Es ist jahrelang und monatelang geprobt worden. Endlich gab es gestern den wirklichen Start und den ersten Anpfiff. Die Leute wollen jetzt schönen Fußball sehen.
Viele haben das Treiben mit gemischten Gefühlen beobachtet. Es lässt sich nicht leugnen, dass Sport und Kommerz heute unzertrennlich sind. Dies hat reale Gründe, besonders wenn es um organisatorische Höchstleistungen geht. Aber es lässt sich auch nicht leugnen, dass viele sich wie Kletten daran hängen und ein Geschäft wittern. Da gibt es dann auch wenig Rücksicht, z.B. bei der Festsetzung von Ladenöffnungszeiten. Machen wir uns nichts vor: Von den berühmten „Ausnahmen“ bleiben nachher Zugeständnisse leichter hängen. Ärgerlich ist auch, wenn mitten im Sport, wo es ja auch um die Menschenwürde gehen soll, der Menschenhandel noch stärker Blüten treibt, z.B. mit Frauen aus Osteuropa. Auch wenn dankenswerterweise sich viele gegen diesen schnöden Ausverkauf der Spiele wehren, so darf man sich keine Illusionen über diese Hintergründe machen.
Ähnliches gilt für die Gefahren aus den Bereichen der Kriminalität, besonders aber auch des weltweiten Terrorismus. Hier haben manche Medien wohl schon des Guten zu viel getan. Neben den Spezialisten unserer Sicherheit brauchen wir die Aufmerksamkeit aller, auch der verrücktesten Fans. Alle können direkt oder indirekt zu größerer Sicherheit beitragen.
Diese Sorgen, so tief sie gehen, dürfen aber die Freude am Spiel nicht zerstören. Zum Menschen gehört das Messen der Kräfte. Dazu gehört auch der Sport. Dies gilt nicht nur für den Einzelnen, sondern auch das Auftreten in Gruppen und Mannschaften. Der Sport kann uns viele Alltagstugenden lehren, denen wir sonst aus dem Weg gehen: Achtung vor dem Anderen, Rücksichtsnahme, Beherrschung, Verzicht, Zusammenarbeit, Teamgeist. Wir dürfen uns auch freuen am schnellen Lauf, an prächtigen Torwartaktionen und an sportlicher Leistung.
Ich freue mich jedoch ganz besonders, wenn ich Profis aus den Spielern und Trainern, aber auch den Schiedsrichtern und Verantwortlichen der Vereine treffe, die bei allen Interessen und Erwartungen doch auch erkennen lassen, dass sie auch ungetrübte Freude haben an einem schönen Spiel. Die Freude ist noch größer, wenn es dabei gelingt, Grobheiten und Fouls mit Verletzungen zu vermeiden und nationalistische Verführungen in Schach zu halten (nichts gegen eine Begeisterung für das eigene Land!). Schließlich gehört zum Wesen des Menschen, dass er spielt. Das Bild vom Spiel reicht bis tief in das Verständnis selbst Gottes hinein. Freilich wissen wir auch, wie schnell aus dem Spiel vielfältige Formen der Sucht werden können.
Wir hoffen, dass sich viele Teilnehmer und Besucher der Weltmeisterschaft als willkommene Gäste fühlen und unser Land auch als offen und freundlich erfahren. Dies stärkt bei allen nationalen Akzenten das Zusammengehörigkeitsgefühl der Menschen untereinander. Der Sport kann über alle Grenzen hinweg Menschen miteinander verbinden. Dies kann auch die gemeinsamen Kräfte im Kampf gegen Armut, Hunger, Krankheiten und Unwissenheit stärken, was bitter nötig ist.
Hoffen wir, dass wir auch in vier Wochen nach dem Finale in Berlin dankbar aufatmen können.
© Karl Kardinal Lehmann
von Karl Kardinal Lehmann, Bischof em. von Mainz
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