen aller stets eine große Rolle.

Das Buch ist nicht nur im Blick auf die Lebensgeschichte der Verfasserin aufschlussreich und spannend, sondern man kann auch viel für das politische Handwerk lernen, sowohl für den Alltag als auch für eine ernsthafte Reflexion über Politik. Dies wird besonders anschaulich an all dem, was an einigen Stich- und Schlagworten vorgeführt wird: Inklusion, Integration, Einwanderung, „Ausländer“, „Gastarbeiter“. Besonders eindrucksvoll, vielleicht sogar die Mitte des ganzen Buches, sind die Ausführungen zur „Inklusion“, wobei sie hier die eigene Lebensgeschichte und das politische Programm am tiefsten und recht überzeugend miteinander verbindet. Es ist ein in vielem nachdenkliches Buch. Nicht wenige gelungene Sätze regen zum weiteren Nachdenken an. Ergreifend sind auch die liebevollen Worte zu ihrem Ehemann, dem ehemaligen Oberbürgermeister von Trier, Klaus Jensen, den sie erst später in ihrem Leben kennenlernte. Beide vereint auch das Interesse für neue Formen des menschlichen Wohnens, was sie in Trier miteinander praktizieren. Gut gefallen haben mir das Plädoyer für die Wertschätzung der „Langsamkeit“ in unserem Leben und das verhaltene Pathos für Gerechtigkeit überall.

Wir werden nachher gewiss auch darüber sprechen, wo wir andere Erfahrungen und Ansichten haben. Die Autorin unterstreicht mit viel Zustimmung die außerordentliche Vielfalt unserer Lebensverhältnisse und Einstellungen. Sie sieht darin eine Verwirklichung des aufgeklärten Freiheitsbegriffs. Aber was ist mit der zweifelsfrei doch ebenso nötigen Gemeinsamkeit von elementaren „Grundwerten“ des menschlichen Zusammenlebens? Woher kommen sie wirklich? Vor allem aber frage ich mich, ob das Bekenntnis am Ende des Buches „Das ganze Leben ist Politik.“ wirklich zusammenstimmt mit der eigenen konkreten Existenz. Ohne Frage ist dies richtig, wenn man es im Sinn eines zentralen Merkspruchs des Buches versteht: „Wer sich beteiligt, kann verlieren. Wer sich nicht beteiligt, hat schon verloren.“

Ich wünsche diesem Buch als eindringlichem Lebenszeugnis über die heutige Schnelllebigkeit auch unserer Buch- und Medienkultur hinaus eine freundliche Aufnahme.

(c) Karl Kardinal Lehmann, Bischof von Mainz

von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz

Copyright: Karl Kardinal Lehmann, Mainz